Fotograf Johannes, 29, hat von Geburt an nur ein funktionsfähiges Auge. Für SPIESSER hat er sich auf den Weg gemacht und Porträts von der gehörlosen Bloggerin Julia, dem grobmotorischen Maler Kai und dem legasthenischen Buchautor Pascal Jerome geschossen. Alle ihre Geschichten lest ihr hier.
16. October 2012 - 11:35 SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
Gewissenhaft stülpt Johannes einen länglichen Schirm über den Blitz, er bereitet das Licht für ein ganz besonderes Shooting vor. In den kommenden Wochen wird er durch die ganze Republik fahren und Menschen porträtieren. Heute jedoch richtet der selbstständige Fotograf erst mal seine Linse auf sich selbst. Ist es nicht ein Nachteil, als Fotograf nur mit einem Auge sehen zu können? „Ganz im Gegenteil“, sagt Johannes, während er seine Kamera auf ein Stativ schraubt. „Ich sehe die Welt praktisch immer wie durch die Linse einer Kamera. Andere Fotografen müssen dafür ein Auge zukneifen.“
Seit seiner Geburt hat Johannes einen Sehfehler. Nach seinen ersten Lebensjahren konnte er auf dem linken Auge bald nur noch zwischen hell und dunkel unterscheiden. Irgendwann kamen zu der Sehschwäche auch Schmerzen, sodass er sich das Auge entfernen und durch ein Glasauge ersetzen ließ. „Das irritiert manche Kunden zwar, aber meistens lassen sie sich dann von meiner Arbeit überzeugen.“
Johannes geht offen mit seiner Behinderung um. „Ich hab mich nie wegen meines Auges versteckt und jetzt ist es mein Markenzeichen geworden.“ Während er erzählt, holt er eine Kiste voller Kabel hervor, schließt Mehrfachstecker an, verbindet den Laptop mit der Kamera. Dass er Fotograf werden wollte, wusste er schon früh: Mit 15 Jahren hat er seine ersten Fotos geschossen, im zehnten Schuljahr mit seinem Klassenkameraden von der Fotokarriere geträumt und mit 17 den zweiten Platz bei einem Fotowettbewerb abgeräumt.
So gradlinig ging es aber nicht weiter. „Irgendwie dachte ich nach der Schule, dass ich erst mal etwas Bodenständiges mit guten Zukunftsaussichten machen muss.“ Er begann eine Ausbildung zum Fachinformatiker. Während er den ganzen Tag auf Zahlen starrte, schwärmte ihm sein Schulfreund von der Fotoschule vor, die er besuchte. „Die Informatik ist jetzt ein abgeschlossenes Kapitel“, sagt Johannes. „Damals wurde mir klar: Entweder ich mach jetzt das, was ich immer machen wollte, oder ich lass es ganz bleiben.“ Seinen sicheren Arbeitsplatz ließ er sausen und wagte das Abenteuer Selbstständigkeit. Dabei halfen ihm ein Gründerzuschuss, ein Netzwerk aus guten Freunden und nicht zuletzt: eine große Portion Mut.
Bis heute hat er diesen Schritt nie bereut. Es ist die Abwechslung, die Johannes an seinem Job begeistert. „Mal arbeite ich bei Tageslicht und versuche mit den gegebenen Lichtverhältnissen zu spielen, dann bin ich im Studio und kann alles selbst bestimmen. Und jeden Tag habe ich mit anderen Leuten zu tun.“
Licht und Kamera sind eingestellt, Johannes nimmt den Fernauslöser in die Hand und schießt Fotos. Währenddessen erzählt er weiter: „Das erste Jahr war hart, ich hab viel gearbeitet und wenig verdient, aber auf einmal ist der Knoten geplatzt: Fotografen, bei denen ich vorher Praktikant war, wollten jetzt mit mir zusammenarbeiten und immer mehr Kunden buchten mich.“ Das Studio, in dem Johannes heute seine Fotos macht, teilt er sich mit 45 anderen Fotografen aus München. „Gemeinsam haben wir einen Keller umgebaut und einen Verein gegründet, mit dessen Mitgliedsbeiträgen wir die Miete zahlen.“
Immer auch ein Pool für neue Ideen, findet Johannes, während er sich seine Selbstporträts am Computer anschaut. „Irgendwie ein interessantes Experiment“, sagt er und legt den Kopf etwas zur Seite, „aber ich glaube, hinter der Kamera tauge ich mehr als davor.“
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https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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[Bild:1]
Viel Spaß
mxk
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Danke Fuchsteufelswild, es freut mich das dir der Artikel gefällt :)
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