Ob unsere Sprache geschlechtergerecht ist und was man daran ändern könnte, wird viel diskutiert. In Jobanzeigen werden (m/w/d) gesucht, es gibt Rabatte für „Studierende“ und Magazine streiten sich über Gendersternchen. Doch manche Leute finden, dass bereits der erste Satz dieses Textes nicht geschlechtsneutral formuliert sei.
04. October 2019 - 11:23 SPIESSER-AutorIn dielotte.
„Kann jemensch den Ort für den nächsten Streik schicken?“, fragt eine Schülerin in der Münchner Telegram-Gruppe von Fridays For Future (FFF). Wie viele andere hier schreibt sie „jemensch“ an Stelle von jemand. Oder auch „mensch“ statt „man“. Mein erster Gedanke dabei: Die Aktivistin hat irgendwie die Genderdebatte falsch verstanden. Ich finde es richtig, dass Frauen und andere Geschlechter in unserer Sprache sichtbar werden. Aber „man“ gehörte für mich zu den wirklich neutralen Wörtern, die kein Geschlecht ausschließen. Bis auf Frauenzeitschriften, in denen das Wort pfiffig durch „frau“ ersetzt wird (So geht frau mit der Bohrmaschine um!), kenne ich auch keine andere Situation, in der „man“ nicht neutral gehandhabt wird. Ist mein gender-politischer Horizont einfach zu schmal oder die Aktivistin bei FFF zu voreilig im möglichst korrekten Sprachgebrauch?
Der männliche Mensch
Unter Etymologie, also Wortherkunft, erklärt das Deutsche Online-Wörterbuch DWDS: „‚man‘ entwickelt sich aus dem […] Substantiv Mann in dessen alter Bedeutung ‚Mann, Mensch’“ Es klingt also nicht nur danach, sondern das „man“ kommt tatsächlich von „Mann“! Was nicht bedeutet, dass die heutige (Duden-)Bedeutung nicht neutral wäre. Aber „Mann“ war früher schlicht ein Synonym für „Mensch“ im Allgemeinen. Auch im Lateinischen lässt sich vir = Mann genauso mit „Mensch“ übersetzen. In vielen Sprachen gibt es ähnliche Beispiele.
Und so überholt diese Vorstellung auch klingt: Die männliche Dominanz ist schon immer fester Bestandteil unserer Sprache und Gesellschaft. Stelle dir einen Menschen vor, der rennt. Die meisten werden jetzt einen Mann vor ihrem inneren Auge haben – das zeigen verschiedene Studien mit ähnlichen Szenarios. Der weiße, gesunde Mann gilt heute noch als Prototyp für das Allgemeinmenschliche. Ende April ging auf Twitter ein Bild viral, das die Muskeln einer weiblichen Brust mit Milchdrüsen zeigt. Der Text dazu: „Ich habe gerade bemerkt, dass ich noch nie ein Foto von einem weiblichen Muskelsystem gesehen habe. Das ist NICHT, wie ich mir Milchdrüsen vorgestellt habe.“
Alle mitmeinen
Da liegt eben der Unterschied zwischen der Bedeutung im Duden und der in unserem Hinterkopf. Die Uni Köln schreibt in einem Leitfaden zu geschlechtersensibler und inklusiver Sprache, dass „man“ auf Ebene der Wortbedeutung ein generisches Maskulinum darstelle – also alle mitmeinen will, aber eigentlich nur männlich spricht. Daher sei das Wort zu vermeiden. Aufgrund ihrer männlichen Dominanz findet die Broschüre ebenfalls Wörter wie „jemand“, „niemand“ und „wer“ problematisch. Naja, wenn „man“ „seine“ Worte nicht gut wählt, kann „ihm“ das niemand vorwerfen, „der“ auch immer nur „demjenigen“ folgt, „der“ einfach „jeden“ mit meint, wenn „er“ spricht. Und so weiter. Auf die vier behandelten Wörter folgen stets männliche Pronomen.
Es ist wie so oft in der Frage um geschlechtersensible Sprache: Je länger ich mich damit beschäftige, desto verstaubter und männlicher wirken die Ausdrücke, die wir täglich benutzen. Liegt es einfach im Kern deutscher Sprache und Grammatik, dass Geschlechter nicht gleich behandelt werden? Und kann oder sollte ich da überhaupt versuchen, etwas dran zu ändern? Schließlich – , das Argument zieht fällt immer – , haben wir doch größere Probleme. Solange sich keine Frau beschwert, können wir ja weiter reden, wie´s gerade passt. Und wenn schon: Sollen Wörter wie „jemensch“ etwa das Zeug dazu haben, lange eingespielte Strukturen zu brechen?
Sprache ist Macht
Natürlich nicht. Und das ist auch der Aktivistin im FFF-Chat klar. Ihre Formulierung bedient sich genauso des – männlich behafteten – Ausdrucks des Menschen. Und wenn „jemensch“ gesucht wird, „der seine Fotos teilt“, ist von einer neutralen Form auch nicht mehr viel übrig. Es geht vor allem darum, Ungewohntes in die Sprache einzubringen und konventionelle Muster zu hinterfragen. Also bewusst den gewohnten Sprachfluss zu stören, was ja genauso von vielen Seiten kritisiert wird: Geschlechtssensible Sprache breitet sich zwar immer mehr in Behörden, Unis und Unternehmen aus, aber am liebsten schön bequem und unauffällig. Mittlerweile gibt es diverse Leitfäden, die erklären wie „Gendern ohne Gendern“ am besten klappt. Auch ein Aktivist von FFF hat mir geschrieben, dass bei Pressemitteilungen und Interviews Wörter wie „jemensch“ eher vermieden werden – wenn er das Wort jedes Mal erklären müsste, lenkt das ja auch vom eigentlichen Thema, dem Klimaschutz, ab.
Am Ende haben wir selbst die Macht darüber, für welche Art von Sprache wir uns entscheiden. Den Kompromiss, der viele Leute ansprechen kann, weil er sowohl alle Geschlechter einschließt als auch Sonderzeichen und Ungewohntes rauslässt. Oder die provokante Art, die beim Lesen irritiert und neue Wörter aufbringt. Ich finde: Beide Formen haben, je nach Kontext, ihre Berechtigung. Aber besonders in veröffentlichten Texten sollte das generische Maskulinum einfach vermieden werden. Das ist schließlich einer der bequemsten Schritte auf dem Weg dahin, dass der Anblick von Milchdrüsen uns in Zukunft keinen Schrecken mehr einjagt und „Mensch“ ein Begriff für wirklich alle ist.
Text: Lotte Ziegler
Teaserbild: Photo by Jason Leung on Unsplash
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