Brief an …

Brief an... das Reisen

SPIESSER-Autoren schreiben Briefe. Diesmal schreibt Annegret an das Reisen und wünscht sich ein baldiges Wiedersehen.

09. July 2011 - 10:25
von SPIESSER-Autorin Annegret.
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Annegret Offline
Beigetreten: 09.01.2011

Liebes Reisen,

ich gebe es zu: Am Anfang hatten wir es nicht so leicht miteinander. Neun Jahre alt und von Mutti und Vati rücksichts- und gedankenlos ins immerhin zwei Stunden entfernte Ferienlager gesteckt. Von den Ohrenkriechern, die an der Innenseite der Zeltwand über mir entlang krabbelten, bekomme ich heute noch Albträume. Und obwohl ich mein schreckliches Heimweh und die alles-doof-hier-Gefühle heldenhaft als Bauchweh ausgab – wirklich begeistert war ich von dir damals nicht.

Liebe auf den zweiten Blick

Ob zu Land, Wasser, Luft...

Doch mit der Zeit wurde unser Verhältnis besser und besser. Du warst allen meinen Freunden, meinen Ideen und Launen gegenüber offen. Dafür danke ich dir. Mit dem Fahrrad durch Polen? Kein Problem! Zu den Maifeierlichkeiten nach Finnland und mit angetrunkenen Finnen in halb zugefrorenen Seen baden? Klingt wie eine super Idee! Ob mit dem Rucksack durch Mittelamerika oder mit dem Paddelboot durch den Spreewald – du hast mir gezeigt, dass man überall Spaß haben kann und dass weder hohe Kosten, noch große Entfernungen deinen Reiz ausmachen.

Suchtgefahr

Inzwischen brauche ich sogar regelmäßig eine gewisse Dosis von dir, um nicht trübsinnig zu werden. Kaum von dir zurückgekehrt, freue ich mich, endlich wieder vollen Zugriff auf alle meine Besitztümer zu haben, in meinem eigenen Bett schlafen zu dürfen und meine T-Shirts einfach aus dem Kleiderschrank nehmen zu können, statt minutenlang nach ihnen in dunklen Reisetaschen oder Rucksäcken zu kramen. Doch bald weckt das auf Spanisch gesungene Lied im Radio, der in New York spielende Film oder auch nur das Schaufenster des Reisebüros meine Sehnsucht nach dir von Neuem.

Abgehoben - auch die Ansprüche

Eigentlich müsste ich dir ein bisschen böse sein, denn immer nur am selben Fleck zu bleiben, das hast du mir gründlich verdorben. Mit einem Globetrotter-Gutschein macht man mich inzwischen glücklicher, als mit einer Douglas-Geschenkkarte. Und selbst meine Ansprüche an dich, liebes Reisen, sind mittlerweile deutlich höher geworden. All-inclusive-Urlaube, bei denen man nur im vollklimatisierten Bus vom Flughafen zur sterilen Hotelanlage und zurück gekarrt wird – nein danke! Von anderen Touristen umgeben und Orte zu besuchen, die nur für eben diese hergerichtet worden sind - naja. Freunde und Familie beklagen sich, dass sie mich so selten zu Gesicht bekommen und um eins klarzustellen: Das ist alles deine Schuld! Trotzdem kann ich dir einfach nichts übel nehmen.

Und ich freue mich schon wie verrückt, wenn wir uns bald wiedersehen!

Amitiés, kind regards, muchos saludos und viele Grüße,
deine Annegret

Text: Annegret Müller, Fotos: privat

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Kommentare

Vier Kommentare
  • Wie wahr die Worte deines Briefes doch sind, zumindest für mich.
    >Liebes Reisen, ich möchte dir dafür danken, dass du mir die Leidenschaft für dich gegeben hast und immer wieder neue entdecken lässt.

  • Bei mir ist es genauso, ich mochte vor ungefähr einem Jahr oder so gar nicht weg, aber jetzt will ich nur noch raus und so weit fort wie möglich um die abgefahrensten Sachen zu erleben:)
    Ich weiß zwar nicht genau was ich alles machen will, aber mit dem Segelschiff zu den Balearen ist shcon einmal eine gute Idee:)
    Oder einfach mit zwei Freunden einem Zelt und einem Auto durch Skandinavien, dort ist Wildcampen ja humander weise erlaubt!
    Was habt ihr denn so vor?

  • Du sprichst mir aus der Seele. Reisen ist der Abenteuerkick, der das Leben häufig erst richtig spannend macht. Ich bin mittlerweile auch süchtig nach immer neuen Orten. Neue Länder, Menschen und Kulturen erleben, das ist das, was das Leben lebenswert macht. : )

  • Geeeenau so ist es.
    Verdammter Suchtfaktor.

    Klimatisierte Busfahrten sind sogenannter Urlaub.
    Mit einer Straßenkarte auf eigene Faust durch das Land ist Reisen.

    Feiner Brief.

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