Was'n da los?

Politiker, wechsle dich!

Als Kämpfer gegen Fettleibigkeit bei einem Schokoriegel-Hersteller arbeiten. Als Friedenstifter einen Waffenexporteur unterstützen. Klingt nach Widersprüchen? Scheint so, trotzdem kann man es an Politikern beobachten, die in die Wirtschaft wechseln. Drehtüreffekt sagt der Wissenschaftler. SPIESSER-Praktikantin Polina nennt euch die fragwürdigsten Wechselspiele der Politiker.

16. July 2014 - 11:48
SPIESSER-Autorin Individuot.
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Beigetreten: 01.07.2014

Dirk Niebel:

Dirk Niebel war mal Bundesminister.

Der ehemalige Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung soll ab 2015 beim Rüstungsunternehmen Rheinmetall als Berater tätig werden. Niebel, der sich einst für Wohlstand und Frieden in Asien und Afrika einsetzte, wird nun also an dem weltweiten Export von Waffen mitverdienen. Zynisch? Nicht nur das! Es bestehen sogar Vermutungen, dass Niebel als Mitglied des Bundessicherheitsrats einen Rüstungsexport für Rheinmetall, einer der größten Waffenexporteure Deutschlands, begünstigt haben könnte.
 

Birgit Fischer:

Eine Gesundheitsministerin in der Pharma-
industrie?

Die SPD-Politikerin, die als Gesundheitsministerin Karriere machte, wurde 2011 zur Hauptgeschäftsführerin beim Verband forschender Arzneimittelhersteller. Jens Spahn, der damalige gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU, kommentierte diesen Wechsel einer ehemaligen Kritikerin der Pharmaindustrie wie folgt: „Das ist für einen Sozialdemokraten doch in etwa so, als würde ein Grüner zur Atomlobby wechseln."   

 

Matthias Berninger:

Der zeitweilige Staatssekretär beim Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft setzte sich unter anderem mit der Frage der „globalen Übergewichtsepidemie" auseinander, bevor er 2007 nach Brüssel zum amerikanischen Nahrungsmittel- und Süßwarenkonzern Mars Inc. wechselte. Dass ein ehemaliger Kämpfer gegen Fettleibigkeit plötzlich hinter einem Süßigkeiten-Hersteller steht, erscheint kurios.

Der sogenannte Drehtür-Effekt („Revolving Door") bezeichnet schnelle Wechsel von Führungspersonen zwischen Politik und Wirtschaft. Die Drehtür kreist in beide Richtungen und beide sind für eine demokratische Willensbildung problematisch, auch wenn der Wechsel von der Politik in Unternehmen oder Lobbyorganisationen deutlich stärker und öffentlicher kritisiert wird. Mehr Infos dazu gibt's im Watchblog lobbycontrol.de, der sich  kritisch mit dem Einfluss von Lobbyisten auf Politik und Medien auseinander setzt.

Marianne Tritz:

Ebenfalls eine Politikerin der Grünen, die sich bekanntlich entschlossen für den Nichtraucherschutz einsetzen, wechselte 2008 als Geschäftsführerin zum damals neu gegründeten Deutschen Zigarettenverband. Tritz begründete ihren von Rauchgegnern und Grünen kritisierten Wechsel mit dem Interesse an der Ausgrenzung von Rauchern.

Rezzo Schlauch:

Nach langen Jahren bei den Grünen trat Schlauch 2005 bei den Bundestagswahlen nicht wieder an, sondern wurde Mitglied im Beirat des Energiekonzerns EnBW, der zwei Atomkraftwerke mit insgesamt vier Reaktorblöcken in Deutschland betrieben hat. Diesen Wechsel kommentierte Schlauch damit, dass er weiterhin an einer ablehnenden Position zu Atomkraft stehe und sich als Mitglied im Beirat für den Ausbau von erneuerbarer Energien einsetzen wolle.

Bruno Thomauske:

Einer von den Grünen in der Atomkraftlobby?

Im Herbst 2003 wechselte Thomauske, der vorab in leitender Position beim Bundesamt für Strahlenschutz tätig war, zum Posten des technischen Geschäftsführers der Vattenfall Europe Nuclear Energy GmbH. Dabei soll Thomauske in seiner Zeit beim BfS für die Genehmigungen von Castor-Transporten und die Überprüfung von Zwischenlagern zuständig gewesen sein. Die skeptische Berichterstattung über diesen Wechsel wurde durch eine Überprüfung durch den BfS von Thomauskes Genehmigungen besänftigt.

 

Text: Polina Boyko
Teaser: Christian Pfeifer
Fotos:
Wikimedia-User Tomukas (CC BY-SA 3.0), Flickr-User U.S. Army RDECOM (CC BY 2.0), Flickr-User Bjoern Schwarz (CC BY 2.0).

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Kommentare

Ein Kommentar
  • Ich mag kein Pauschalisieren. Nach dem Motto: "Alle Politiker sind so!" - Sind sie eben nicht! Aber wie so oft lockt das Geld und die Überbezahlung. Von "Verdienst" will ich hier bewusst nicht schreiben, denn zum einen "verdienen" es die neuen Geschäftsführer/innen, leitenden Positionen oder Beiratsmitglieder nicht das Geld, was sie am Monatsende bekommen. - Das hat mit der beliebten "Neid-Debatte" dennoch nichts zu tun! - Denn soviel Wert kann kein Mensch erarbeiten, geschweige sein! Wobei der Wert anderer Arbeit nicht entsprechend honoriert werden (Lehrer, Kranken- und Altenpfleger, Sozialpädagogen, Raumpfleger, Frisöre, Hebammen, Polizisten, ...u.v.a.) Schon Erich Kästner hatte nach dem Krieg schon gefordert, dass Lehrer und Pädagogen besser bezahlt werden müssten, als Bankmanager; weil sie die größte Verantwortung haben unsere Kinder zu friedvollen Bürgermenschen zu erziehen. ...

    Bei Rezzo Schlauch lasse ich noch die Argumentation zu, wenn er es ernst meint. Andere sind von Haus aus unglaubwürdig und ich fände es erfrischend, wenn sie "Frank und frei" sagen würden: "Ich mache es nur wegen der Kohle!"

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