Brief an …

Brief an... den Spickzettel

SPIESSER-Autoren schreiben Briefe. Bettina hats mit dem Spickzettel probiert, aber mit den beiden wird das nichts.

24. March 2012 - 09:39
SPIESSER-Autorin Senfgruen.
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Senfgruen Offline
Beigetreten: 25.04.2009

Lieber Spickzettel,

du bist häufig die Erklärung, wenn faule Schüler gute Noten schreiben. Du bist der rettende Anker, wenn ein Wochenende so gut war, dass keine Zeit blieb, für die Klausur am Montag zu lernen. Du bist: maximales Wissen auf minimalem Format.

Seit Jahren besuchen wir die gleiche Schule. Doch meist warst du nur „der Freund von Freunden“. Wo sie nicht weiter wussten, hast du geholfen: bei Klassenarbeiten in Physik, Chemie, Biologie...

Dabei warst du wandelbar wie ein Chamäleon. Mal klebtest du unauffällig mit winzig kleiner Schrift am Etikett einer Trinkflasche. Mal warst du in Form eines Pflaster am Daumen zu finden – natürlich nur vorsichtig mit Bleistift beschrieben. Manchmal verstecktest du dich unter einer durchsichtigen Strumpfhose, aber meist ganz klassisch im Ärmel.

Klar, manche sagen „Lieber eine ehrliche 5 Minus als eine geschummelte 2 Plus!“ Wer dich zur Hilfe holt, hört oft: „Du betrügst dich doch selber!“ Dabei sind es meist die anderen, die sich betrogen fühlen – um die Zeit, die sie Vokabeln und Formeln paukend am Schreibtisch saßen, während wir gemütlich am See lagen oder uns beim Fußballspielen mit Freunden Grasflecken holten. Dann wird gern in Oberlehrermanier zurechtgewiesen: „Hättest mal rechtzeitig angefangen zu lernen!“ Yo, danke. Ist halt nicht immer so einfach – denn irgendwie sind wir doch alle hin und wieder Aufschieberitis geplagt. Da hilft auch kein „Tzz… wers nötig hat!“


Maximales Wissen auf minimalem Format!

So bist du oft der Retter in der Not – wenn die Sonne uns mal wieder zu einladend angelacht hat, wenn die Geschichte-Klausur ausgerechnet auf den Montag nach dem Festival gelegt wird. Für manch einen bist du auch schon so selbstverständlich wie der Labello im Schminktäschchen – immer dabei. Man sagt sich: „So ein bisschen Spicken während der Klassenarbeit macht einen noch lange nicht zum Guttenberg.“ Sorglos inszenieren sie dich immer wieder neu, betrachten das Spicken als hohe Kunst, ein typischer Satz: „Wers nicht kann, solls lassen!“

Diejenigen, welche die Kunst des Spickens nicht beherrschen, werden meist erwischt. Die unübersehbare Nervosität verrät sie: gehetzte Blicke zwischen Lehrer und dir, dem Spickzettel, zittrige Hände, aus denen du zu Boden fällst. Die Konsequenz sind die Note sechs und ein hochroter Kopf.

Einige werden jedoch trotz offensichtlicher Anspannung nicht erwischt. Mit dieser Aussicht hab auch ich es des Öfteren mit dir versucht. Jedes Mal war ich geladen wie ein Elektrozaun. Hätte mir jemand von hinten auf die Schulter getippt, so wär ich vermutlich vor Schreck vom Stuhl gefallen und hätte mich tot gestellt.

Lieber Spickzettel, du machst mich nervös wie eine Büchse Würmer. Das fühlt sich weit schlimmer an, als eine Nacht durchzupauken. Also machs gut, für mich bist du keine Option.

Man sieht sich vielleicht am Nachbartisch,

Bettina

Fotos: Claudia Hautumm / pixelio.de

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Kommentare

Ein Kommentar
  • Cooler Brief! :) Also ich unterstütze den Spruch: „Lieber eine ehrliche 5 Minus als eine geschummelte 2 Plus!“
    ..vor allem man selber hat neben der vielleicht etwas besseren Note ja gar nichts davon. Den Stoff muss man so oder so nach holen um mitzukommen, ist bei mir zumindest so..

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