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Der BGH verändert die Bildung – endlich!

Bibliotheken dürfen ihre Bücher legal digitalisieren und verbreiten – so entschied kürzlich der Bundesgerichtshof. Ein kleiner Urteilsspruch, der viel verändert! Warum genau das jetzt so ein großer Meilenstein auf dem Weg zum offenen Lernen ist, erklärt euch SPIESSER-Autor Jonathan.

05. May 2015 - 13:10
SPIESSER-Autor JonaOld.
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JonaOld Offline
Beigetreten: 22.02.2014

Die Richter vom Bundesgerichtshof (BGH) haben gesprochen: Uni-Bibliotheken dürfen künftig alle ihre Lehr- und Fachbücher einscannen und digital verfügbar machen – sie sogar zum Ausdruck und Download anbieten (AZ I ZR 69/11)! Zwar dürfen nur so viele digitale Kopien gleichzeitig eingesehen werden, wie es Exemplare der Bücher im Bestand der Unibibliotheken gibt, aber ein Schritt ist besser als gar nichts! Ich glaube: Endlich wird der ewige Kampf um Bücher kurz vor den Prüfungen oder zum Schreiben der Hausarbeiten ein Ende haben.


Kein Anstehen am Kopierer mehr! Foto: Maik
Meid, flickr.com, CC-Lizenz (CC BY-SA 2.0)

Mit dem Urteil des BGH endet ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen der Technischen Universität Darmstadt und einem Verlag, der sein Urheberrecht durch die digitale Verbreitung verletzt sieht. Sicher denken jetzt einige von euch: Studenten konnten doch schon ewig Bücher ausleihen und für private Zwecke kopieren. Aber: Durch das Urteil sind die Studis nicht mehr gezwungen die Kopien selbst zu machen – sie müssen also nicht mehr ewig anstehen, um das letzte Präsenzexemplar eines Lehrbuches zu bekommen. Damit verschwindet die Bindung an Raum und Zeit, und damit wird das Lernen insgesamt offener und auch demokratischer.

Ab in die Bibo

Bibliotheken haben über Jahrtausende das Wissen der Menschheit gesammelt, geordnet, verfügbar gemacht und in die Zukunft transportiert. Für Forscher, Wissenschaftler und Neugierige war dieser Ort der Bücher die Anlaufstelle. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen: Ohne Bibliotheken hätte unser Fortschritt irgendwo beim Bau der Pyramiden geendet. Das ist keine Übertreibung.

Früher war es also ein unschätzbarer Vorteil, alles Wissen an einem Ort zu sammeln. Doch heute ist das eher ein Hindernis. Überlegt doch mal: Die Bibliothek ist an ein biblion (ein Buch) und eine thêkê (einen bestimmten Ort) gebunden. Das entspricht nicht mehr unserer Lebensrealität. Unser Leben und Lernen wird immer schneller, mobiler, digitaler. Deswegen reicht die klassische Bibliothek nicht mehr aus, ich glaube: In 20 Jahren wird sich kaum ein Student mehr die Mühe machen, nach seiner Online-Vorlesung im digitalen Hörsaal zur Bibliothek zu rennen, um sich das Lehrbuch auszuleihen.


Bücher können leicht zerstört werden. Foto: Al
Jazeera English, flickr.com, CC-Lizenz
(CC BY-SA 2.0)
Bücher: Begrenzt, anfällig, umweltschädlich

Natürlich kommt hinzu, dass Bücher einige Schwächen haben: Sie sind nur in begrenzter Zahl vorhanden, und jeder Student kennt das Problem, dass wichtige Titel schnell vergriffen sind. Bösartige Kommilitonen verstecken Bücher, Seiten fehlen oder sind verschmutzt. Und auch wenn es uns heute hier unmöglich scheint: Bücher sind anfällig – das reicht von Wasserschäden bis hin zu mutwilliger Zerstörung. Erst vor zwei Jahren haben Islamisten in Timbuktu in Mali Teile einer uralten Bibliothek verbrannt und damit auch Teile des Kulturschatzes für immer zerstört.

Außerdem produzieren Bücher zusammengenommen eine Unmenge Altpapier. Laut Umweltbundesamt verbraucht jeder Deutsche durchschnittlich 244 Kilogramm Papier im Jahr. Wenn ich mir da meine Wälzer für die Uni so anschaue, wundert mich das überhaupt nicht – Regenwald ade! Dagegen wird für ein digitales Buch kein einziger Baum gefällt, und wenn ich mir hin und wieder die wichtigsten Seiten ausdrucke, ist schon enorm viel gespart.

Bildung für alle…

Aber es sind nicht die Nachteile der Bücher, sondern die Stärken des digitalen Lernens, die das kürzliche Urteil des BGH so zukunftsweisend machen: Noch immer kann nicht jeder studieren, der es will. Nicht in Deutschland oder Europa, und erst recht nicht in ärmeren Ländern. Bildung ist teuer, aber das ändert sich. Schon jetzt gibt es kostenlose Online-Lernangebote en masse. Mit der neuen offeneren Verfügbarkeit von digitalen Lehrbüchern wird also auch eine Schleuse geöffnet. Das Ziel:  Erstklassige Bildung für alle. Junge Menschen aus sozial schwächeren Schichten haben so auf lange Sicht mehr Chancen, an Bildung teilzuhaben.


Bildung für alle! Foto: Shreveport-Bossier
Convention and Tourist Bureau, flickr.com,
CC-Lizenz (CC BY 2.0)
… und überall

Zum Schluss noch etwas Zukunftsmusik: Ich hoffe, dass es nicht nur bei der Öffnung des Urheberschutzes für Lehrbücher bleibt. Viele alte Dokumente verstauben in Archiven und warten darauf, von der globalen Wissenschaftsgemeinde untersucht zu werden. Forscher auf der ganzen Welt könnten ihre Ergebnisse und Ideen austauschen. Kommt es so weit, ist die Wissenschaft von morgen offen, gemeinschaftlich und demokratisch. Bis dahin ist es jedoch noch ein langer Weg.

 

Text: Jonathan Old
Teaser-Foto: timetrax23, flickr.com, CC-Lizenz (CC BY-SA 2.0), Bild beschnitten

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