Mitten im Gedränge, ganz dicht an der Mauer: Esther Lock hat den Mauerfall vor fast 25 Jahren live miterlebt. Die damals 30-Jährige Medizinstudentin erzählt von einer Nacht, die sie nicht mehr vergisst.
10. April 2014 - 11:24 SPIESSER-Autorin kastanienbraun.
Strubbelige kurze Haare, Jeans, rotes Sweatshirt und Winterjacke: Als Esther Lock mit ihrer Kollegin Gertrud am 9. November 1989 im Westberliner Stadtteil Charlottenburg vor dem Fernseher sitzt und die Acht-Uhr-Nachrichten sieht, können beide den Blick nicht von der Röhre abwenden. Die Nachrichten zeigen einen Ausschnitt der Pressekonferenz, auf der Günter Schabowski, Sprecher des Politbüros der SED in der DDR, versehentlich verkündete, dass die Ausreiseregelungen sich geändert hätten. So könne jeder DDR-Bürger die Ostzone jederzeit verlassen – ab sofort.
Beide Frauen stehen auf und laufen zum Auto. Gertrud ruft: „Da müssen wir hin!“
Schon in den letzten Tagen hatte Esther die Nachrichten genau verfolgt und bei jedem Wort, das der Staatsratsvorsitzende der DDR Egon Krenz von sich gab, genau hingehört. „Es bahnte sich etwas an, deswegen saßen wir dauernd vor dem Fernseher und wollten wissen, was passiert“, erinnert sich Esther. Die damals 30-Jährige absolvierte 1989 einen praktischen Einsatz im Krankenhaus Steglitz,
der ihr Medizinstudium in Frankfurt am Main abschließen sollte.
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Es ist kurz nach acht. Gertrud und Esther springen ins Auto. Außer ihren Papieren nehmen sie nichts mit. Gertrud fährt schnell, hupt ununterbrochen. Die beiden Frauen wollen zum Brandenburger Tor. Esther kurbelt das Fenster herunter und winkt anderen Autofahrern, dass sie ihnen folgen sollen. Je näher Gertrud und Esther dem Brandenburger Tor kommen, desto mehr Autos fahren in dieselbe Richtung. Es ist halb neun. Irgendwann ist kein Durchkommen mehr und sie stellen das Auto irgendwo ab. So schnell es geht, laufen sie den Rest zum Brandenburger Tor. Hunderte Menschen sind schon dort, doch auch die Polizei und das amerikanische Militär zeigen eine hohe Präsenz. Es liegt Spannung in der Luft. Niemand weiß, was passiert und ob das Militär und die Polizei auf beiden Seiten eingreifen. Esther hat Angst.
Sie stehen genau an der Mauer, als die ersten DDR-Bürger hochgeklettert kommen. „Scheiß egal, wenn die schießen“, hören die beiden Frauen jemanden in Ostberlin rufen. Doch sie schießen nicht. Immer mehr Menschen strömen auf die Mauer zu. Esther hilft mit der Räuberleiter denen, die auf die Mauer klettern wollen. „Es war wie eine Welle von beiden Seiten, die auf der Mauer aufeinanderprallt“, sagt Esther.
Am 9. November 1989 gegen Mitternacht feierten
die Berliner Wiedervereinigung. Foto: zumpe, flickr.com, CC-Lizenz (CC BY-NC 2.0)
Es ist sehr laut und noch immer ist Esther angespannt. Doch die Stimmung wird euphorisch. Jemand ruft: „Die haben die Grenze aufgemacht, in Pankow an der Bornholmer Straße.“ Die beiden Studentinnen rennen zur S-Bahn und fahren zur Bornholmer Straße. Auf dem Weg kaufen sie irgendwo Sekt. Als sie am Grenzübergang ankommen, ist es kurz vor Mitternacht. Unheimlich viele Menschen sind dort. Gertrud und Esther sehen die Volkspolizisten und das russische Militär in Ostberlin. „Es fühlte sich sehr kritisch an“, erinnert sich Esther. Ein junger Mann aus Ostberlin wird ihr später erzählen, dass die russischen Soldaten ihre Finger schon auf dem Abzug ihrer Waffen gehabt hätten.
Doch niemand schießt. Als sich mehr Menschen aus Ostberlin Richtung Grenzübergang drängen, gehen die Ostberliner Volkspolizisten einfach zur Seite. Mehrere von ihnen legen die Waffen ab und folgen den Massen Richtung Westberlin. Die Grenze ist offen. Als Ostberliner westlichen Boden erreichen, jubeln alle. Esther und Gertrud umarmen Menschen, die sie noch nie zuvor gesehen hatten. Sie stoßen an. Viele weinen. Immer mehr Trabis, vollbesetzt, fahren über den Grenzübergang Bornholmer Straße Richtung Westen. „Es stank fürchterlich nach Abgasen“, sagt Esther. Gertrud und Esther treffen Bernd mit Frau und Kind aus Ostberlin. Sie trinken Sekt und gehen zusammen mit anderen Ost- und Westberlinern in eine kleine Kneipe im Westteil der Stadt.
Die beiden Frauen laden die kleine Familie zum Essen ein und sie erzählen und erzählen, obwohl sie sich zum ersten Mal im Leben begegnen. Es beginnt eine Freundschaft, die mehrere Jahre anhalten wird. Wenn Esther sich heute an den Mauerfall und die Wiedervereinigung erinnert, sagt sie, dass die Menschen aus der DDR damals gegen das DDR-System gewonnen haben – friedlich: „Das war einmalig, dass ein getrenntes Volk ohne Gewalt wieder zusammenkommt.“ Und sie ist stolz, das bis heute so nah miterleben zu dürfen.
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https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
Bei meinem letzten Sturz fiel ich in Kunst hinein:
[Bild:1]
Viel Spaß
mxk
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