Mit 17 von der Schule direkt an die Uni? Am besten noch Hand in Hand mit Mami und Papi? Dass sich das vermeiden lässt, hofft SPIESSER-Autorin Harriet. Und wer weiß eigentlich, was sie in zehn Jahren macht – ihre Lehrer oder sie selbst?
29. August 2014 - 16:28 SPIESSER-Autorin TheGreenBook.
Manche haben ihn, manche nicht. Den ultimativen perfekten Plan vom Leben. Ich gehöre zu denen, die ihn nicht parat haben. Der einzige Gedanke, der mir mit 17 Jahren, vollgepackt mit theoretischem Wissen, aber ohne eine wirkliche Vision, durch den Kopf geistert: Hilfe! Was wird jetzt aus mir? Dass noch tausend andere planlose Abiturienten neben mir existieren, bringt mich genauso viel weiter: nämlich gar nicht. Genauso aussichtslos sind die Verhätschelungen und Zusprüche von Freunden, Familie oder meinen übermotivierten Lehrern. Ginge es nach ihnen, würde ich in zehn Jahren als Redakteurin bei einer großen Zeitung sitzen. Meine Mutter hingegen meint, in mir stecke noch viel mehr Potenzial, ich müsse es nur finden. Ihre Stimmen summen in meinen Kopf: „Ach, Harriet, bei dir mach ich mir gar keine Sorgen“ und „Du wirst deinen Weg schon gehen“. Danke für die Blumen. Trotzdem weiß ich damit nicht viel mehr mit mir und meiner Zukunft anzufangen.
Ich will micht nicht festlegen
Und dann sitzen mir die ganzen Mitschüler im Nacken, die genau wissen, was sie wollen: Freundin 1: Medizin studieren, an der Uni Tübingen. Freundin 2: Au Pair in Costa Rica, ein ganzes Jahr. Und Freundin 3: Ausbildung zur Chemielaborantin in Köln. Und ich? Ich mache einfach alles, irgendwo und nirgendwo. Und das zwischen all den durchgetimten Abiturienten auf der Zielgeraden zum Karrieremensch. Im großen und Ganzen fällt es mir nicht schwer, Entscheidungen zu treffen. Wenn`s um meine Zukunft geht aber schon: Ich habe einfach wahnsinnige Angst, etwas zu verpassen. Ich will mich nicht festlegen. Ich will mich nicht für einen Job entscheiden, bei dem ich nach kurzer Zeit merke, dass er nicht der richtige für die nächsten 40 Jahre ist. Ich will was von der Welt sehen, Abenteuer erleben, Menschen kennenlernen, herausfinden, was mein(e) Beruf(ung) ist. Und dazu – dafür lege ich meine Hand ins Feuer – braucht man Zeit. Und zwar Zeit, die ich in acht Jahren auf dem Gymnasium nicht hatte.
Ich will wirklich alles machen
Jetzt sitze ich hier, seit zwei Monaten mit der Schule fertig, nach München gezogen und Praktikantin bei einem Fernsehsender. Was mir das Praktikum für meine berufliche Zukunft bringt? Vermutlich nicht viel. Warum ich es dann mache? Weil ich nicht weiß, was ich sonst tun soll. Und weil ich auf eigenen Beinen stehen will und ein bisschen Abstand von der Familie manchmal doch ganz gut tut. Und um zu merken, dass ich vielleicht Lehrerin werden sollte. Aber nur vielleicht. Ich hoffe inständig, dass mir das ganze Probieren hilft und ich am Ende weiß, was ich will. Mit all den Erfahrungen könnte ich sicher sein, nichts mehr zu verpassen. Auf der anderen Seite kostet das alles Zeit, ich wäre dann mindestens 25 und mein Lebenslauf würde dadurch auch nicht besser aussehen. Und irgendwann macht mir bestimmt das Geld einen Strich durch die Rechnung. Meine Traumvorstellung ist ja immer noch die, dass ich wirklich alles machen kann. Erst bis Dezember als Praktikantin bei Drehs und Recherche dabei sein, danach ab auf Weltreise, um meine Abenteuerlust zu befriedigen. Danach vielleicht irgendwas studieren, weil ich gemerkt habe, dass mir die Schule doch ein bisschen fehlt. Dann noch eine Lehre, einfach um eine abgeschlossene Berufsausbildung zu haben. Und ganz wichtig: zwischendrin den Mann meines Lebens finden.
Ich mag meinen Plan
Ja, vielleicht ist das mein Plan fürs Leben. Vielleicht bekommt er weniger Applaus und Konfetti als andere. Trotzdem habe ich ihn gern, denn er eröffnet mir so viele Möglichkeiten und presst mich in keine Schiene. Meine Zukunft ist keine von meinen Eltern festgelegte Route, die ich gehen muss, sondern ein Weg, bei dem ich bestimme, welche Richtung ich einschlage. Mit diesem nicht in Stein gemeißelten Weg in die Zukunft bleibt mir mehr Zeit, um mir Gedanken zu machen, Pläne zu schmieden und sie wieder über Bord zu werfen, Umwege zu gehen und Abkürzungen zu nehmen und mich mal am Straßenrand auszuruhen.
Text: Harriet Hanekamp
Illustration: Christian Pfeifer
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