Alexander, 25 Jahre: „Wer nicht lernen will, muss fühlen“
Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Aber ist denn wirklich jedes Leben auch lebenswert? Wenn ihr mich fragt: definitiv nicht. Pro Tag werden weltweit rund 240.000 Menschen geboren, knapp 84 Millionen jedes Jahr. Gleichzeitig sterben im selben Zeitraum 3,1 Millionen Kinder an Hunger, ohne überhaupt das sechste Lebensjahr erreicht zu haben. Weltweit ist sogar jedes vierte Kind chronisch unterernährt. Dennoch kriegen gerade in den ärmeren Ländern viele Familien sehr viele Kinder. Das sichert oftmals schlicht und einfach das Einkommen der Familie. Ja, richtig gelesen: Einkommen. Viele Kinder weltweit müssen arbeiten gehen. Damit das aufhört, müssen wir uns von dem Gedanken verabschieden, dass immer mehr, immer günstiger werden kann. Ansonsten ist „für all diese Mädchen und Jungen (...) das Leben zu Ende, bevor es richtig begonnen hat“, sagt auch Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland. Dass der Westen seinen Lebensstandard aufgeben würde, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Zwölf Milliarden Menschen könnten theoretisch heute ernährt werden, trotzdem hungert der Großteil der Welt. Ich finde, Kinder müssen vor so einem schrecklichen Leben bewahrt werden. Tatsächlich werden bis zu 80 Millionen Frauen jährlich allein in Afrika und Asien ungewollt schwanger – Tendenz steigend. Alarmsignal und Ansatzpunkt zugleich. Eine politisch organisierte sexuelle Aufklärung in Ländern der Dritten Welt wäre da ein guter Anfang. Kostenloser Zugang zu Verhütungsmitteln ein Fortschritt. Eine weltweit staatlich kontrollierte Demographie der logische Schluss. Überlegt doch mal: 1985 lebten gut fünf Milliarden Menschen auf der Erde. Heute sind wir bereits über sieben und bis zum Jahr 2100 sollen es sogar über elf Milliarden werden. Das führt zu weltweiten Problemen, die heute bemerkbar sind, morgen spürbar werden und spätestens übermorgen von staatlicher Seite reguliert werden müssen. Eine globale Ein-Kind-Politik mit Zwangssterilisationen und Geldstrafen streng nach dem Vorbild Chinas, ist ohne Frage menschenunwürdig. Mit einigen Anpassungen kann eine staatlich regulierte Demographie am Ende dennoch ein wichtiger Schritt für die Lösung von Hunger und Armut in der Welt sein, finde ich.
Wirtschaftliche Anreize könnten beispielsweise dabei helfen, zu akzeptieren, dass das Erstgeborene gleichzeitig das Letztgeborene bleibt. Klar, eine Frage der Moral. Aber auch die Moral ist käuflich. Und mal ehrlich: Geld gegen Leben? Es würde in unsere Zeit passen. Eine Veränderung der wohlig warmen Wegwerf- und Konsumgesellschaft, an die wir uns bereits so sehr gewöhnt haben, scheint ohnehin undenkbar zu sein. Unbequeme Entscheidungen wie die weltweite Ein-Kind-Politik könnten hier helfen, die Welt dennoch für die zukünftigen Generationen lebenswert zu machen. Da bin ich mir absolut sicher. So paradox das klingen mag.
Teaserbild: Claudia Wehner
Wibke, 22 Jahre: „Unethisch, menschenverachtend, nicht umsetzbar“
Die politische Steuerung von Geburten wäre meiner Meinung nach vollkommen sinnlos. In China wurde es schließlich bereits versucht. Über dreißig Jahre lang durfte jedes verheiratete Paar nur ein einziges Kind bekommen – mal abgesehen von ein paar Ausnahmeregelungen. Und wie hat der Staat das durchgesetzt? Ganz einfach, durch bezahlte Abtreibungen, erzwungenen Einsatz von Verhütungsspiralen und hohe Strafzahlungen beim Austragen eines zweiten Kindes – vollkommen unethisch also. Zwar ging der Bevölkerungsanstieg Chinas tatsächlich zurück, die politische Einmischung brachte dafür jedoch neue Probleme mit sich. So wurden unerlaubt geborene Kinder oft nicht registriert und konnten, ohne die nötigen Papiere, keine Schule besuchen. Außerdem wurden zu wenige Mädchen geboren, da sie öfter abgetrieben worden sind. Klar, in vielen Kulturen ist ein „Stammhalter“ wichtig. Dieses Beispiel zeigt doch ganz eindeutig, dass staatlich regulierte Fortpflanzung, wie die Ein-Kind-Politik weder für China noch für die gesamte Welt eine Lösung sein kann, um der Übervölkerung entgegenzuwirken.
Menschen, die sich lieben und eine Familie gründen möchten, entscheiden dies aus persönlichen Gründen. Vielleicht haben sie immer den Wunsch nach einer großen, quirligen Familie gehabt und wollten bereits seit langem Eltern werden. Politische Systeme haben innerhalb dieser Entscheidung keinen Platz – und das ist auch gut so! Die Einmischung staatlicher Gewalt in die Familienplanung würde die Menschenrechte rücksichtslos verletzen.
Natürlich werden, vor allem in Entwicklungsländern, viele Kinder geboren, die nicht geplant und vielleicht auch nicht gewollt sind. Besonders in Ländern wie Afghanistan wächst die Bevölkerung rasend schnell. Wäre hier vielleicht wenigstens lokal die Ein-Kind-Politik angebracht? Nein, vollkommen sinnlos. Notwendige Maßnahmen wären in diesen Ländern gar nicht umsetzbar. Einwohner leben hier teilweise unter ärmsten Bedingungen, haben keine schulische Bildung, sind nicht aufgeklärt und sichern durch große Familien ihren Lebensunterhalt. Um die Weltbevölkerung – sozusagen nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ – zu beeinflussen, bedarf es ganz anderer politischer Arbeit, finde ich. Die Menschen müssen Zugang zu Verhütungsmitteln, ärztlichen Untersuchungen und Präventionsmaßnahmen erhalten. Nur so können Hungersnöte umgangen, Kinderarbeit verhindert und schlussendlich auch die Übervölkerung der Welt bekämpft werden – alles Ziele, die auch die Ein-Kind-Politik verfolgen würde. Der gravierende Unterschied: Eine Lösung abseits der politisch gesteuerten Geburtenrate wäre menschen-orientiert, nachhaltig und ethisch korrekt.