Brief an …

Brief an... meine Barbiesammlung

SPIESSER-Autoren schreiben Briefe. Diesmal entstaubt Vivien ihre Barbie-Sammlung. Willkommen zurück in der Traumwelt.

22. September 2012 - 10:39
SPIESSER-Autorin vivien.valentiner.
Noch keine Bewertungen
vivien.valentiner Offline
Beigetreten: 03.07.2012

Reiter-Barbie, Macho-Ken, Schwanger-Barbie,

es gab eine Zeit, in der ich euch jeden Tag aus der rosa Kiste geholt habe, die nun allmählich unter meinem Bett verstaubt ist. Ich habe euch damals stundenlang frisiert, gestylt, euch fancy Namen und eine Geschichte gegeben. Mal hattest du, Reiter-Barbie, einen Bauernhof, und Macho-Ken nahm Reitunterricht bei dir. Natürlich seid ihr euch dabei näher gekommen, schon als kleines Kind war ich immer für romantische Liebesgeschichten zu begeistern!

Ihr habt dann manchmal nach dem Ausritt im Sonnenuntergang nackt im Heu gekuschelt. Wobei nackt irgendwie falsch ist, weil ihr mit so einer integrierten Unterhose auf die Welt kommt. Warum eigentlich?

Verhütung gab es in meiner Welt nicht

Eines Tages wurde aus Reiter-Barbie dann Schwanger-Barbie. Obwohl ihr beiden euch nicht wirklich ähnlich saht, war mir klar, dass der Abend mit Macho-Ken nicht ohne Folgen bleiben konnte. Sowas wie Verhütung gab es in meiner Barbiewelt nicht. Ihr bekamt Indien-Shelley, die nun wirklich keinem ihrer Elternteile auch nur im Geringsten ähnlich sah. Aber wenn man klein und naiv ist, dann geht das!


Foto: Xenia Kehnen  / pixelio.de

Je älter ich wurde, desto seltener holte ich euch aus der rosa Kiste zum Spielen. Ich verstand dafür aber immer mehr von der Welt:

Erstens: Dass das Nackt-im-Heu-Kuscheln wohl Sex war und dass aus Sex Babies entstehen.

Zweitens: Dass es wohl eher zu einer Scheidung wegen Untreue kommt, wenn das Kind von der blonden Barbie und dem braunhaarigen Ken plötzlich ein indisches Mädchen ist.

Drittens: Dass sich die romantischen Vorstellungen in Wirklichkeit noch viel besser anfühlen, als „im Spiel".

Doch ich lernte auch eine Welt kennen, in der eben nicht alles problemlos und vor allem kostenlos ist. Reality check! Boom! Es geht ums Glücklichsein, aber wenn die Leute "glücklich sein" sagen, dann meinen sie leider bloß "Geld haben". Mir wurde dann klar, dass alles Geld kostet – auch meine Barbiepuppen. Ich fragte mich, wie meine Verwandten und deren Freunde so blöd sein konnten, so viel Geld für solche komischen dürren Püppchen auszugeben, nur um mir die zu schenken.

Raus mit euch

Ich verkaufte das rosa Barbieauto, die beiden Pferde plus Autoanhänger und Dörnröschen-Barbie. Euch drei wollte keiner haben.

Ich war etwas böse auf euch und pfefferte euch in die Kiste unterm Bett. Nackt.
Es war trotzdem gut zu wissen, dass ihr noch da seid, und dass ich trotzdem noch in meine Traumwelt verschwinden konnte, wenn mir das alles hier zu ernst wurde.

Doch nun muss das mit uns enden, meine drei. Ich miste aus, das Studium liegt vor mir und ich ziehe aus und werd erwachsen. Es fällt mir nicht sehr leicht, euch zu entsorgen, da ich doch viel mit euch verbinde.

Ich habe viel Zeit mit euch verbracht und viel gelernt. Danke, dass ihr mich aufgeklärt habt. Ihr habt mir gezeigt, wie wichtig es manchmal ist, unrealistisch zu sein und diese Welt da draußen nicht zu ernst zu nehmen. Mit euch war ich wirklich glücklich!

Eure Vivien

Text: Vivien Valentiner

Dir gefällt dieser Artikel?

Kommentare

Drei Kommentare
  • Der Brief ist wunderbar!!
    Es war ein absoluter Trennungsprozess :)
    Wie rosa unsere Welt damals noch war...

  • Bei mir waren die 2 Shellys (Meermädchen Shelly, Reiter Shelly) immer die Schwestern von Rapunzel-Barbie,als ich das Nussknackerballett tütü bekam wurde sie Marie Antoinette, was jetzt sogar noch besser passt, weil meine kleine Schwester sie vor 2 Jahren geköpft hat.

  • Ich find deine Geschichte auch schön. Dank meiner kleinen Schwestern musste ich keinen schwierigen Trennungsprozess erleben - ich schob meine Plöschtiere, Puppen und Barbies einfach in ihr Zimmer ab und musste mir kaum weitere Gedanken machen. Die Verbindung blieb natürlich trotzdem. Manchmal nutzte ich die Gelegenheit, wenn meine Schwester gerade spielte und setzte mich dazu, nur, um später so zu tun, als hätte sie mich gezwungen...
    so ist das nun einmal.
    aber irgendwann kommt sie an den Punkt, an dem sie ausmisten muss. Und dann sind es längst schon ihre Spielsachen und sie darf entscheiden...
    ...ich frage mich, was wohl auch ihnen wird?

Mehr zum Thema „Brief an …
  • Onlineredaktion
    Brief an …

    Brief an...
    Omnivoren

    Lange leiden „schrille Öko-Tanten“ wie unsere Praktikantin Sylva schon unter ihren Kommentaren - jetzt macht sie ihnen mal eine Ansage.

  • Kathi99
    5
    Brief an …

    Brief an...
    den Corona-Virus

    SPIESSER-Autorin Katharina wendet sich in ihrem Brief an jemanden, der ihre Welt von einen auf den anderen Tag veränderte.

  • rasolara
    Brief an …

    Brief an...den Mundschutz

    SPIESSER-Autorin Lara wendet sich in ihrem Brief an jemanden, der sie in letzter Zeit täglich begleitet hat.

  • VeryMary94
    Brief an …

    Hallo, meine liebe Sackgasse!

    Ich nehme an, so eine Ansprache wundert dich, und ich muss zugeben, zu der Einsicht dahinter kam ich auch nicht leicht. Früher habe ich gedacht, dass du das Schlimmste bist, was mir je passieren könnte. Aber jetzt habe ich eine andere Meinung: Dank dir, meine Sackgasse, habe ich vieles über

  • VeryMary94
    Brief an …

    Liebes Russland, ...

    Gastautor Ivanuschka* schreibt an Russland, seine Heimat, die er schweren Herzens verlassen muss.

  • VivElla
    5
    Brief an …

    Liebe (deutsche) Sprache

    SPIESSER-Autorin Viv sinniert über die deutsche Sprache.

  • Onlineredaktion
    Brief an …

    Liebes Flüchtlingskind, ...

    SPIESSER-Autorin Patricia wendet sich in ihrem Brief an ihren Schützling.

  • Schokoballerina
    Brief an …

    Brief an… meine Essstörung

    Eine anonyme Autorin über Mut und Kontrolle.

  • KlarO
    Brief an …

    Brief an ... HIP

    Ein Brief an HIP, die hypothetische SPIESSER-Partei.

  • nicohaji
    Brief an …

    Brief an ... Stephen Hawking

    Ein Dankesbrief, eine Trauerrede, ein Abschiedsbrief an einen genialen Wissenschaftler.

  • Alaniel
    Brief an …

    Brief an ... H&M

    SPIESSER-Autorin Annika ist der Modekette H&M gegenüber zweigespalten.

  • Lil
    Brief an …

    Brief an... den Schweiß

    Autorin Lilly freut sich in den seltensten Fällen über Schweiß, weiß ihm dann aber auch etwas Gutes abzugewinnen.

  • Helen16
    Brief an …

    Brief an...1984

    Unsere Überwachungstechnik hat die Science-Fiction längst überholt. Google und Co. bestimmen unsere Meinungen... oder etwa doch nicht? SPIESSERin Helen schreibt an das Dystopiejahr 1984...

  • Little Miss Wonder
    Brief an …

    Brief an… meinen Körper

    Liebe Augen, Finger, Füße, Muskeln, Beine, Sehnen und und und… mit anderen Worten: Lieber Körper!

  • Em
    Brief an …

    Brief an...
    die Prokrastination

    „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe ... Ach, Mist! Das war wohl wieder nix. SPIESSERin Ema über die Hassliebe zur Prokrastination.

  • Valentina Schott
    Brief an …

    Brief an...
    Den (Sc-)Heißkleber

    SPIESSERin Valentina widmet ihren Brief dem Heißkleber.

  • k0librix
    4.2
    Brief an …

    Brief an ... den Migrations-
    hintergrund

    SPIESSERin Alexandra widmet ihren Brief ihrem Migrationshintergrund.

  • schneewibchen
    Brief an …

    Brief an meine Wahlbenachrichtigung

      Liebe Wahlbenachrichtigung,   vor ein paar Wochen habe ich dich aus dem Briefkasten gefischt. Du bist meine Berechtigung zur Wahl, meine Berechtigung zur Mitbestimmung in Deutschland. Seitdem hängst du an meiner Pinnwand, wirst von Notizzetteln und Einkaufslisten umrahmt und wartest

  • pippi.langstrumpf
    Brief an …

    Brief an ...
    Die Erstwähler

    Das erste Mal zur bei einer Wahl die Stimme abgeben. Für manche von euch ist es dieses Jahr soweit, bei der Bundestagswahl. SPIESSERIN-Astrid hat einen Brief an alle neuen Erstwähler verfasst.  

  • Badbobby666
    Brief an …

    Brief an ...
    das Fernweh

    Fast alle von uns plagt es im Alltag regelmäßig, das Fernweh. Bei SPIESSER-Redakteur Tom scheint das nicht so zu sein. In einem Brief versucht er seinen entfernten Bekannten endlich dazu zu bewegen ihm mal einen Besuch abzustatten.

  • jennifer
    Brief an …

    Brief an ...
    die Pickel

    Sie sind klein, sie sind fies und man wird sie kaum los. Die Rede ist von den Plagegeistern der Pubertät: den Pickeln. SPIESSERin Jenni kann sie echt nicht mehr sehen und lässt ihrem Frust in ihrem Brief freien Lauf.

  • MissCuriosity
    2.52941
    Brief an …

    Brief an ...
    den Like-Button

    Wenn Freunde sich nicht mehr mögen, ist das meistens traurig. Mona verabschiedet sich in ihrem Brief jedoch von einem sehr schlechten Freund – von dem Like-Button.

  • Gradl mim Radl
    Brief an …

    Brief an ...
    die Jogginghose

    Am 21. Januar ist jährlich der internationale Tag der Jogginghose. Und ja, dieses Kleidungsstück hat es sowas von verdient einen eigenen Tag im Kalender zu haben. Findet zumindest SPIESSERin Franzi. Eine Liebeserklärung an das bequemste tragbare Stück Stoff.

  • la rana
    Brief an …

    Brief an... Silvester

    SPIESSER.de-Autoren schreiben Briefe. Dieses Mal gibt la rana Feedback an Silvester.

  • PaulausMdorf
    Brief an …

    Brief an ... Odin

    Ein bestandenes Mathe-Abi oder Frieden auf der Welt – oft wünschen wir uns Hilfe von oben. Paul hofft auf die Weisheit Odins und hat einen Hilferuf geschrieben.

  • Elektroprinzessin.
    Brief an …

    Brief an ...
    die Secondhandkleidung

    Was andere ausmisten, findet bei SPIESSER–Autorin Lara einen Platz. Sie findet: Secondhandmode ist ein Wundermittel gegen Uniformität, Sweatshops und das Pleitesein.

  • mia.
    Brief an …

    Brief an... den Herbst

    SPIESSER-Autoren schreiben Briefe. Diesmal hat mia. ein paar Takte mit dem Herbst zu reden.

  • lea58
    Brief an …

    Brief an ...
    den Neid

    Ihr kennt das: Was andere haben, wollen wir auch, was wir selbst haben, erscheint uns nicht gut genug. Neid! Lea will sich jetzt erstmal von ihm verabschieden.

  • Gradl mim Radl
    Brief an …

    Brief an ...
    das Internet

    In ihrem Brief gratuliert SPIESSER-Praktikantin Franzi dem Internet zum 25ten Geburtstag. Happy Birthday, liebes Internet!

  • FranziFranzzz
    Brief an …

    Brief an ...
    das WG-Leben

    SPIESSER-Praktikantin Franziska hat mit ihrem WG-Leben Klartext gesprochen und dabei positive und negative Seiten entdeckt – und letztendlich ihre Liebe gestanden!