Die Welt entdecken statt in der Uni büffeln: Viele Schüler entscheiden sich für ein Auslandsjahr nach der Schule. Doch wohin soll es gehen? SPIESSER-Autorin Astrid hat da eine Stelle in einem eher unüblichen Ort gewählt – in einer Jugendbegegnungsstätte in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz.
30. January 2015 - 14:43 SPIESSER-Autorin pippi.langstrumpf.
„Und, was machst du so nach dem Abi?“ Dass ich auf diese Frage einmal mit „In Auschwitz arbeiten“ antworten würde, hätte ich noch vor einem Jahr kaum für möglich gehalten. Und doch: Die Straßen, durch die ich an diesem Morgen im Nebel mein Fahrrad schiebe, sind Teil der polnischen Kleinstadt Oświęcim, in anderen Zeiten „Auschwitz“ genannt.
Dieser Name dürfte vielen bekannt sein – allerdings steht er im Allgemeinen nicht für eine moderne Stadt, sondern für Tod und Verbrechen. An diesem Ort haben die Nationalsozialisten während des 2. Weltkrieges zwischen 1,1 und 1,5 Millionen Menschen umgebracht, ein Großteil davon jüdischer Herkunft. Der Begriff „Auschwitz“ ist zum Synonym für den Holocaust geworden. Heute noch sind wir fassungslos angesichts der Überreste des Konzentrations- und Vernichtungslagers, die von der systematischen Tötung unschuldiger Menschen zeugen.
Ein etwas anderer Ort
Was ich hier mache? Die kurze Antwort lautet: einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst – ähnlich einem FSJ, aber eben im Ausland. Etwas genauer erklärt: Ich arbeite nicht direkt in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, sondern etwas weiter entfernt vom ehemaligen Lager, in der „Internationalen Jugendbegegnungsstätte“, kurz IJBS. Diese Begegnungsstätte ist eine Mischung aus Jugendherberge und Bildungszentrum: Gruppen, die Auschwitz im Rahmen einer Klassen- oder Studienfahrt besuchen, können hier übernachten und ein Bildungsprogramm in Anspruch nehmen. Betreut werden sie dabei von den Mitarbeitenden der pädagogischen Abteilung, von den Guides in der Gedenkstätte – und von mir, der Freiwilligen aus Deutschland.
Die Baracken von Auschwitz sind heute ein
viel besuchter Erinnerungsort. Foto: Flickr-User Monica Kelly (CC BY-SA 2.0)
Die Organisation, mit deren Hilfe ich diesen Freiwilligendienst leiste, ist der „Internationale Bund“, kurz IB, einer der größten deutschen Dienstleister im Bereich der sozialen Jugend- und Bildungsarbeit. Mich lockte die Herausforderung an dieser Stelle – fremdes Land, fremde Sprache, völlig unbekannte Arbeit – und ich fand den historischen Hintergrund spannend. Die Idee, mit einem „Ort der Begegnung“ gegen das Vergessen anzuarbeiten, gefiel mir sehr.
Seit September bin ich nun als Freiwillige hier und habe inzwischen die Arbeit in der Jugendbegegnungsstätte und das Leben in der Stadt kennen und lieben gelernt. Oświęcim ist eine hübsche Kleinstadt westlich von Krakau, in deren Zentrum kaum etwas an die grausame Geschichte des Ortes erinnert. Erst außerhalb der Stadt, auf der anderen Seite des Flusses Soła, drängen sich die Besucherbusse auf dem Parkplatz vor dem ehemaligen „Stammlager“ Auschwitz.
Klassenfahrt nach Auschwitz?
Meine Arbeit hier hängt ganz davon ab, welche Gruppen gerade im Haus sind. Wir haben überwiegend Schüler zu Gast, von Zeit zu Zeit auch Studenten oder ältere Bildungsreisende. Meist bin ich schon um acht Uhr in der Begegnungsstätte, um mit den Gruppen zu frühstücken. Das könnte ich zwar ebenso in meiner eigenen Wohnung tun, aber das Essen in der IJBS ist gesünder und interessanter: Bei den Mahlzeiten habe ich Gelegenheit, die Gruppenteilnehmer – die oft nicht viel jünger sind als ich selbst – kennenzulernen und mit ihnen über ihre Erfahrungen in Auschwitz zu sprechen.
Astrid bei der Stadtführung in Oświęcim. Foto: Privat
Meine Lieblingsaufgabe ist die Stadtführung: Viele Gäste, Deutsche wie Polen, sind sehr überrascht, hier eine über achthundertjährige Stadt vorzufinden. Das zeigt sich genauso in den Kommentaren, die unsere polnischen Freundinnen schon zu hören bekommen haben: „Wie, ihr wohnt in Oświęcim? In den Baracken?“ Irgendwann waren sie es leid, immer wieder das Gleiche zu erklären, und haben einfach geantwortet: „Klar, und wir haben da jetzt sogar Internet.“
Nachmittags haben die Gruppen meist ihr eigenes Programm, zum Beispiel einen Workshop oder das Gespräch mit einem Zeitzeugen. Dabei bin ich hauptsächlich für die Organisation verantwortlich, kann die Besucher aber auch begleiten. Der bis zu vierstündige Weg durch das Stammlager und das Vernichtungslager Birkenau ist immer wieder anstrengend – nicht nur körperlich.
Horizonte erweitern – auch den eigenen
Wenn gerade keine Gruppen im Haus sind, helfe ich bei anfallenden Arbeiten oder habe die Möglichkeit, mich weiterzubilden. Dazu gehört unter Anderem der Polnischunterricht: Als ich hier angekommen bin, konnte ich nicht viel mehr als „dziękuje“ (danke) und „dzien dobry“ (guten Tag), mittlerweile bringe ich schon die ersten richtigen Sätze zustande. Auch das ist eine neue Erfahrung, die mir großen Spaß bereitet: Wie gehe ich damit um, wenn mich kein Mensch versteht? Meine Vermieterin zum Beispiel kann weder Englisch noch Deutsch. Als sie mir einmal etwas Wichtiges mitteilen wollte, hat sie kurzerhand in der IJBS angerufen und die Rezeptionistin übersetzen lassen.
Nachdem also die anfänglichen Schwierigkeiten überwunden sind, fühle ich mich mittlerweile sehr wohl hier; die Arbeit und der Ort sind mir ans Herz gewachsen. Natürlich kann und will ich trotzdem nicht vergessen, wofür Auschwitz steht – aber ich möchte mit dazu beitragen, dass das Wissen um diese schreckliche Zeit zu einer besseren Zukunft führt.
Text: Astrid Schwieder
Teaserbild: Flickr-User fedewild (CC BY-SA 2.0), bearbeitet
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