Kinofeeling

Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern

Die Existenz von Sexualität bei Menschen mit Behinderung ist ein Thema, das gesellschaftlich oftmals totgeschwiegen wird. Der neue Film „Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern“ von Stina Werenfels behandelt gerade dieses Thema und gibt eine provokante, wie auch emotionale Antwort auf das gesellschaftliche Schweigegelübde. SPIESSER-Praktikantin Juliane hat ihn sich für euch schon mal angeschaut.

28. May 2015 - 12:05
SPIESSER-Autorin suspiciousa.
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suspiciousa Offline
Beigetreten: 06.02.2015

Worum geht's?

Die 18-jährige Dora ist ein lebensfrohes, aufgewecktes und geistig behindertes Mädchen. Darum nimmt sie auch ihr ganzes Leben lang Medikamente, die sie ruhigstellen sollen. Pünktlich zu ihrem Geburtstag beschließt Doras Mutter jedoch die Medikamente abzusetzen, wodurch der Teenager wie aus einer Trance erwacht und anfängt das Leben neu zu entdecken. Und wie jede 18-jährige beginnt auch sie sich für ihren Körper und ihre Sexualität zu interessieren. Dies stellt die Familie zunächst vor einige Fragen – vor allem als sie dann tatsächlich ein Verhältnis mit dem zwielichtigen Peter beginnt, durch den sie sogar schwanger wird.

Wer spielt mit?

Besonders herausstechend sind die beiden Hauptdarsteller von Dora und Peter, die von Victoria Schulz und Lars Eidinger gespielt werden. Lars Eidinger ist ein bekanntes Gesicht aus verschiedenen deutschen Produktionen, wohingegen Victoria Schulz eine Newcomerin ist.

Beide spielen ihre sehr starken Rollen jedoch sehr überzeugend. Lars Eidinger verströmt den gesamten Film über eine eher unheimliche Stimmung und wirkt sehr kalt und abgewrackt. Dabei gibt es allerdings auch immer wieder Situationen, in denen man dazu neigt, ein Urteil über ihn nochmal zu überdenken. Das bemerkenswerte an Victoria Schulz ist, dass man sich den ganzen Film über gefragt hat, ob sie nun im echten Leben auch behindert ist oder nicht. Sie spielt die Rolle sehr glaubwürdig und mitreißend ohne zu übertreiben.

Filmischer Augenschmaus?

Der Film beinhaltet eine tolle Kameraführung, die einen selbst krass in die dargestellten Situationen hereinversetzt, da sie schonungslos ehrlich ist und nicht wegguckt, wo andere schon lange einen Cut gemacht hätten. Dazu gehören die zarten Kamerablicke, die Doras naive Sicht auf sich und ihre Umwelt einfangen, ebenso wie die filmische Darstellung der inneren Konflikte der Mutter, die nach und nach an der Situation verzweifelt.

Genauso werden einem aber auch den ganzen Film über explizite Nahaufnahmen von Geschlechtsteilen, einzeln wie auch in Aktion, präsentiert, was durchaus nichts für schwache Nerven sein könnte.

Braucht man Taschentücher?

Die Entwicklung der Beziehungen und Figuren im Film ist so überraschend und eindrucksvoll, dass die eigenen Moralvorstellungen und Definitionen von Normalität etwa im Minutentakt über den Haufen geworfen werden.

Der Film hat auf jeden Fall Momente, in denen einem die Tränen in die Augen schießen können, viel öfter hatte ich aber eher den Moment der Sprachlosigkeit, sodass man gar nicht mehr zum Heulen kommt.

Mit wem angucken?

Am Besten mit Leuten, mit denen man sich danach gut austauschen kann und smooth wieder in sein eigenes Leben zurückfindet, weil man mental ordentlich durchgeschüttelt wird. Wer darauf Lust hat, sollte sich den Film jedoch unbedingt ansehen! Wegen der vielen Sexszenen aber vielleicht nicht unbedingt mit Muddi und Vati.

In 3 Worten:

beeindruckend, ehrlich, provokant

Große Leinwand oder kleiner Bildschirm?

Natürlich ist es immer schöner, einen Film im Kino zu sehen, die Message kommt aber auch auf einem kleinen Bildschirm rüber.

Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern

Regie: Stina Werenfels
Darsteller: Victoria Schulz, Lars Eidinger, Jenny Schily, Urs Jucker
Kinostart: 21. Mai 2015
Länge: 90 Minuten

 

Text: Juliane Müller
Foto: Alamode Film

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