Schulstreik in Hamburg: Mehrere Tausend Schüler waren unterwegs, um gegen Abschiebung zu protestieren. Die Schulbehörde drohte mit Konsequenzen. SPIESSER-Autor Tobias war dabei.
13. December 2013 - 16:06 SPIESSER-Autor tobias.johanning.
Den Unterricht schwänzen für soziales Engagement, darf man das? Ja, finden die rund 3500 Hamburger Schüler, die am Vormittag des 12. Dezember auf die Straße gegangen sind, um sich für Flüchtlinge in ihrer Heimatstadt einzusetzen. Einige Lehrer haben die Aktion zwar unterstützt, die Hamburger Schulbehörde drohte dagegen mit Strafen für unerlaubtes Fernbleiben vom Unterricht.
Das Thema Flüchtlingspolitik wird in Hamburg schon seit Anfang des Jahres heiß diskutiert. Grund dafür ist die sogenannte „Lampedusa-Gruppe“, ein Zusammenschluss von rund 300 Flüchtlingen aus Nordafrika, die über die italienische Insel Lampedusa nach Hamburg geflohen sind. In ihren Heimatländern herrscht Krieg, dort konnten sie nicht bleiben. Doch in Hamburg auch nicht – zumindestens nicht dauerhaft. Unterstützung erhalten sie im Moment vor allem von Hamburger Bürgern: Sie bringen Nahrungsmittel und Kleidung zu den Notunterkünften oder bieten sich als Übersetzer und Deutschlehrer für die Flüchtlinge an.
Auch einige Prominente wie die Musiker Jan Delay, Fettes Brot und der Filmemacher Fatih Akin zeigten sich mit der Gruppe solidarisch. Ihre Fotoaktion "Wir sind Lampedusa" verbreitete sich in den vergangenen Wochen rasant in den sozialen Netzwerken.
Aber auch immer mehr Schüler mischen sich in den Streit um den Verbleib der Flüchtlinge ein. So startete eine zehnte Klasse der Stadtteilschule am Hafen/St. Pauli eine Online-Unterschriftenaktion. Darin forderte sie, dass sie den 80 Flüchtlingen, die in der St. Pauli Kirche untergekommen waren, ihre Schulturnhalle als Unterkunft zu Verfügung stellen dürfen. Stattdessen hat der Senat Wohncontainer aufgestellt. Anfang November zogen die Flüchtlinge um – bis Mai 2014 können sie nun dort wohnen.
Jetzt hat ein Bündnis von 40 Hamburger Schulen einen Streik während der Unterrichtszeit initiiert, um durch das Fehlen von Schülern in ihren Schulen ein deutliches Zeichen zu setzen. Die Schulbehörde fand diese Idee nicht besonders lustig und lehnte eine Genehmigung ab. Zuletzt drohte sie mit der Konsequenz, dass das Fehlen einen unentschuldigten Fehltag im Zeugnis hinterlassen wird. Schülerin Wiebke, zehnte Klasse, beeindruckt das aber nicht: "Das ist mir ziemlich egal, das Zeugnis schaut sich eh keiner mehr an." Unterstützung erhielt das Bündnis unter anderem von der Lehrergewerkschaft GEW, der Partei Die Linke und von Verdi.
Die Schüler sind sich trotzdem sicher, dass ihre Aktion notwendig war. "Realistisch betrachtet, erwarten wir zwar nicht, dass morgen gesagt wird: 'Wir nehmen jetzt alle Flüchtlinge auf", sagt Azubi Taro Tatura, Mitinitator der Aktion. Es sei aber dennoch wichtig, weiter gegen die Politik des Senates zu protestieren. Taro zumindest hat das vor.
Text: Tobias Johanning
Fotos: Wir sind Lampedusa, Tobias Johanning
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