Jelena verbringt die Adventszeit in Frankreich und wird bitter enttäuscht. Kein Adventskranz, keine Weihnachtsmusik und keine Kekse. Was da los ist, erfahrt ihr hier.
23. December 2011 - 10:41 von SPIESSER-AutorIn anonymer Nutzer.
Raus aus der Schule, rein ins Abenteuer. Jelena ist Au-Pair in Frankreich und ziemlich unzufrieden mit der Adventszeit.
Blaue Kugeln, rote Kugeln, goldene Kugeln, Sterne und Lametta. Kunterbunt ist das, was meine Gastmutter aus verstaubten Kisten packt. Richtig: Es ist Weihnachten. Bei meiner französischen Gastfamilie fängt das Fest der Liebe allerdings schon Mitte November an. Als hätten sie einen Schalter, den man einfach umlegt. Besinnlichkeit aus heiterem Himmel – während ich in Schockstarre gefallen bin. Dass meine Kinnlade nicht runterfällt, kann ich nur durch höchste körperliche Anstrengung verhindern. „Komm schon, mach mit!”, fordert mich meine Gastmutter auf. Mitmachen? Geht nicht, ich bin vor Schock gelähmt.
Andere Länder andere Sitten
Kunterbunt ist die Plastetanne. Geschenke
liegen schon seit November darunter.
Nichts desto trotz: Anpacken ist angesagt. Andere Länder, andere Sitten. Das heißt also: kistenweise Weihnachtskram aus dem Keller hochschleppen und leise „Stille Nacht“ summen. Während Papa Chris die Außenweihnachtsbeleuchtung verkabelt, bauen Mama Gisela, Antonio und Tess einen Plastikweihnachtsbaum auf. Da würde wohl so mancher Ökofreund vor Freude in die Hände klatschen. Aber Umweltschutz hin oder her: ein Baum ohne Tannenaroma? Da ist das grüne Duftbäumchen fürs Auto ja weihnachtlicher. Und weil sie grade schon mal dabei sind, machen sich die drei auch gleich ans Schmücken. Und das geht nun gar nicht. Geschmückt wird doch erst kurz vor Heiligabend!
Fest der Ernüchterung
Das sich meine Gastfamilie schon Mitte November am Weihnachtsbaum erfreut, liegt an meinen Schützlingen Antonio und Tess. Die quengeln seit Wochen. Wahrscheinlich glauben sie, dass die Geschenke eher angeliefert werden, sobald der Baum erst mal steht.
Nach dem ersten Schock, komme auch ich allmählich in Weihnachtsstimmung. Die Vorfreude der Kleinen ist einfach ansteckend! Die Ernüchterung folgt allerdings schlagartig. Denn hier in der Haute-Savoie ist von Weihnachtsstimmung sonst nicht viel zu bemerken. So richtig Adventszeit gibts in Frankreich nämlich nicht.
Klar: geschmückt wird auch hier. Dass Weihnachten das Fest der Liebe und vor allem der Lichter ist, wissen auch die Franzosen. So hat jeder Ort seinen Lichterschmuck herausgekramt. Selbst auf den Kreisverkehren stehen bunt leuchtende, mit Kunstschnee bestäubte Plastikbäume. Ein bisschen lieblos ist das Ganze, aber es steht halt ein bisschen Deko rum. Ist ja schließlich Weihnachten.
Auch im Neuen Jahr gibt es wieder viel zu lesen. Lara verweilt in Hongkong, Melanie in Ghana und Christiane in den USA.
Weitaus wichtiger als Deko finde ich den Weihnachtsmarkt. In Frankreich ist der aber weit und breit nicht in Sicht. Nur an einem einzigen Wochenende hatte in jedem Örtchen ein klitzekleiner Weihnachtsmarkt geöffnet. Endlich Glühwein, endlich Krippenfiguren, endlich ein bisschen Weihnachtsstimmung. Zumindest für 48 Stunden. Aber so richtig passt mir das alles nicht.
Wo verdammt noch mal ist der Adventskranz, was ist mit gemütlichen Adventsfrühstücken am Sonntagmorgen, der Weihnachtsmusik und vor allem: Wo sind die Kekse?
Ich will Kekse!!!
Um den Franzosen mal zu zeigen, was Adventszeit überhaupt bedeutet, haben meine Au Pair Kollegin Jessica und ich spontan die Schürzen umgeschnallt und uns mit Mehl, Zucker und Zimt bewaffnet. Mit „Laaaast Christmas” auf den Lippen und Teig zwischen den Händen war sie nun endlich da: die Weihnachtsstimmung. Und unsere Gasteltern?Die waren begeistert von frisch gebackenen Plätzchen. Sowas kannten die vorher nicht.
Vor dem Weihnachtsmann sind dann aber doch alle Kinder gleich. Antonio und Tess stecken genau deswegen im Weihnachtsfieber. Jeden Tag fragen mich die Kleinen, wann es denn endlich soweit ist, wann denn Père Noël endlich mit den Geschenken vorbeikommt. In jeder Werbepause auf den Kindersendern bekomme ich zehn Spielzeuge genannt, die sie sich wünschen. Ganz schön materialistisch. Dafür kann ich das ganz mies für meine Au-Pair-Zwecke missbrauchen: Weigert sich der Große mal wieder seine Hausaufgaben zu machen, greife ich einfach zum Telefonhörer und drohe, die Geschenke bei Père Noël abzubestellen. Und schon läuft die Sache!
„Singt ihr etwa?“
Wenn auch euch die Finger kribbeln und ihr von euren Auslandserfahrungen berichten wollt, dann schreibt doch Redakteurin Alexandra.
Wie genau Heilig Abend bei meiner Gastfamilie aussehen wird, werde ich nicht erleben. „Wir sind bei Chris‘ Eltern in Holland. Zuerst essen wir zusammen, was genau weiß ich noch nicht, und dann verbringen wir den Abend damit, Geschenke auszupacken”, erzählt mir meine Gastmutter nüchtern. Auf meine Frage, ob denn wenigstens Lieder gesungen werden, antwortet sie erstaunt: „Nein, singt ihr etwa?”
Ja, wir singen. Und essen Plätzchen, gemütlich im Wohnzimmer unter einem echten Weihnachtsbaum. Zum Glück bin ich am 24. Dezember mit meiner richtigen Familie in Deutschland zusammen. Weihnachten zuhause ist eben doch am Schönsten.
Teaserfoto: Moni Sertel/ pixelio.de
Textfotos: privat
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