SPIESSER unterwegs

Bitte was?

Markus ist in Helsinki unterwegs und versteht nur Rautatieasema. Was das heißt, lest ihr hier.

22. September 2011 - 14:17
von SPIESSER-Autor urbanears.
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urbanears Offline
Beigetreten: 16.08.2011

Markus hat die Nase voll vom Büffeln und geht lieber erstmal auf Weltreise.

Irgendetwas ist anders als am Rande des Erzgebirges. Der schmeichelhafte Geruch nach getrocknetem Altfisch? Nein. Die überschwänglich gute Laune der Busfahrer? Auch nicht. Ich atme vor mich hin, dann fällt es mir wie Schuppen vom Kopf: Es sind die Menschen um mich herum, die etwas ganz und gar Seltsames tun: Sie sprechen Finnisch. Ein dubioses Gemisch aus Millionen kleiner Umlaute und endlosen Wortschlangen, das erfunden wurde, um die Welt ein bisschen komplizierter zu machen.

Töölön Tulli oder Kansaneläkelaitos?

Aufgeregt murmeln Frauen, Männer und solche, die es werden wollen, an der Straßenbahnhaltestelle miteinander – ob über die Peinlichkeiten der letzten Nacht, die verstorbene Schwester oder mich, erschließt sich mir (un)glücklicherweise nicht. Da die finnische Hauptstadt zu den serviceorientierten Orten dieses Planeten gehört, finde ich einen halbzerknautschten Liniennetzplan, der mich wie das Pferd am Zaun aussehen lässt: Bunte Linien und unaussprechliche Stationsnamen explodieren vor meinen Augen zu einem wirren Buchstabensalat. Ich verstehe nicht einmal mehr Rautatieasema – Bahnhof. Als ich in die Straßenbahn steige, scheint mich eine ältere Frau in Gedanken vierzuteilen, doch ich lächle freundlich zurück. Man(n) ist ja fremd. Plötzlich faucht die schmuckverhangene Dame los. Ergriffen von ihrem verbalen Finnisch-Attentat auf meine Ohren flüchte ich in den hinteren Teil des Waggons und lausche der Ansagerin, die gerade die Station Töölön Tulli anzüglich in die Bahn säuselt.

Schreib dich nicht ab – lern lesen und schreiben

Hier weiß ich nur, dass wenn ich mich nicht
an irgendwas halte, 40 Euro zahlen muss.

Genauso schwierig verhält es sich mit den türkischen Teppichverkäufern, den viel zu stark gebräunten Vorstadtfriseusen oder weitergereichten Millionärswitwen, die allesamt im Stadtzentrum zwischen Elch und Elend ihr Leben bestreiten. Wenn einem (Finnischverweigerer wie mir) Loppuunmyynti oder andere vollkommen logisch erdachte Wortmonster mit acht und mehr „Ä" nichts bedeuten, dann steht man vor einem echten Ongelma. Von losen Gullydeckeln über die Stromschlaggefahr an Baustellen bis hin zur Rentier-Pizza – man spielt in Helsinki nur zu gern mit der Finnisch-Unfähigkeit der Touristen. Aber wenigstens bekommt so die Polizei etwas zu tun, denn nur die Finnen können ihre Verbotsschilder lesen. Da hilft nur eins: Das Wörterbuch unter den Arm und hinaus in die Welt der Vokale ziehen!

Keine Ahnung? Kein Problem!
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Aber Helsinki wäre nicht Helsinki, wenn es nicht die aufgeschlossenen Finnen gäbe: Wo ich auch hinkomme – helfende Hände sind nie weit. Im Supermarkt – Valintamyymälä – erklären die Verkäufer mir gerne, dass der weiße Kanten in der Auslage Käse sein soll, da der finnische Begriff Juusto meiner Fantasie keine Grenzen setzt. Und wenn ich seit einigen Minuten ungläubig die Inhaltsangabe der unbekannten Limonade studiere und verzweifelt nach Wörtern suche, aus denen sich vielleicht auf ominösen Wegen deutsche Begriffe ableiten lassen, dann wird sich schon jemand erbarmen. Vielleicht liegt das aber auch an meinem unwiderstehlichen Bambi-Blick – who knows.

Junge Finnen wechseln im Gespräch mit Auswärtigen von sich aus ins Englische. Denn für den ungeübten Sprecher ist es unwahrscheinlicher, im Finnischen kompetent zu wirken, als Tokio Hotel zum Aufgeben zu zwingen. Aber selbst in einer der schwierigsten Sprachen der Erde, die 27 Fälle kennt und in der die Zahl 3654 „kolmetuhattakuusisataaviisikymmentäneljä“ heißt, gibt es Ähnlichkeiten zu irdischen Wörtern: Bussi, Apteeki oder Hotelli gehören dazu. Ansonsten bleibt immer noch die letzte Ausfahrt Finnisch: „Anteeksi, mutta minä en ymmärrä, menen levolle“ – Tut mir leid, ich verstehe nicht, ich geh schlafen.

 

Fotos: privat

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Kommentare

Ein Kommentar
  • ha und ich verstehs :D ... eigentlich ist es gar nicht so schwer zu lernen, wenn man erst mal hinter die logik der sprache gestiegen ist. aber wo nimmst du denn bitte die 27 fälle her oder zählst du da die pluralformen noch mit rein ?!... naja und das mit der schwersten sprache europas ist ja auch eher ansichtssache ne (: aber viel spaß dir noch in helsinki. eine echt wunderschöne stadt!

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