Für welche Werte steht ihr ein?
Cornelia Otto
Die 37-Jährige leitet die Rechercheabteilung der Piratenpartei. Außerdem: Technische Redakteurin und Studentin der Politikwissenschaften
Cornelia: Naja, auf jeden Fall für Bürger- und Grundrechte. Darauf können wir uns alle einigen, das steht ja so auch in unserem Grundsatzprogramm.
Daniela: Für die Freiheit des Individuums, so sie denn nicht die Freiheit eines anderen Individuums einschränkt.
Gero: Und dann gibt es da natürlich noch das Thema Transparenz. Wir wollen, dass demokratische Prozesse transparent sind, weil wir das als Voraussetzung für Partizipation sehen. Und die ist ein Bürgerrecht.
Eure Motivation Pirat zu werden?
Daniela: Im September nach der Wahl in Berlin kam plötzlich das Thema auf, dass ein User seine Daten von Facebook abgefragt hatte. Und die ganze Berichterstattung darüber hat mich einfach genervt. Denn ich bin vom Fach und die hatten alle keine Ahnung, wovon sie reden. Weder die Journalisten noch die Politiker. Da habe ich mir gesagt, jetzt geh ich zu den Piraten. Jetzt machen wir es mal anständig.
Cornelia: Ich weiß auch nicht, es ist so ein Bauchgefühl. Dieses Gefühl, da sind Menschen, die denken wie ich, die sind wie ich, die wollen was verändern. Dieser Wunsch nach Veränderung, der treibt uns alle an. Und auch die Hoffnung.
Hoffnung worauf?
Cornelia: Hoffnung darauf, dass wir etwas verändern können in der Zukunft.
Daniela: Dass wir eine Zukunft herstellen können, in der wir tatsächlich auch leben wollen.
Anita: Dass wir überhaupt etwas verändern können, als Einzelne, als Bürger.
Wie sieht denn diese Zukunft aus?
Christiane Schinkel
Die 46-Jährige ist Berliner Landesvorsitzende bei den Piraten.
Christiane: Das kann keiner beantworten. Es sei denn, wir hätten eine Glaskugel. Aber die haben wir nicht. Diese Frage wird nicht beantwortet. (Allgemeines Lachen)
Gero: Doch, ich tue es! Bähhhh! (macht den Anderen eine lange Nase). Wer sind wir schon? Man muss ja fragen, welches sind unsere Intentionen? Wie kommen völlig heterogene Schichten, also komplett verschiedene Menschen, auf die Idee, sich in einer Partei zusammenzuschließen?
Christiane: Wie spießig!
Gero: Ja, super spießig, nicht? Es geht aber nicht um die Zukunft. Es geht darum, was jetzt schon Lebensrealität ist. Das Internet ist, gerade was die Auswirkungen für die Demokratie betrifft, ein Mittel das Zeit und Raum überwinden kann in der Kommunikation von Menschen. Jeder kann seine Meinung schreiben und veröffentlichen. Die Macht und die Fähigkeiten des Einzelnen sind viel größer geworden. Das ist eine Lebensrealität. Die bestehenden politischen Strukturen werden dieser Realität aber nicht gerecht. Wenn wir unseren Job richtig machen, dann hat sich das in fünf Jahren geändert. Der Witz ist: Ob es dann die Piraten noch gibt, ist völlig irrelevant.
Christiane: Ich sage nur, vielen Dank für diese Frage. Wir beantworten eine andere. Gero hat eine Hoffnung ausgesprochen, nicht die Frage beantwortet. Ich lege auch Wert darauf, dass wir einfach nicht sagen können, was in der Zukunft ist.
Ist es höflich, in einer Gesprächsrunde zu twittern?
Christiane: Ha, das muss ich schnell mal twittern!
Daniela: Ich denke, das ist eine Frage, die sich jeder selber beantworten muss. Ich bin in der Tat der Meinung, dass das unhöflich ist. Deswegen sitze ich hier ohne Handy. Und weil mein Handy auch gerade keinen Akku mehr hat.
Christiane: Sonst hätte sie‘s!!
Daniela: Nein, hätte ich nicht. Aber Höflichkeit ist auch immer eine Sache, die im Fluss ist. Man kann das so oder so sehen. Wenn ich den Eindruck habe, dass ich nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit meines Gegenübers habe, dann stört mich das und deswegen würde ich es persönlich nicht tun.
Cornelia: Wenn ich einfach nur zuhören muss, habe ich extrem Probleme, vor allem bei Vorträgen oder Ähnlichem. Da fällt es mit leichter, wenn ich neben dem Zuhören noch etwas mache. Da kann ich mich besser konzentrieren.
Christiane: So verändern sich Dinge! Für uns ist Twitter ja ein wichtiger Kommunikationskanal. Und ich schaffe ja auch Transparenz und Partizipation, wenn ich über Twitter die Leute von draußen in eine Gesprächsrunde mit reinbringe und deren Fragen platziere.
Wie gehen die etablierten Parteien mit euch um?
Gero Preuhs
Der 25-Jährige ist ein Mitglied der Berliner Piratenpartei.
Gero: Wir stoßen ja in eine Parteienlandschaft, die so ein bisschen den Anspruch hat, in ihrer jetzigen Konstellation alles zu repräsentieren. Und wir decken einen Bereich ab, von dem andere Parteien dachten, da hätten sie die Repräsentationshoheit. Die Grünen haben zum Beispiel mal beschlossen, sie seien die Netzpartei.
Daniela: Ich glaube Jürgen Trittin hat gesagt, die Piraten hätten ja kein einziges eigenes Thema. Und da frage ich mich, warum auch? Habt ihr den Kuchen schon zerlegt und wir dürfen nicht mehr? Wir nehmen dieselben Themen auf, aber wir machen sie anders.
Anita: Gleichzeitig gibt es in jeder Partei Leute, die unsere Anliegen und den Trend der Zeit verstanden haben. Die haben oft auch selber einen netzpolitischen Fokus. Vielleicht sind die auch ganz froh, dass es uns gibt, weil sie seit Jahren in ihrer Partei rumlaufen und „Netzpolitik“ rufen – und dann nur belächelt werden.
Warum hört man nie realistische Parteiziele?
Christiane: Naja, Augen auf! Ins Internet und auf Google suchen!
Cornelia: Weil es in der Berichterstattung nicht um unsere Ziele geht. Da geht es um Geschichten, die erzählt werden.
Gero: Nein, es geht nicht um die Berichterstattung. Ich sage, da ist …
Christiane: Nein, nein. Er hat gefragt, warum „hört“ man nie realistische Ziele. Das ist etwas anderes.
Gero: Hm, stimmt, ja.
Cornelia: Zum Beispiel der fahrscheinlose Nahverkehr. Sehen wir doch mal, was in Zukunft auf uns zukommt: Ölknappheit, Klimawandel und Erderwärmung. Autos haben einfach keine Zukunft, es sei denn, Elektroautos. Öffentliche Verkehrsmittel für jeden sind aus dieser Sicht doch ein innovativer Ansatz. Wenn die Medien aus „fahrscheinlos“ aber „kostenlos“ machen, kommt der tatsächliche Inhalt natürlich nicht rüber.
Ein Pirat aus der SPIESSER-Community hat mal geschrieben, dass die Piraten halt in ihr Programm schreiben, was wünschenswert ist, anstatt wie alle anderen Parteien nur reinzuschreiben, was erreichbar ist.
Daniela Berger
Die 35-Jährige ist seit September 2011 Mitglied der Piratenpartei und Vorsitzende Richterin im Landesschiedsgericht.
Christiane: Ich denke das stimmt. Und ich denke, es ist auch genau der richtige Weg. Denn wenn man seine Ziele zu klein steckt, wird man sie vielleicht gar nicht erreichen.
Cornelia: Was heißt überhaupt realistisch? Wenn der Mensch an Grenzen glauben würde, dann gäbe es heute keine Flugzeuge. Alle Innovationen beruhen auf Visionen, die auf den ersten Blick unmöglich erschienen. Auf den Mond zu fliegen zum Beispiel.
Daniela: Und bei den Sachen, die als erreichbar gelten und die sich die anderen Parteien in die Programme schreiben, da fragt man sich auch: Und was von diesen relativ konkreten Sachen setzen sie jetzt tatsächlich um? Und was wird beim ersten Gegenwind wieder gekippt?
Cornelia: Das ist doch genau das, was die Leute stört, dass Politik nur noch Reaktion ist und nicht mehr Aktion. Das ist nur noch ein aktionistisches Reagieren auf irgendwelche ominösen Sachzwänge, anstatt die Sache in die Hand zu nehmen und zu sagen, wir gestalten das jetzt selber.
Gibt es in der Piratenpartei Flügel?
Christiane: Ne, Wünschis und Machis höchstens. (Allgemeines Lachen)
Gero: Wenn ich das noch einmal höre, fang ich an Menschen umzubringen! (Noch mehr Lachen) Wenn ich höre, dass hier irgendwelche Menschen in Gruppen unterteilt werden, werde ich echt sauer.
Daniela: Wir unterscheiden zwischen Wünschis und Machis. Wünschis sind auch die sogenannten Konjunktivpiraten. Das sind die, die sagen, man müsste mal was machen. Und die Machis sind halt die mit den hochgerollten Hemdsärmeln.
Anita: Jeder hat einen Wünschi und einen Machi in sich, deswegen kann man gar nicht von Flügeln sprechen.
Gero: Flügel haben sich in anderen Parteien entwickelt, weil es Funktionäre gibt. Sie dienen dazu, Macht und politischen Willen durchzusetzen. Und dazu, gewisse Leute auf gewisse Positionen zu hieven. Wir haben aber keine Unterscheidung zwischen Funktionär und Mitglied. Das ist ständig im Fluss. Da arbeitet mal einer mit und übernimmt eine Funktion und danach gibt er sie wieder ab. Da können sich gar keine Flügel ausbilden.
Christiane: Wir sind ein Schwarm und der besteht aus vielen Flügeln. Jeder ist ein Flügel.
(Die Zeit wird knapp, die Piraten schauen schon auf ihre Uhren, pardon, Telefone. Letzte Frage!)
Was macht ihr eigentlich, wenn ihr in höhere Gremien aufgenommen werdet?
Anita Möllering
Die 34-Jährige ist seit September 2011 Mitglied und Bundespressesprecherin der Piratenpartei.
Daniela: Themenpolitik. Damit fällt nämlich auch die Koalitionsfrage, die immer wieder gestellt wurde, flach. Wenn die anderen Parteien ein gutes Thema haben, machen wir mit. Und wenn sie kein gutes Thema haben, dann machen wir nicht mir. Es heißt immer, eine Partei muss auch gewillt sein, die Macht zu übernehmen. Ne, finde ich nicht. Ich finde, wer eine Partei gründet, der muss gewillt sein, mitzugestalten.
Christiane: Politik zu machen. Sachliche, inhaltliche Arbeit.
Gero: Obwohl, Regierung wäre ja lustig, weil wir ja eigentlich vorhaben, das komplette System zu hacken und es wieder so zu resetten, wie es ursprünglich mal gedacht war.
Christiane: Dazu braucht es keine Piraten, dazu braucht es Erkenntnis und Verwandlung.
Gero: Funktioniert aber auch total toll mit den Piraten. Außerdem ist die Frage witzig: „Wenn wir mal in höhere Gremien kommen.“ Wir sitzen schon in höheren Gremien. Wir sitzen in vier Landtagen.
Text: Francesco Giammarco
Fotos: bartjez.com
Hübscher Artikel. Macht mir die Piraten noch mal ein Stück sympathischer.
Hihihi.
Schön, dass ich in den Artikel eingebunden wurde. :D
(By the Way: schöne Antworten, so will man sie beantwortet hören.)