Die Qual der Wahl – Hinter den Kulissen des Wahl-O-Mats
Ohne ihn wäre die nächste Bundes- oder Landtagswahl gar nicht mehr denkbar: Der WAHL-O-Mat. Seit 2002 ist er im Einsatz und gibt vielen eine Orientierung bei der Wahl der passenden Partei. Doch wie funktioniert er überhaupt? SPIESSER-Autorin Lara hatte die Möglichkeit, einmal selbst in der Redaktion des WAHL-O-Mats mitzuarbeiten.
„Stell dir vor, morgen ist Wahl und keiner nutzt den Wahl-O-Mat“. In Deutschland ist das inzwischen unvorstellbar. Zur letzten Bundestagswahl holten sich über 13 Millionen Menschen aller Altersschichten Rat beim wohl beliebtesten deutschen Wahl-Tool. Das Online-Programm lockt mit einem einfachen Prinzip: Mit wenigen Klicks zeigt er den Nutzern an, wo und wie sie mit den Parteien übereinstimmen und erspart so das langwierige Durcharbeiten der einzelnen Parteiprogramme. Eine super Sache, zumal die Wahlplakate zunehmend mit kopflastigen Wahlkampagnen anstatt mit greifbaren Inhalten werben. Was die wenigsten wissen: Der Wahl-O-Mat wird immer von einer Redaktion aus Jung- und Erstwählern zwischen 18 und 26 Jahren entwickelt. Die Bundeszentrale für politische Bildung ruft vor jeder Wahl dazu auf, sich dafür zu bewerben. Zur sächsischen Landtagswahl 2014 war für mich sofort klar: Das muss ich mir ansehen.
Ab zum Workshop!
Die Sächsische Landeszentrale für politische
Bildung hat eingeladen...
Kaum hatte ich die Onlinebewerbung ausgefüllt, schon landete die Zusage der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung in meinem Briefkasten. Beim dreitägigen Workshop in Dresden tummelten sich frischgebackene Abiturienten, Azubis von der Deutschen Bahn, ein ver.di-Vorsitzender und natürlich eine ganze Stange FSJler und Politikstudenten in unserer zwanzigköpfigen Redaktion – aus Neugier, so wie ich aus politischem Interesse oder sogar der Hoffnung, den Wahl-O-Mat besser machen zu können. Wir entscheiden nämlich in erster Instanz, was die Nutzer am Ende gefragt werden. Und das ist schwerer, als es klingt. Allein die Aufteilung in Arbeitsgruppen barg ernste Schwierigkeiten: Gehören Kitas eher in den Bereich Familie, zu Arbeit und Sozialem oder doch zur Bildung?
Die große Thesenfindung
Tagesordnungspunkt Nr. 1: Brainstorming. Das lieferte tausende Ideen, welche Thesen die Parteien am besten ins linke und rechte oder konservative und liberale Spektrum unterteilen würden. In meiner Gruppe „Inneres, Demokratie und Justiz” ging es unter anderem um Polizeieinsätze bei Fußballspielen, Grenzkontrollen oder die Hürden für Volksbegehren. Erste Thesen wurden formuliert, wie „Bei Landtagswahlen: Wählen ab 16” oder „Polizeibeamte müssen im Dienst zur Identifizierung eine individuelle Kennzeichnung tragen”. Andere wurden schnell wieder verworfen. Wir wollten die Parteien ja voneinander unterscheiden. Forderungen wie „Drogen bekämpfen!”, die in allen Parteiprogrammen vorkommen, brachten uns da nicht weiter. Unsere Hauptkriterien: Kontrovers, eindeutig und auf Landesebene relevant!
Die WAHL-O-MAT-Thesen kommen nicht von
ungefähr...
Zwischendurch trafen wir Redakteure uns regelmäßig im “Plenum” mit beratenden Politikexperten. Hier verteidigten wir unsere Zwischenergebnisse, sammelten Vorschläge für Umformulierungen und diskutierten auch andere Themenfelder. Manches, was bereits in den Arbeitsgruppen aussortiert worden waren, wurde so im Plenum noch einmal durchgekaut, zum Beispiel der kostenlose ÖPNV, die Helmpflicht oder Landwirtschaftsförderung. Das war zwar frustrierend, aber auch nötig, um wirklich alles aus den Themen herauszuholen. Andere Thesen, die wir im kleinen Kreis zuvor vehement verteidigt hatten, fielen im Plenum dann doch durch. Fakt ist aber: Nichts passierte, ohne dass wir vorher eine leidenschaftliche Pro und Contra Debatte hielten – wobei wir auch immer wieder inhaltlich unsere Hörner rieben. Dem Spaß tat das jedenfalls kein Abbruch und überpünktlich waren wir auch noch fertig.
Wie es weiter geht?
Durch die Endabstimmung dampften wir unser Sammelsurium schließlich auf immerhin 83 Thesen ein. Diese werden jetzt an die Parteien zur Beantwortung geschickt, die zusätzlich zu ihrem „Ja” oder „Nein” noch eine kurze Begründung für die Parteiposition schreiben müssen. In einem zweiten Workshop werden dann die finalen 38 Thesen für den Wahl-O-Mat ausgesucht, umfangreich diskutiert, geschliffen und am 5. August endlich online gestellt. Entscheidend ist dabei, welche Thesen von den Parteien kontrovers diskutiert werden. Ich bin schon gespannt, welche Thesen es hineinschaffen werden – vielleicht ist ja eine von mir dabei?
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SPIESSER debattiert
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