SPIESSER unterwegs

Klebrige deutsch-libanesiche Integration

Markus macht Zwischenstopp in Berlin und verfällt der libanesischen Backkunst. Was er da alles sieht, riecht und schmeckt, lest ihr hier.

09. November 2011 - 12:13
von SPIESSER-Autor urbanears.
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urbanears Offline
Beigetreten: 16.08.2011

Markus will die Welt kennenlernen und gondelt durch die Kontinete.

Mit flüssigem Fett servierte äthiopische Fleischpasten, anmutig angerichtetes persisches Hammelfleisch oder ganz ordinär Tranchen von der südfranzösischen Entenstopfleber – wer über den Tellerrand von Blutwurst und Co. hinaus schauen will, muss nach Berlin. Die Hauptstadt zwischen Brandenburg und Brandenburg is(s)t ja bekanntlich all das, was Deutschland nicht is(s)t.

Little Arabia oder wie ich neu riechen lernte

Nachdem ich an sechs Dönerläden, die hier schon gar keine Beachtung mehr finden, völlig emotionslos vorbeigeschlendert bin, bringt mich der versiffte Bus in das orientalische Herz von Moabit. Kaum ist die Tür auf, steigt mir neben dem Geruch verdorbener Eier und Urinresten der letzten Partynacht der Duft von Kardamom, Pistazien und Schawarma in meine Nüstern. Rings um mich herum die deutsche Wirklichkeit von 1001 Nacht. Ich bummle ein wenig herum und neben Menschen, die Tüten mit weißem Pulver tauschen, wimmelt es hier von kulinarischen Wohlfühloasen. Eine davon ist die Konditorei Abu Laila in der hektischen Beusselstraße.

Ein Lächeln, Nüsse und jede Menge Zucker

In der Halle des Genusses stapeln sich die
süßen Leckereien.

Die Tür steht bis tief in den Berliner Abend jedem offen, der sich den Genüssen libanesischer Backkunst hingeben möchte und lässt den Duft der süßen Köstlichkeiten auf den Fußweg strömen. Ich stehe an der ausladenden Theke mit den riesigen Blechen voller Küchlein, Blätterteigtaschen und Dattelröllchen mit verheißungsvollen Namen wie Halawet Jebben oder Schoaibiyat. Leicht überfordert deute ich auf drei Stapel gleichzeitig, entscheide mich dann aber dann doch für eine Art Risikoversion von Streuselkuchen ohne Streusel. Der Mann mit der weißen Bäckermütze lächelt etwas lustlos über sein Baklawahäufchen hinweg und ist auch sonst nicht sehr gesprächig. Ich beschließe, am nächsten Tag wiederzukommen, denn schließlich habe ich durch den Grieß-Nuss-Rosenwasserkuchen meinen Insulinhaushalt wieder kräftig auf Vordermann gebracht. Lecker wars.

Auch die Dattel ist Integration
Andere Geschichtes aus aller Herren Länder lest ihr hier. Nächste Woche geht's mit Lara nach Hongkong.

Döner kann jeder. Aber Datteln in eine fantastische Symbiose mit Mehl, Zucker und Pistazien zu zwingen, grenzt schon an ein Wunder. Als ich am nächsten Tag wieder vor die Theke trete, wird aus dem schwerfälligen Lächeln ein breites Grinsen und wir kommen sofort ins Gespräch. Über Datteln, Berlin und die Welt. Ich frage den Angestellten von Abdallah Selman (der hier seinen Namen aber nicht nennen möchte), ob denn Berlin eine lebenswerte Stadt sei – und erwarte natürlich, dass meine aufopferungsvolle Begeisterung vollkommen geteilt wird. „In Berlin ist einiges los, hier gibt es viele Libanesen und hier fühlen wir uns wohl“, sagt er. Ich freue mich. Noch ein Berlin-Freak. Dann fügt er noch an, dass es in Sachsen und anderswo doch eine größere Fremdenfeindlichkeit gäbe und er sich daher in Berlin sehr sicher fühle. „Ich hab schon einiges gehört wegen der Ausländerfeindlichkeit, aber in Berlin noch nichts davon mitbekommen.“ Auf die Frage, was ihm an Moabit speziell gefällt, meint er: „Wir sind hier eine große Gemeinschaft, wir helfen uns gegenseitig und die Leute hier sind sehr offen.“ Willkommen im Kiez, der auch mein steinernes Herz höher schlagen lässt. Und nicht bloß wegen der kostenfreien Probierhäppchen und verkrachten Sozialunfällen.

Seid auch ihr grad als Au-Pair, Freiwilligendienstler oder Student in der Welt unterwegs? Dann schreibt doch für SPIESSER.de. Infos gibt's bei Redakteurin Alexandra.

Die fleißigen Hände im Abu Laila sind ein eingespieltes Team, jeder gibt hier sein Bestes, um auch immer mehr deutschen Kunden die Feinheiten der libanesischen Küche näher zu bringen. „Alles originale Familienrezepte“, wird mir versichert. Diesmal entscheide ich mich für ein schmackiges Stück Dattelkuchen und blicke wehmütig auf die mächtigen Schoko- und Sahnegebilde auf dem anderen Tresen. Auf Grund meines begrenzten Verdauungsraumes muss ich die zurücklassen. Aber ich komme wieder, und dann finden auch die äußerst kalorienarmen Zuckerbunker einen Platz in Herz und Magen. Ein letztes Mal leere ich das Portemonnaie, stecke unauffällig 9 Stück Baklawa in den Beutel und gebe einsam im Schatten eines Berliner Hinterhofes meiner Gier nach.

 

Fotos: privat

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