Robert Richter, 33, ist Geschäftsführer der Ritex GmbH in Bielefeld. Er ist neben der Kondomfabrik aufgewachsen, die sein Großvater nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut hat. SPIESSER-Autor Felix, 20, hat ihn in der Mittagspause getroffen.
01. October 2013 - 14:55 SPIESSER-Autor Gartenzwerg23.
Da war ich ein Spätentwickler. Das war während des Studiums.
War Ritex mit dabei?
Natürlich. lacht
Welche Geschmacksrichtung schmeckt Ihnen bei Kondomen am besten?
Ich bin eigentlich der große Verfechter des Standardkondoms. Wenn es um Geschmacksrichtungen geht, ist die Banane natürlich immer mit einem Augenzwinkern zu verstehen. Der Erdbeergeschmack ist in
Deutschland auch sehr beliebt.
Verkaufen sich Kondome mit Geschmack besser?
Eher nicht. Das Standardkondom verkauft sich tatsächlich am meisten. Es hat eine normale, zylindrische Form, ist ohne Geschmack und fast ohne Farbe. Das Spannende ist ja eigentlich nicht das Kondom, sondern der Sex. Da muss das Kondom verlässlich funktionieren, möglichst wenig stören und einfach anzulegen sein.
Können Sie sich noch an Ihre eigene Aufklärung erinnern?
Tatsächlich schwer. Meine Aufklärung war eher ein schleichender Prozess. Unsere Produktion war damals direkt neben dem Wohnhaus, deshalb bin ich da so hineingewachsen. Ich kann mich zumindest nicht an ein verklemmtes Aufklärungsgespräch erinnern. Bei meinem Vater war das Thema
allerdings noch sehr tabuisiert. Damals waren Kondome sogenannte „Produkte für die Ehehygiene“. Sie wurden nicht angesprochen und waren eher in der Schmuddelecke angesiedelt. Man konnte Kondome damals auch nicht frei kaufen. Üblicherweise ging man zum Frisör, ließ sich die Haare schneiden und legte beim Bezahlen eine Mark mehr hin. Da wusste der Frisör: „Ah, da soll noch ein Kondom dabei.“
Wenn das bei Ihrem Vater so verklemmt war, wie kam dann Ihr Großvater dazu, Ende der 1940er Jahre eine Kondomfabrik aufzubauen?
Das war tatsächlich sehr pikant. Mein Großvater kam nach dem Krieg schnell wieder und stand dann vor dem Problem: Wie ernähre ich meine Familie? Damals gab es einen regen Tauschhandel. Geld gab es zwar, aber es war nichts wert. Wenn man also etwas brauchte, musste man handeln. Zigaretten, Kaffee, Tee das waren so die Klassiker und tatsächlich auch Kondome. Mein Großvater hatte Tee von den Engländern bekommen, den dann gegen Kaffee getauscht, den die Amerikaner wollten und die haben ihm dafür Kondome gegeben. So ist er das erste Mal in Kontakt mit dem Kondomhandel gekommen. Nach dem Krieg gab es außerdem viele Kondomfirmen in Deutschland, deren Besitzer nicht aus dem Krieg zurückgekommen waren. Diese Gelegenheit hat er genutzt, um Anteile zu erwerben. Erst war er Gesellschafter und daraus ist dann Ritex entstanden.
Die Tabuisierung von Kondomen in der Gesellschaft war sicher nicht einfach für Ihren Großvater!
Das ist richtig. Für den ein oder anderen Herrenwitz war es sicher gut, aber ansonsten wurde es weitgehend verschwiegen. Frei nach dem Motto: Was ich nicht sehe, ist auch nicht da.
Wie reagieren die Menschen heute, wenn Sie erzählen, was Ihre Firma produziert?
Die meisten gehen sehr unverkrampft damit um. Man ist mit dem Sex-Thema immer gleich im Gespräch, da es sehr spannend ist. Das macht auch die Werbung einfach. Man muss eigentlich nur ein Kondom zeigen und alle fangen an zu kichern. Bei neuen Bekanntschaften ist es sehr schön, da man einfach immer viele witzige Anekdoten erzählen kann. Wenn wir beispielsweise Wettbewerbsbeobachtung machen und im Handel einkaufen, dann kaufen wir natürlich nicht eine Packung Kondome oder Gleitmittel, sondern gleich einen ganzen Wagen voll. Da gucken die Verkäufer immer nicht schlecht. lacht
Gibt es eine gewisse Zielgruppe für Ihr Produkt?
Ritex tritt eher als eine gesetztere Marke auf, für das ältere Publikum ab 20. Wir kommen ursprünglich aus der Apotheke und das sieht man auch heute noch an der Produktgestaltung. Verglichen mit Billy Boy und ihrem kleinen Penismännchen, haben wir natürlich eine ganz andere Zielgruppenansprache.
Wir versuchen das allerdings zu ändern und vermehrt die jüngere Zielgruppe anzusprechen. Versucht haben wir das mal mit einer Pärchendarstellung, aber so etwas ist immer schwierig. Da gibt es sehr starke Likes und Dislikes. Denn entweder mag ich diese Leute oder ich kaufe das nicht, weil diese Gesichter mich nerven. Deshalb sind wir wieder zu unserer neutralen Gestaltung übergegangen.
Werden von Kunden skurrile Vorlieben an sie herangetragen?
Bei Kondomen nicht so sehr. Da ist auch alles schon erfunden, was man sich vorstellen kann: alle Formen, alle Farben, alle Oberflächenstrukturen oder Kondome, die im Dunkeln leuchten. Die waren echt der Brüller, dienen allerdings nur mal als Lacher für einen Junggesellenabschied, aber nicht für die standardmäßige Benutzung.
Aus der Steinzeit sind sogar Höhlenmalereien überliefert, die hatten scheinbar das Prinzip des Kondoms auch schon erkannt. Der letzte Innovationsschritt ist für uns die Herstellung aus Naturkautschuklatex, das ein extrem dünnes und extrem dichtes Kondom ermöglicht. Bei Gleitmitteln bekommen wir schon eher Anfragen. Ich habe erst vor Kurzem gelernt, dass man Gleitmittel auch für das Schmieren von Autodichtungen oder Waffen benutzen kann. Wir haben sogar eine Anfrage aus dem Irak erhalten. Es ist aber wohl eine eher wahnwitzige Vorstellung, dass im Irak ein Kanonier steht und mit Gleitmittel seine Kanone poliert. lacht Uns waren diese Geschäftsbeziehungen aufgrund der Waffenembargos aber dann doch zu heikel, deshalb haben wir das lieber gelassen.
Text: Felix Klein
Fotos: Simon Eymann
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