Brief an …

Brief an ... Das Landleben

SPIESSER-Autoren schreiben Briefe, diesmal wendet sich Laura an das Landleben und weiß: Bald ists vorbei!

16. July 2011 - 10:36
von SPIESSER-Autorin Laura..
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Laura. Offline
Beigetreten: 25.04.2009

Liebes Landleben,

du begleitest mich nun schon 17 lange Jahre. Von Geburt an lebe ich in einem 2000-Seelen-Dorf in der baden-württembergischen Provinz, in einer ruhigen Straße, wo ich ohne Bedenken Fahrrad fahren lernte und früher mit Nachbarskindern herumtobte. Mit genügend Platz für einen großen Hasenstall hinter dem Haus, einer großen Wiese gegenüber. Ein schöner Ort um Kind zu sein also – viel Platz um in der Natur zu spielen, der persönliche Spielplatz mit Schaukel und Rutsche lag im eigenen Garten. Gedanken um viel Verkehr oder leicht zu verärgernde Nachbarn waren mir fern.

Doch je älter ich werde, desto weniger begeistern mich deine Vorzüge. Großer Garten? Der schöne See zum Schwimmen im Sommer? Die Oma nur zwei Straßen weiter?

Egal! Ich fühl mich eingeengt und merke immer mehr, was du mir nicht bieten kannst. Die Liste ist lang – kein Kino und keine Shoppingmeile um die Ecke, kein Kulturvergnügen und erst recht kein Nachtleben. Auch das öffentliche Verkehrsmittelnetz ist mau. Ständig ist man auf die Gnade der Eltern angewiesen, die einen zum Bahnhof fahren oder um Mitternacht bei Freunden abholen sollen.

Was ist mit Leuten, die sich weder im örtlichen Sportverein, der Blasmusikkappelle oder der Narrenzunft beheimatet fühlen? Die ihre Freitagabende nicht bei Tischkicker im muffigen Keller der Landjugend verbringen wollen? Die lässt du eiskalt im Stich! Du „beglückst“ uns vielmehr mit tratschenden Nachbarn, die allein bei einem Auto mit ausländischen Kennzeichen vor Müllers Haus in wilde Spekulation verfallen. Und sich über die Ehekrise der Schmidts den Mund zerreißen. Ich sehne mich nach Trubel und einer Prise weite Welt, du gibst mir Beschaulichkeit und Kleinkariertheit. So zieht es mich in die Ferne, zum Schreibworkshop nach Berlin oder für eine Rundreise auf den Balkan.

Doch ich weiß auch: Unsere gemeinsamen Tage sind gezählt. Die letzten Sommerferien stehen vor der Tür, im September beginnt das letzte Schuljahr. Dann werden wir getrennte Wege gehen und ich ich werde mich hoffentlich für ein Freiwilliges Soziales Jahr nach Berlin oder ins europäische Ausland verabschieden. Das wird mir so langsam bewusst.

Und auch wenn ich dich oft verflucht habe – ich werde dich irgendwie auch vermissen. Die lauen Grillabende auf der Terrasse, die entspannten Nachmittage mit Freunden am Badesee, unbeschwert sein mit viel Eiscreme. Sogar die Dorffeste mit ihrer schlechten Musik, die meistens doch noch als vergnügliche Abende enden...

Vielleicht sieht man sich ja mal wieder, vielleicht auch nicht,
Laura

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Kommentare

Vier Kommentare
  • Wie das doch auch allzu gut kenne. Von Stille und Beschaulichkeit über Dorftratschen und die eingeschworenen Vereine hin zur Langeweile...
    Ich bin auch 17 Jahre alt und wie oft hab ich mir gedacht, dass mich alles nervt und ich gerne in der Stadt wohnen würde. Allerdings kenne ich nur das Landleben und ich bin mir nicht sicher, ob es mir in der Stadt letztendlich besser gefallen würde. Natürlich könnte man schnell ins Kino, sich im Cafè ums Eck auf einen Cappuccino treffen, etc. aber ob mich das glücklich machen würde? Könnte ich wirklich ohne die ganzen Wiesen und Feldwege um meinen Ort leben? Ich gehe so gerne spazieren oder fahre Fahrrad, was auf dem Land sicherlich schöner ist. Es gibt so viele Argumente einerseits und andererseits.
    Irgendwann möchte ich -wenn auch nicht allzu lange- in der Stadt leben. Doch letztendlich sollen meine Kinder auf dem Land aufwachsen und dort möchte ich auch meinen Lebensabend verbringen. In meinem eigenen Garten umringt von duftenden Blumen und mit meinem Gemüsebeet.

    Grüße an alle Ländler,
    Julia

  • wie wahr, wie wahr ...

  • Also wenn ich mit der Schule fertig bin will ich auch raus aus dem kleinen Dorf ;) Aber ich glaube Berlin wäre mir auf Dauer zu groß :)

  • Du sprichst meine Gedanken aus... ;)

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