Lisa, 23, studiert Lehramt für Französisch und Spanisch an der TU Dresden. Im vergangenen Wintersemester war sie für ein Praktikum in der mittelitalienischen Hafenstadt Ancona. Dort hat sie sechs Wochen in einer Gesamtschule unterrichtet – oder es besser gesagt, so gut es ging, versucht.
06. June 2013 - 18:24 SPIESSER-Autorin schokomitsahne.
Lisas Reisen an weiße Strände sollen
vom Heimweh ablenken.
"Tutti i tedeschi sono intelligenti, belli e ricchi." – "Alle Deutschen sind intelligent, schön und reich." Diese Meinung haben jedenfalls die meisten Italiener, die mir während meines Auslandsaufenthalts begegnet sind. Kurz nach meiner Ankunft in Ancona an der Adriaküste muss ich mich mit ein paar Pakistani über den Preis eines Internet-Sticks herumstreiten. Ich versuche zu erklären, dass auch deutsche Studenten keinen Goldesel im Keller stehen haben.
Meine Unterkunft in Italien bekomme ich gestellt. Ich wohne völlig allein in einer riesigen Dreizimmerwohnung nahe der Piazza Ugo Bassi, wo Mülltonnen abgeschlossen werden und die Ampelfarben Rot und Grün für Autofahrer keine Bedeutung haben. Eine sehr idyllische Wohngegend also.
In der Schule hat es Lisa nicht so leicht.
Ihre Schüler verstehen kaum Italienisch.
Rückschläge im Unterricht
An meinem ersten Arbeitstag hört mir kaum ein Schüler zu. 45 der 60 Minuten jeder Unterrichtsstunde verbringe ich damit, die Kinder zu beruhigen. Ich bekomme starke Zweifel an meiner Studienwahl und bin total niedergeschlagen. Zurück in meiner Unterkunft suche ich im Internet nach Rückflügen nach Dresden.
Das Handtuch zu schmeißen, kommt trotzdem nicht in Frage! Es gilt das Leben und die Kultur Italiens zu entdecken. Nach dem Unterricht fahre ich deshalb oft mit meinem Monatsbusticket in die Umgebung, an weiße Sandstrände und in verschlafene Dörfer. Ich wandere durch den naheliegenden Monte Conero und beobachte die Italiener, wie sie im Stehen ihren Kaffee schlürfen. Nur so kann ich der Einsamkeit der großen, leeren Wohnung entkommen.
Die aufgeschlossene Art der Italiener ist
für Lisa sehr schön. Ständig wird sie
zu Kaffee oder Pizza eingeladen.
Auf einen Kaffee
Die Italiener lächeln unablässig und laden ständig zu Kaffee oder Pizza ein, selbst wenn sie einen nicht kennen. Ich bin begeistert. Genau das wollte ich: offene, fröhliche Gesichter und nette Gespräche mit vielen Gesten. Zurück in der Schule muss ich leider schnell feststellen, dass mir mein Italienisch im Unterricht kaum hilft. Meine Schüler sind hauptsächlich Immigranten: drei Marokkanerinnen, drei Rumäninnen, eine Moldawierin, ein Senegalese, ein schüchterner Junge aus Ghana, eine Ukrainerin, ein Spanier und eine Chinesin.
Die Schüler der Prima A haben im Italienischen große Probleme. Oft helfen tatsächlich nur die berühmt-berüchtigten italienischen Gesten. Die von erwachsenen Italienern praktizierte "Übertönungstaktik" bei Gesprächen, wird vom Nachwuchs eifrig kopiert. Doch trotz extremer Lautstärke und Unaufmerksamkeit sind die Schüler herzlich und neugierig. Nicht selten kommt es vor, dass Schüler mich umarmen wollen, wenn ich das Schulhaus betrete.
Die Zuneigung meiner Schüler kann leider mein riesiges Heimweh-Leere-Loch im Magen nicht stopfen. Die Andersartigkeit hier offenbart mir mehr über mich selbst. Sie zeigt mir, wer ich bin und wofür ich dankbar sein kann. Es hat sich gelohnt, die "Komfortzone" meiner Heimat zu verlassen. Die Freude auf die heimische Waschmaschine ist deshalb nicht der einzige Grund, sich ab und zu wieder in die Ferne zu begeben.
Text: Lisa Beithe Fotos: Lisa Beithe
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