Der Maya-Kalender der Musikindustrie darf umgeblättert werden, der Deutschrap-Onkel im Exil ist zurück und feilte geduldig Ecken und Kanten in sein Brett, um eine runde Platte rauszubringen. Vor über 8 Jahren kam das letzte Album auf die Welt und nun ist Dendemann zurück, der Nichtschwimmer im Haifischbecken Deutschrap.
31. January 2019 - 09:40 SPIESSER-Autor Der Mann den Sie Pfirsich Nannten.
Wer so lange den Spannungsbogen halten kann wie Dendemann, der kann auch mit Kollegahs Bizeps mithalten. Ein Rap-Urgestein, dessen Reimkunst über die Szene hinweg und jeder Zeit anerkannt und erhaben war, brachte vor 13 Jahren Deutschrap das Zählen bei: „Eins Zwo“. Nun stand er vor einer schwierigen Aufgabe mit dem neuen Album, denn je länger die Pause davor, desto größer ist das Verlangen nach einem lauten Knall. Hinzu kommt, dass auch Dende selbst älter wurde und wir wissen, Hip Hop altert mindestens so schlecht wie Macaulay Culkin aus „Kevin allein zu Haus“. Die Beginner haben es gut hinbekommen, Sido geht in die Charts, Bushido im Kreis. Wer Vater wird, fickt keine Mütter mehr auf den Alben.
„Ich dende, also bin ich“ ist die Ouvertüre. Knisterndes Rauschen. Comeback ohne Pomp mit einem Lobeslied auf das Zufriedensein mit dem „Ich“ im „Jetzt“, in der schroffen Eigenheit, in der mackenbehafteten Durchschnittlichkeit und dem Sound, der nicht zu alt und nicht zu neu ist. „Bin mit meinem Schmutz im Reinen“, hält er fest. Das erste Lied als Versprechen, dass das Update von Dendemann nicht die liebgewonnen Features wegpatchte. Dafür featuren Casper, die Beginner, Trettmann, Arnim von den Beatsteaks.
Die erste Single-Auskopplung des Albums „Keine Parolen“ hat bereits angedeutet, dass es Zeit wird, in der Musik wieder politisch zu werden, so wie Dende am Bühnenrand einer Late-Night-Show politischer wurde. Als Showband mit „Die freie Radikale“ beim Neo Magazin Royale neben Jan Böhmermann schrieb Dendemann zwei Jahre lang regelmäßig Sechzehner zu aktuellen Nachrichten – erste Qualifikationsrunden für die Albenverse. Mit „Keine Parolen“ gelingt es ihm wahrscheinlich leider nicht, die Regierung zu stürzen, wie er im Outro besingt, aber der Beat kommt mit Kraft und gemeinsam mit den Worten entsteht zumindest eine Hymne, die den Widerstand gegen das „Weiter so“ untermalen kann.
Erfahrung kann Geschichten erzählen und mit Idealen wird es schnell politisch. Dende ist reifer geworden und das ist gut. Bei „Menschine“ gibt’s kritischen Smombie-Splatter und ein Start-Up-Cooldown für alle, bei denen nur das Hamsterrad im Leben rund läuft: „Ist doch alles eh nur Algorithmusgymnastik“. Mit „Zeitumstellung“ gibt’s täuschend leicht klingenden Kopfnicker, um Zivilcourage aus dem Winterschlaf zu wecken. Und auch das Fazit, dass das „Zauberland“ abgebrannt ist mit der Referenz auf den politischen Liedermacher Rio Reiser, zeigt den Dendehumanismus. „Apparat Vatter Staat hat den Dackelblick auf“ – doch das große Dende hängt an dem kleinen Mann.
Hinzu kommen feine Alltagsbeobachtungen, die, ummantelt von Selbstironie und Humor, Anekdoten erzählen von der Vergangenheit in der Heimat („und 30 Vogelarten scheißen dir ins Cabrio“) bis in die Berliner Gegenwart: „Zeit für’n Vollrausch, wann kommt der Filmriss, wo bleibt der Rollentausch?“
Ein sehr stimmiges Album. Das Warten hat ein Dende und das kann sich sehen lassen. Ein wenig vermisse ich die Hits, aber die Zeit der Hits ist vielleicht einfach auch vorbei und in acht Jahren Vorbereitung geht der Schwung des Moments öfter mal kurz raus Kippen holen, aber etwas mehr „Ich dende, also bin ich“ hätte gut getan. Den Vorwurf des Studentenrappers bekommt Dendemann mit „da nich für!“ jedenfalls nicht mehr, das ist erwachsener Im-Leben-Steher-Rap. Und während die Songtexte der aktuell erfolgreichen Rapsongs oft auf ein Longpape passen, benutzt Dendemann kaum Worte doppelt auf seinem Album – keine Parolen. Während andere Phrasen dreschen, sät er neu. Ist das schon eine bezahlte Partnerschaft mit Langenscheidt?
Egal. Danke Dende. Und sag jetzt nicht „da nich für“.
Ohrwurm: „Littbarski“ Hinhörer: „Keine Parolen“ Album in drei Worten: Comeback des Jahres Passt zu: jedem, der Rap wegen Inhalt und Text lieben lernte. Erinnert an: den alten Dendemann
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