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Northern Skies

Ich habe mich also wieder aufgemacht. Dem Mond fehlt noch ein Fitzel an der unteren Ecke, als ich in Köln in den Bus steige.Ich kuschele mich in meinen Sitz und wache erst in Brüssel wieder auf. Wow, geil, Brüssel, denke ich. Und kann doch die Augen kaum offenhalten. Es ist Mitternacht und ein Meer aus Lichtern zieht am Busfenster vorbei. Soweit ich das aus meiner eingeschränkten Perspektive beurteilen kann, sehe ich eine belgische Variante von Paris.

16. April 2014 - 17:30
von SPIESSER-Autorin Flying Lucy.
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Flying Lucy Offline
Beigetreten: 07.11.2011

In Gent schlage ich nur einen kurzen Moment die Augen auf, um drei Uhr morgens kommen wir in Calais an. Ich erfahre, dass man hier aussteigen und im britischen Grenzbüro seinen Ausweis zeigen muss, danach geht es auf die Fähre nach Dover. Als wir übergesetzt haben, liegen die Klippen von Dover im Morgengrauen. Wieder Blackout weil Nickerchen, dann sind wir plötzlich in London. London, Baby, London!

Backsteinhäuser, bunte Türen, Pubs. Englands Hauptstadt wirkt aber noch ziemlich verschlafen. Das erinnert mich daran, meine Uhr umzustellen, hier ist es ja erst eine Stunde früher. Wir überqueren die Themse und für einen kurzen Augenblick schieben sich Westminster Abbey und London Eye wie eine Postkarte vor die Scheibe. Wir rollen in die Victoria Coach Station. Zwei deutsche Mädels, die die auch seit Köln mit dem Bus fahren und ich machen uns gemeinsam auf. Die traumhaften Parks sind abgeschlossen, „private“. Also frühstücken wir unsere Blueberry Muffins eben auf dem Bordstein in der Sonne.

Der Bus fährt über Sheffield, Leeds und Newcastle, wir folgen immer den Schildern die kurz und prägnant nur „North“ anzeigen. Die Wiesen sind hellgrün und könnten auch in Deutschland sein. In Schottland fällt mir die Weite auf, durch die ich meinen Blick schweifen lassen kann. Endlose Wiesen mit einzelnen Schafwattebauschen und gelben Ginsterbüschen darauf. Zwischendurch schimmert das Meer blau auf und tatsächlich, irgendwie scheinen die Farben intensiver zu sein.

Der Rucksack drückt mir auf die Schultern, Tasche und Gitarre ziehen an mir. Jetzt gilt es, irgendwie ins Hostel zu kommen. Google Maps tut gute Dienste, wenn es heißt, „Treppe nehmen“, dann ist das ganz wörtlich zu nehmen. Die endlosen steilen Stufen nehmen mir fast den Atem. Riesige Türme ragen in den nordischen Himmel, wirken einschüchternd, fast bedrohlich. Aber dann sind da die vielen kleinen Läden, Pubs und Restaurants, ich höre eine Flötenmelodie und es riecht nach Essen.

Die Dusche im Hostel ist ein Traum nach der 22-stündigen Busfahrt, alle Lebensgeister werden ordentlich nass gespritzt. Das Zimmer ist hell und gemütlich, vor dem Fenster Tauben. Ich ziehe durch die Straßen, der Mond leuchtet über den spitzen Dächern, jetzt fehlt nicht mal mehr das kleine Fitzelchen. Die Stadt scheint ihre ganz eigene Atmosphäre zu haben. Was mich wundert, ist dass es so leer ist. Zwischendurch begegnen mir großen Reisegruppen, die eine Stadtführung machen, ansonsten ist es sehr beschaulich. Nach langem Auf und Ab durch die Straßen gönne ich mir ein Curry beim Nepalesen, die Wärme, die mich empfängt. Auf Edinburghs Straßen ist es ganz schön kühl an diesem Aprilabend. Mir scheint, wir müssen erst noch warm miteinander werden, Edinburgh und ich. Sie ist „edgy“, eine Stadt mit Ecken und Kanten. Aber darunter erahne ich einen ganz besonderen Charme.

 

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