Normalerweise sehe ich einen Fisch erst dann, wenn er auf den Teller kommt. Aber Fisch vorm Essen selbst fangen? In Zeiten von Tiefkühlfilets und Konservendosen viel zu umständlich. Als kleines Kind habe ich mal geangelt, sonst kenne ich Angler nur als gemütliche Leute, die den ganzen Tag auf ihre Rute starren. Spannend klingt anders.
An die Angeln, fertig, los!
Pssst und Tarnklamotte an! Beim Angeln muss man nicht nur
ruhig sein, sondern auch grelle Farben im Schrank lassen.
Umso überraschter bin ich, als ich Gerd Paul vom Anglerverband Elbflorenz in Dresden treffe. Er ist seit über 40 Jahren leidenschaftlicher Angler und steht in voller Tarnmontur vor mir. „Fische können dich an den grellen Farben erkennen“, verrät er. Gemeinsam suchen wir seine Lieblingsstelle an der sächsischen Elbe, fernab von Touristenpfaden und Radfahrern. Der 56-Jährige hat zwei Angeln mitgebracht, eine Steckfeeder und eine Teleskopfeeder, die man entweder zusammensteckt oder teleskopartig ausfährt. Feedern nennt man spezielle Angelruten, die eine feine Spitze und ein starkes Rückgrat haben. „Du brauchst für jede Fischfamilie und jedes Gewässer eine spezielle Angel.“ Ich merke, Angeln ist Hightech und Wissen.
Die Elbe ist ruhig an diesem Tag, nur einige Speedboote und Jetski-Fahrer düsen übers Wasser. „Die Fische stört das nicht, die kennen den Lärm“, sagt Gerd. Wir lassen uns auf zwei Campingstühlen nieder. Neugierig schaue ich meinem Angelmeister zu, wie er beide Ruten in Position bringt. Stat einem Regenwurm, befestigt er am Haken eine gekochte Nudel: „Für die Fische ist das ein Festmahl.“ Oberhalb des Köders befindet sich noch ein Lockmittel, das sich im Wasser verteilt und die Fische anzieht.
„Wenn es zweimal zuckt, ist es zu spät“
Benedikt hat Glück und hat gleich einen Fisch an der Angel.
Hier hält Gerd eine Bleie hoch.
Dann ist es soweit: Wir werfen die Angeln samt Köder mit einigem Abstand in die Strömung. Gar nicht so einfach. „Man sollte jedes Mal die gleiche Stelle treffen, damit sich das Lockfutter nicht über den ganzen Fluss verteilt“, meint Gerd und zeigt es mir. Bereits nach kurzer Zeit zuckt die Angel, ihre Spitze neigt sich nach unten. „Wenn es zweimal zuckt, ist es meist zu spät, der Köder ist weg. Schnell raus damit“, ruft mir der Profi-Angler zu und wir „drillen“, was das Zeug hält: Den Fisch in Zügen an Land holen und dabei aufpassen, dass die sehr dünne Angelschnur nicht reißt. Ein Ahland kommt zum Vorschein, ein Friedfisch. Ihm folgen an diesem Tag noch drei Bleien, eine davon mit 60 Zentimeter Größe. Ein ordentlicher Fang.
Angeln versus Tierschutz?
Einfach so zu angeln, ist allerdings verboten. „Als Angler musst du einen Angelschein haben und in einem Angelverein sein. Sonst ist man Wilderer und kann angezeigt werden.“ In Gerds Fangbuch notiert er bei jedem Ausflug Gewässer und Uhrzeit, die gefangenen Fische werden nach Mindestgrößen bestimmt. Einige Arten haben Schonzeit, andere darf man das ganze Jahr fangen. Angeln und Tierschutz? Gerd erklärt: „Die Tierschützer wollen, dass du angeln gehst, um den Fisch zu verwerten. Viele angeln und werfen die Fische zurück ins Wasser. Das ist Tierquälerei.“
Vier Stunden Nervenkitzel
In sein Fangbuch muss Gerd jeden Angelausflug und Fang
eintragen. Sonst kann er Ärger bekommen.
Ich frage Gerd, was ihn am Angeln fasziniert: „Du weißt nie, was am Ende der Angel ist!“ Mit 14 habe ihn der Vater zum Angeln mitgenommen: „In dem Alter braucht man am Anfang ein Erfolgserlebnis. Wenn du dazu noch ein Naturfan bist“, erklärt mir Gerd, „dann ist Angeln ideal. Es soll das Gefühl vermitteln, mit Freuden die Natur zu erleben.
Nach vier Stunden an der Elbe neigt sich mein Angelausflug dem Ende entgegen. Gelangweilt habe ich mich dabei nicht. Gerade die Ungewissheit, was man fangen wird, bringt Nervenkitzel. Wer dabei ein Nickerchen macht, hat verloren. Angeln verlangt Konzentration und Geduld. Gerd Paul wird an diesem Tag noch eine Weile am Fluss bleiben: Die Fangzeit hat für ihn erst begonnen.
Text: Benedikt Hommann
Fotos: Norbert Neumann