Kolumne

Bushido und das unsinnige Gerede über Loyalität

Wer spricht schon über Loyalität? Meistens die Leute, die sie von anderen einfordern oder sich selbst damit brüsten wollen, wie loyal sie doch sind. Oh, und Rapper natürlich. Echte Loyalität aber sollte nichts anderes sein als eine unausgesprochene Selbstverständlichkeit.

07. August 2019 - 16:45
SPIESSER-AutorIn maxiise.
Noch keine Bewertungen
maxiise Offline
Beigetreten: 03.02.2016

Jeder kennt doch dieses Pärchen, das zwar erst seit zwei Wochen zusammen ist, aber seine Liebe der Welt schon mitten ins Gesicht schreien muss. Da werden dann Bilder beim Knutschen, Fummeln und Züngeln gepostet – verziert mit Schwarz-Weiß-Filtern, angepriesen mit Clueso- Zitaten, Ring-Emojis und Versprechen bis zum Ende und zurück. Und selbstverständlich sind diese Posts in weniger als sechs Monaten wieder gelöscht, weil das „für immer“ doch nur so lange hält, wie es irgendwie neu und spannend ist.

Die tiefe Verbundenheit, über die diese Pärchen gern reden, nennt man auch Loyalität – nur nicht zwingend mit Züngeln. Ob nun zwischen Geschäftspartnern, Freunden, Familienmit- gliedern oder in einer Partnerschaft: Loyalität sollte Fundament einer Beziehung sein, das nicht häufig erwähnt werden muss.

Die Causa Bushido

Dass nicht die Leute am loyalsten sind, die es am lautesten herausbrüllen, zeigt ein bekanntes Beispiel: Bushido war 14 Jahre lang Geschäftspartner, Freund und manche sagen „Sklave“ von Arafat Abou-Chaker. Der Clanchef einer kriminellen Großfamilie bestimmte das gesamte Denken und Handeln des Rap-Superstars, wie Bushidos Frau im Nachhinein berichtete, unter anderem mit einer Generalvollmacht. Passenderweise beschreibt das japanische Wort Bushido  („Weg des Kriegers“) einen ritterlichen Ehrenkodex der Samurai, der hauptsächlich aus sieben Tugenden besteht – eine von ihnen ist die absolute Loyalität gegenüber seinem Herren. Kein Zufall, dass sich Anis Ferchichi gerade diesen Künstlernamen ausgesucht hat. In seiner 20-jährigen Karriere betonte Bushido immer wieder seine loyale Verbundenheit zu Abou- Chaker, anscheinend aber nicht aus freien Stücken: „Die Beziehung zu ihm war von Anfang an mit viel Kontrolle und Druck verbunden“, sagte er nach der Trennung in einem Interview mit dem stern. Jedoch ist Loyalität genau das nicht: erzwungen oder gefordert. Loyalität kommt von innen heraus und basiert auf Wertschätzung und Respekt.

Loyalität kann man nicht beschreien

Das Beispiel Bushido zeigt, dass es eben nicht reicht, das Wort Loyalität nur oft genug zu benutzen, um den wahren Wert dahinter zu beschwören. Loyalität ist eine Charaktereigenschaft und keine Klausel im Vertrag. Es kann zwar auch durchaus logisch sein, sich loyal zu zeigen, aber als Selbstzweck hat Loyalität keinen Bestand. Nur wer selbst loyal ist, darf auch von anderen Loyalität erwarten. Nur wer sich selbst nicht zu wichtig nimmt, andere Meinungen zulässt, dankbar, ehrlich und offen ist, kann auch loyal sein.

Jedes Gerede über Loyalität ist genauso Fake wie die Schwarz-Weiß-Instagram-Postings vom ach so verliebten Zwei-Wochen-Pärchen. Wer schreien muss, der hat keine guten Argumente. Wer seine Loyalität öffentlich beschwören muss, der hat sie noch nicht gefunden: Den eigenen Charakter muss man nicht beschreiben, sondern durch Taten und Handlungen zeigen.

Text: Maximilian Sepp, abwechselnd und in umgekehrter Reihenfolge: Student, Journalist, kritisch denkender Mensch und SPIESSER-Kolumnist für dieses Jahr.
Teaserbild: Paula Hohlfeld

Dir gefällt dieser Artikel?

Kommentare

Deine Meinung ist gefragt!
Mehr zum Thema „Kolumne
  • Cherilia
    Kolumne

    Ein Plädoyer für Lesekreise

    Lesekreise haben den Ruf, eine verstaubte Praxis aus vergangenen Tagen zu sein. SPIESSER-Autor Pierre möchte jedoch anregen, gerade jetzt in Zeiten der Pandemie wieder auf diese Zirkel zurückzugreifen.

  • Cherilia
    5
    Frühjahr 2021: Social Media & Politik

    Es gibt keine neutralen Standpunkte

    Viele Menschen sind der Meinung, politische Debatten könnten aus neutralen Blickwinkeln geführt werden. Aber wem wird zugestanden, diese objektiven Standpunkte einnehmen zu können – und viel wichtiger: wem nicht? SPIESSER-Kolumnist Pierre zweifelt stark an der Existenz einer völlig

  • Cherilia
    Kolumne

    Warum so viel
    Wirbel um Weihnachten?

    Seit Wochen schon geht es in Nachrichten über die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung nur um Weihnachten. Warum sehen wir es als selbstverständlich an, dass zu diesem Feiertag die Kontaktbeschränkungen gelockert werden, und zu keinem anderen?

  • Cherilia
    5
    Kolumne

    Feminismus? Warum
    nicht Humanismus?

    Oft wird falsch verstanden, was mit Feminismus überhaupt gemeint ist. Der Begriff hat darüber hinaus eine Geschichte hinter sich, die nicht immer ohne Probleme war. SPIESSER-Kolumnist Pierre fragt sich deshalb: Warum taufen wir ihn nicht einfach um? Und liefert die Antwort auf diese Frage gleich mit.

  • Cherilia
    Kolumne

    Große Träume in der kleinen Stadt

    Bevor Pierre nach Hildesheim gezogen ist, konnten die meisten Personen in seinem Freundeskreis nichts mit der Stadt anfangen. Er auch nicht. Nach seinem Bachelorstudium im beschaulichen Marburg hatte er eigentlich in die Großstadt seiner Träume ziehen wollen: Frankfurt am Main. Doch es kam anders.

  • Cherilia
    Kolumne

    Sei leidenschaftlich! Und kompatibel.

    Wer Bewerbungen schreibt, steht unter immensem Druck. Die eigenen Fähigkeiten müssen in kürzester Form präsentiert werden. Immer öfter geht es dabei aber scheinbar noch um etwas anderes – darum, besonders verliebt in seinen Job zu sein.

  • Cherilia
    5
    Kolumne

    Hogwarts-Express?
    Nicht mehr mit mir!

    Was tun, wenn sich herausstellt, dass die Autorin der eigenen Lieblingsbücher öffentlich transfeindliche Ansichten propagiert? SPIESSER-Autor Pierre hat sich diese Frage gestellt - und kommt zu einer klaren Antwort.

  • Cherilia
    Kolumne

    YouTube als Sprachrohr für Gott

    Christliche Influencer, sogenannte „Christfluencer“, tragen nicht einfach ihren persönlichen Glauben nach außen. Sie vermarkten ihn vielmehr – wie ein Lifestyle-Produkt. Dabei nutzen sie modernste Kommunikation, um zu missionieren und aktiv gegen Werte wie die Gleichberechtigung

  • Cherilia
    Kolumne

    Sprecht darüber, statt zu (ver)schweigen

    Was in Hanau am 19. Februar passiert ist, war für viele ein Auslöser von Angst. Tatsache ist aber, dass diese Angst für viele People of Colour in Deutschland Alltag ist.

  • Cherilia
    Kolumne

    Was ist die Philosophie wert?

    Die Philosophie hat einen schlechten Ruf. Sie steht im Verdacht, ein Studienfach für Menschen zu sein, die schlicht nichts Besseres mit ihrem Leben anzufangen wissen. Dabei ließe sich gerade mithilfe der Philosophie unsere durchökonomisierte, neoliberale Gesellschaft auf den Kopf stellen.

  • maxiise
    5
    Kolumne

    Früher war alles leichter

    Allgemeinbildung heißt heute Google, sagen manche. Aber das reicht nicht. Die Welt ist so kompliziert geworden, dass man leicht den Überblick verliert. Woher soll man wissen, was man wissen muss? Ein Gespräch zwischen Vater und Sohn.

  • maxiise
    Kolumne

    Dann macht‘s doch besser!

    Wovon darf Angela Merkel keine Ahnung haben? Wann dürfen Politiker Fehler machen? Und warum wissen wir alles besser als sie? Politiker haben riesige Verantwortung, keine Freizeit und Gegner auf allen Seiten. Für unsere Demokratie muss ein anderes Bild über sie her.

  • maxiise
    Kolumne

    Die Karten sind gelegt: Das war es für Bares

    Mal ehrlich: Bargeld ist so modern wie der Dieselmotor, Atlanten oder Telefonzellen. Eine Zukunft hat es in einer digitalen Welt nicht. Zeit loszulassen, auch wenn das „dem Deutschen“ schwerfällt.

  • Der Mann den Sie Pfirsich Nannten
    Kolumne

    Rezo zerstört die CDU, die CSU zerstört sich selbst

    Orientierungslos blieben die eingesessenen Politikprofis zurück nachdem ein junger interessierter Mann mit auffälliger Frisur plötzlich den dunklen Raum der Politik für Jugendliche öffnete. Und die Erwachsenen reagierten, als würden sie von ihren Kindern beim Sex erwischt.

  • maxiise
    Kolumne

    Hört auf, Kinder zu posten!

    Bilder von Kindern gehören nicht ins Internet. Denn auch sie haben ein Recht auf Privatsphäre wie jeder von uns. Und selbst würde wohl keiner ein Bild von sich beim Kacken, Kotzen, Heulen oder Nacktbaden hochladen.

  • maxiise
    Kolumne

    „Politische Korrektheit“ ist voll behindert

    Bei Konservativen ist es cool geworden, nicht mehr „politisch korrekt“ zu sein. Aber was heißt das überhaupt und warum sollte man erst denken und dann sprechen?

  • maxiise
    Kolumne

    Anonymität – Der Preis des Erwachsenwerdens!?

    Unser Kolumnist Max schaut sich einen Text von sich selbst an, in dem er nach dem Abi verzweifelt auf die Welt der Erwachsenen geschaut hat. Heute sieht er vieles anders. Ist vielleicht doch nicht alles so scheiße, wie es manchmal scheint.

  • maxiise
    Kolumne

    Die „Generation Rezo“ kann selber denken

    Bei den Reaktionen auf das Rezo-Video fällt auf: Nicht nur die CDU versteht die Jugend nicht mehr, auch Medienmacher haben den Zugang zur jungen Generation verloren. Vielleicht braucht es die Jungen, um den Alten etwas zu erklären.

  • maxiise
    Kolumne

    Gleichberechtigung unerwünscht

    Unsere Gesellschaft ist so gleichberechtigt wie noch nie zuvor. Trotzdem gibt es einige empörte Feministinnen und Feministen, die anscheinend nicht an Gleichberechtigung interessiert sind und damit die Glaubwürdigkeit und den Wert ihrer Bewegung untergraben.

  • Individuot
    Polimika – die Kolumne

    Mädchen-Mädchen-Tag

    Liebe Freundinnen des Rosas und Pinks, der Blumen und Schokolade – der Valentinstag ist mit seinem Kitsch und seinen Klischees mal wieder über uns geschwappt. Und wisst ihr was? Ihr könnt ihn haben, euren Prinzessinnen-Tag. Besser gesagt: Haltet ihn uns ja vom Leib!

  • maxiise
    Kolumne

    Handball-Revolution: König Fußball muss gestürzt werden

    Nicht Weltmeister, kein Finale, nicht mal Dritter. Die Handball-Heim-WM hat Deutschland in den Bann gezogen – und am Ende flossen bittere Tränen. Die deutsche Mannschaft löste Zuschauerrekorde in den Hallen und an den Bildschirmen aus. Doch scheinbar nur, weil der grausame Riese Fußball

  • Ka.thi
    Kolumne

    Körperchaos

    Katharinas Kolumne: Diesmal über Protest unter Einsatz des eigenen Körpers.

  • maxiise
    Kolumne

    Wer Neujahrsvorsätze braucht, braucht auch eine Therapie

    Ein Anfang kann eine Chance sein, ein Risiko, das Ende einer Ära, ein leeres Blatt. Das neue Jahr beginnt und bringt tausende neue Anfänge mit sich. Manche ganz willkürlich, andere sehr geplant. Aber wer den Jahreswechsel braucht, um sich selbst neu zu erfinden, der hat wirklich ein Problem.

  • Ka.thi
    Kolumne

    Ende mit Ekel

    SPIESSER-Autorin Katharinas letzte Kolumne. Besser ein Ende mit Ekel als ein Ekel ohne Ende.

  • Ka.thi
    Kolumne

    Von enttäuschenden Erleuchtungen

    SPIESSER-Autorin Katharina blickt seit Kurzem ganz anders in den Sternenhimmel.

  • Ka.thi
    Kolumne

    Teilzeitegoistin im Tauschrausch

    SPIESSER-Autorin Katharina über die Lebenszeit ihrer Jeans und Kommerzialisierungskomponente von Second Hand.

  • Ka.thi
    Kolumne

    Diplomatie im Dattel-Dschungel

    Was macht einen Menschen eigentlich zum Mensch? Wie hilft die moderne Technik dabei? Werden Maschinen bald bessere Romane schreiben als Menschen? Über diese und andere Fragen hat sich SPIESSER Autorin Katharina Gedanken gemacht.

  • Individuot
    Polimika – die Kolumne

    April am Arsch

    Das Wetter war selten so nervig und ekelhaft wie in den letzten Tagen und Wochen. Es ist kalt, es regnet, es schneit, verdammte Hacke! Ich finde, es wird höchste Zeit sich mächtig aufzuregen über diese Frechheit.

  • Ka.thi
    Kolumne

    Menschenskinder, diese Technik!

    Was macht einen Menschen eigentlich zum Mensch? Wie hilft die moderne Technik dabei? Werden Maschienen bald bessere Romane schreiben als Menschen? Über diese und andere Fragen hat sich SPIESSER Autorin Katharina Gedanken gemacht...

  • Der Mann den Sie Pfirsich Nannten
    5