Es wird wieder kühler draußen, da ist der nächste Schnupfen nicht weit. Was dagegen tun? Na klar, der Griff zum Taschentuch oder Nasenspray. Letztere sind aber gar nicht so harmlos wie man denken mag. SPIESSER-Autorin Maxi war abhängig von Nasensprays und erzählt euch, was es damit auf sich hat.
21. October 2014 - 15:19 SPIESSER-AutorIn anonymer Nutzer.
Wir alle kennen die Gefahren, die Alkohol und andere Suchtmittel mit sich bringen. Und alle warnen uns vor den schlimmen Folgen allseits bekannter Drogen. Wir werden allerdings nicht vor Stoffen gewarnt, die ebenfalls abhängig machen können wie „normale“ Drogen. Arzneimittelbestandteile, die in Medikamenten enthalten sind, die wir z. B. bei einer einfachen Erkältung nehmen. Im konkreten Fall geht um den Wirkstoff mit dem komplizierten Namen Xylometazolinhydrochlorid – ein Bestandteil von Nasensprays. Diese kleinen Utensilien sind weit verbreitet: Laut einer Langzeitstudie einer Online-Versandapotheke, bei der das Kaufverhalten der Kunden über ein Jahr lang beobachtet wurde, lagen die Verkaufszahlen für Nasensprays im Jahr 2013 mit 63.000 Packungen, die allein über das Online Portal vermittelt wurden, auf Platz 3 der verkauften Medikamente.
Wie alles begann
Da ist der nächste Nasenspray nicht weit?
Vor ungefähr einem Jahr hatte ich eine starke Erkältung und nahm – wie viele andere Leute auch – einen Nasenspray gegen den Schnupfen. Sobald es mir besser geht, wollte ich das Medikament wieder absetzen. Doch auch als es mir wieder gut ging, nahm ich es jeden Tag vor dem Einschlafen. Was passierte mit mir? Wenn ich es nicht nahm oder versuchte ohne zu schlafen, bekam ich Panikattacken, ich wurde aggressiv und schlug auf Gegenstände ein. Und was am erschreckendsten war: Ich konnte nicht schlafen! Ich habe mir dann gesagt: „Morgen höre ich auf“, aber irgendwann wurden aus den Tagen Wochen und aus den Wochen wurden Monate. Nach acht Monaten habe ich dann ein paar Freunden davon erzählt. Zwei haben mich ausgelacht und zwei andere haben gedacht, dass ich das nur erfunden hätte – nur einer hat mir wirklich zugehört. Natürlich klingt es erstmal komisch, wenn man sagt: „Ich bin von Nasenspray abhängig“. Doch hätten meine Freunde gewusst, was mit mir passiert, wenn ich mein Nasenspray nicht bekomme, hätten sie wohl nicht über mich gelacht.
Was kann Nasensprays so gefährlich machen?
Nasensprays sind schnell zur Hand...
Viele der abschwellenden Nasensprays enthalten den Wirkstoff Xylometazolinhydrochlorid – ein Sympathomimetikum. „Es imitiert die Wirkung des Systems – ein Alarmsystem in unserem Rückenmark, das Adrenalin ausschüttet, wenn der Überlebensinstinkt eintritt. Genauso ist es bei den Nasenschleimhäuten. Xylometazolin wirkt wie Adrenalin, es lässt die Blutgefäße enger werden und der gewünschte Abschwell-Effekt tritt ein“, erklärt die Ärztin Dr. Beate Schmiedel. Gefolgt wird dieses Prinzip jedoch vom sogenannten Rebound-Effekt – die Nase schwillt wieder zu und man bekommt keine Luft mehr.
Ist man erst einmal davon abhängig, kann es passieren, dass man ohne eine Dosis Nasenspray vor der Nachtruhe nicht mal an Schlaf denken kann. Ganz einfach, weil der Kopf sagt, dass irgendetwas fehlt. Versucht man ohne Nasenspray zu schlafen, können sofort Erstickungsängste und Herzrasen auftreten. Die Nase fühlt sich verstopft an und man greift ohne Nachzudenken zum Spray, um Luft zu bekommen. In der Fachliteratur spricht man von einem „Chronischen Schnupfen“, was so viel wie das Anschwellen der Nasennebenhöhlen bedeutet und auf den Einsatz von Nasensprays zurückgeführt werden kann.
Der Weg aus der Sucht
Nach acht Monaten wurde mir klar, dass ich etwas verändern muss. Daher sprach ich den Vertrauenslehrer unserer Schule an. Er hat mir zuerst geraten, das Nasenspray zu wechseln. Das hieß im Grunde, dass ich ein Nasenspray mit einem geringeren Anteil an Xylometazolin nehmen müsste. Der nächste Schritt war jedoch weit schwieriger, denn ich musste meinen Eltern von der Situation erzählen – und davor hatte ich Angst, denn wer gibt schon gern zu, dass er von etwas abhängig ist? Was viele nicht nachvollziehen können, ist der Umstand, dass man das Nasenspray nicht nehmen will, aber es tun muss, um frei atmen zu können. Ich hatte Angst, dass meine Eltern das nicht verstehen würden. Letztendlich haben sie es aber gut aufgenommen und mich zum Arzt begleitet. Allerdings hat es noch fast vier Monate gedauert, bis ich wirklich „clean“ war und vollkommen ohne Spray auskommen konnte.
Welchen Rat kann ich euch mit auf den Weg geben? Wenn ihr Schnupfen habt, verzichtet auf Nasensprays, die Xylometazolinhydrochlorid enthalten. Meerwasser-Nasenspray eignet sich beispielsweise genauso gut und macht auch nicht abhängig. Und wenn man euch in der Apotheke sagt: „Bitte nicht länger als fünf Tage anwenden“, dann nehmt so einen Hinweis ernst. Es ist absolut nicht notwendig, einer von circa 100.000 „Xylos“ zu werden.
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