Konfetti, viereckige Augen und jede Menge Begegnungen – Was für ein Spaß! Das 30. Dresdner Filmfest wurde letzte Woche gebührend gefeiert. SPIESSER-Autor Vincent hat sich es in mehreren Kinosesseln bequem gemacht. In einer österreichischen Tragikomödie hat er seinen Festival-Liebling gefunden.
27. April 2018 - 09:25 SPIESSER-Autor Kalendermensch.
Eigentlich bin ich weitestgehend Anti-Fashionist, wenn es um Nachbesprechungen diverser (Charity-)Galas geht, die in der Regenbogenpresse zu lesen sind. Mich nervt das einfach, diese übertriebenen Rezensionen von Abendkleidern und Ausschnitttiefen á la „Das lässt tief blicken“. Jedenfalls hat mich das Filmfest Dresden des Besseren gelehrt. Was für eine komische Überleitung? Wartet’s ab.
„Nach diesem Filmfest können wir alle wieder an die Zukunft
glauben.“
Journalistin Jenni Zylka, über die bekannt ist, dass sie bei der Berlinale mit George Clooney in der VIP-Lounge chillt, moderierte die Verleihung der Goldenen Reiter am Samstag. Diese bekamen Filmemacher, die besonders großartige Arbeiten vorgestellt hatten. Zylkas Kleid – ein Pailletten-Prunkstück. Diese Überleitung war nötig, denn es setzt eine schöne Pointe zur vergangenen Woche: das Dresdner Filmfest zeigte dieses Jahr schillernde, knallige, demonstrative und mitunter auch nebulöse Streifen zu unerschöpflichen Themen.
Pedicure, maybe?
„Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin“ heißt mein Liebling (Nationaler Wettbewerb Nr. 4). Lasst euch den Titel mal auf der Zunge zergehen. Da hat jemand feinen Humor. Der 23-minütige Spielfilm ist in einem Wellnesshotel in Tirol angesiedelt, das von den Alpen umgeben ist. Aron, ein junger Schwede, ist dort eigentlich auf Pärchen-Urlaub. Eigentlich. Seine Freundin verschwindet nach einem Streit ums Mineralwasser (!) spurlos. Bei der Pediküre ist sie nicht. Er sucht sie und dabei eventuell sich selbst, den Tischtennisraum jedenfalls auch.
Der österreichische Regisseur Bernhard Wenger konstruiert ein steriles Kammerspiel der besonderen Art, da er Wellnessurlaub als eine Skurrilität an sich betrachtet. Dabei achtet er auf die kleinsten Details und schafft wunderbar spleenige, fast schon verstiegene Bilder. Detailreich und mit ruhiger Kamera wendet er sich seiner stillen Hauptfigur zu, erzählt mit einfachen Mitteln große Geschichten. Etwa als Aron seinen Pullover nicht über den Kopf gezogen bekommt, ein Kurgast den Sprung in einem Schwimmreifen knapp verfehlt oder auch musikuntermalte Wassergymnastik mit Senioren. In der Familie, die Brötchen vom Frühstück heimlich in ihre Wanderrücksäcke packen, erkennen wir uns spätestens wieder.
„Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin“: Wellnessurlaub als eine Skurrilität an sich
Live-Karamellisieren
„Ich fürchte, wir haben das gar nicht bestellt“, sagt der spontane Freund Arons, während der Kellner ihm seine Crème brûlée live karamellisiert. Zusammen trinken die beiden Bier im violetten Entspannungsraum mit Bordellcharme, der mit atypischen Massagesesseln bestückt ist. Die Therme, in der diese Szene gedreht wurde, schreibt: „Tauchen Sie in eine Welt aus Klängen, Farben, Düften und Schwingungen ein.“ Alles klar. Das ist so abstrus, das es Spaß macht. Weil jeder diese Bilder kennt, nur hat sie noch keiner so attraktiv gefilmt. Nun stellt sich die Frage: Ist diese Welt ironisch zu sehen oder Realität? Machen wir so etwas wirklich? Wohl schon. Den Spiegel vorhalten, das wollen doch immer alle. Einen Goldenen Reiter gab es trotzdem nicht. Schade, denn „Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin“ ist eine ästhetisch anspruchsvolle Tragikomödie mit skurrilen Szenen, die aus Leichtigkeit im Gedächtnis bleiben. Übrigens, Spoiler-Alarm: den Tischtennisraum findet Aron. Seine Freundin war schon längst über alle Berge.
Tschüss, Filmfest Dresden, bis nächstes Jahr!
Dieser Streifen ist nur ein Beispiel von vielen Höhepunkten der 30. Ausgabe des Filmfests Dresden. In welchem Screening auch immer – jedes hatte seinen eigenen Puls. Menschliche sowie filmische Nervensägen gab es auch, wie immer. Kurzfilm wird expressiver, mutiger, differenziert sich von dem Konventionellen. Schlagen wir abschließend den Bogen zu Pailletten-Zylka bei der Preisverleihung. Ihr entwich nicht nur ein ulkiger Kabelbinder-Satz, sondern auch dieser: „Wenn ich junge Leute sehe, die schlaue Laudationen halten, dann fange ich an, wieder an die Zukunft zu glauben.“ Nicht nur dann. Denn nach diesem Filmfest können wir alle wieder an die Zukunft glauben.
Text: Vincent Koch
Bildmaterial: Filmfest Dresden, Oliver Killing, Dada Lin
Dir gefällt dieser Artikel?
auf Facebook teilen auf WhatsApp teilen auf Twitter teilen auf Google+ teilen
Schule durch, Abschluss in der Hand. Und jetzt? Was bleibt von den bis zu 12.000 Stunden, die jeder Mensch durchschnittlich die Schulbank drückt? Der Dokumentarfilm „Bildungsgang. Bildung neu denken.“ begleitet die Jugendlichen vom Verein Demokratische Stimme der Jugend e.V., die diese
Der Disney Channel feiert den Weltfrauentag – ihm zu Ehren findet am 11. März der „Superheldinnen-Tag“ statt. Euch erwartet ein Tag voller Girl-Power mit Heldinnen des Disney Channels sowie die Deutschland-Premiere des neuen Serienhighlights „Marvel Moon Girl und Devil Dinosaur“.
Die leicht frische Sommerkomödie, lädt euch nach Monaco und Frankreich ein. Bei der wohlhabenden Familie Bartek bekommt ihr einen klischeegerechten Einblick in die Herausforderungen der Erziehung reich-geborener Kinder. Mit „Meine schrecklich verwöhnte Familie“ reiht sich ein
In einer nicht allzu fernen Zukunft leidet die Menschheit genau unter den Problemen, von denen Wissenschaftler heute schon seit Jahrzehnten sprechen: Die Klimakrise ist im vollen Gange. SPIESSER-Autor Daniel hat sich "The Last Journey", die dystopische Vision in Spielfilmlänge angesehen.
Wie leicht lassen wir uns von radikalem Gedankengut verführen? Dieser Frage geht „Je suis Karl“ nach und erzählt die Geschichte einer aufkommenden jungen radikalen Bewegung. Ein aktuelles politisches Meisterwerk, dass auf eine junge Zielgruppe zugeschnitten ist. Ob Regisseur Christian
Wer nicht genug kriegen kann von tiefen Einblicken in die Berliner Gangsterwelt a la „4 Blocks“ oder „Skylines“, wird ohne Frage auch bei „Ein nasser Hund“ voll auf seine Kosten kommen. Daneben gibt es aber noch eine weitere Komponente, die den Streifen definitiv sehenswert
Mit seinem neuen Dokumentarfilm „Wer wir waren“ möchte Marc Bauder seinen Zuschauern einen Blick auf den derzeitigen Zustand unserer Welt präsentieren und die Botschaft vermitteln, dass wir es selbst in der Hand haben, wer wir sind. Doch schafft der Film das? SPIESSER-Autorin Katharina
Der Dokumentarfilm „GUNDA“ lässt den Zuschauer das Leben von Nutztieren nicht nur sehen, sondern auch erleben. Auf Augenhöhe begegnen wir den Protagonisten und dürfen uns fragen, welchen Platz wir ihnen in unserer Welt zuweisen - und wie wir diesen vor uns selbst rechtfertigen können.
Seit 1987 wird in Berlin im Rahmen der Berlinale der TEDDY Award für queere Filme verliehen. Auch in weiteren deutschen Großstädten wird durch Queerfilm-Tage oder während Filmfestivals der Fokus auf Filme rund um die LGBTQIA+ Community gelegt. Einige unserer Queerfilm-Empfehlungen
Zwischen Drama und Drogenthriller kommt dieser Film mit einem Flair aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts daher. Trotz klischeehaftem Cast überzeugt dieser Coming-of-Age Film mit seiner Nostalgie einer längt vergangenen heißen Sommernacht. Ob der Film es schafft sich genug abzuheben
Christiane Felscherinow, die in Berlin im Drogensumpf versinkt, ist so etwas wie die Symbolfigur für die Drogenszene der 70er und 80er Jahre. Die Geschichte von Christiane F. und ihren Freunden wurde nun in einer Serie neu interpretiert. Ob diese neue Fassung des altbekannten Stoffs geglückt
„Yes, God, Yes“ ist nicht nur der Titel des neuen Films von „Stranger Things“-Starlet Natalia Dyer, sondern auch der Ausruf, der unserem Autor entfuhr, als der Film endlich vorbei war. Sein Fazit: Seichteste Teenie-Unterhaltung mit so zarter Religionskritik, dass der Religionslehrer
Wie weit darf Kritik gehen? Der neue Kinofilm „Und morgen die ganze Welt“ behandelt ein brisantes Thema. Studentin Luisa kämpft für einen besseren Ort – was für sie bedeutet: weg mit der rechten Ideologie in Deutschland! Ob Gewalt, wie sie zeitweise im Film gezeigt wird,
Wer hat Bock auf eine optimale Mischung aus großen Gefühlen und bösen Gags? „Milla meets Moses“ bietet beides auf hohem Niveau! Die australische Indie-Perle dürfte allen gefallen, die sich auch jenseits vom Hollywood-Mainstream unterhalten lassen können.
Auf den Spuren der Straßenhunde Moskaus – am 24. September erscheint der Dokumentarfilm „Space Dogs“ in den deutschen Kinos. Er begleitet die Vierbeiner auf ihren Streifzügen bei Tag und Nacht und verknüpft die Aufnahmen mit historischem Filmmaterial der sowjetischen
Stell dir vor, du müsstest jemandem eine Sprache beibringen, die du selber nicht sprichst. Nun stell dir vor, dein Leben würde davon abhängen. In „Persischstunden“ erlebt Gilles genau das. SPIESSER-Autorin Annika hat den Film für euch gesehen.
Ein überraschend packendes und spannendes Biopic über eine starke Frau und ihre schwachen Momente. „Jean Seberg – Against all enemies“ vereint die Verfilmung der schwersten Zeit für die Schauspielerin mit dem Flair eines Verschwörungsthrillers und dem eleganten Charme
Kann ein Straftäter zum Heiligen werden? Oder ist diese intensive Verbindung zu Gott ausschließlich anderen vorbehalten? Wann haben Menschen Vergebung verdient und wann nicht? SPIESSER-Autorin Jasmin hat im Film „Corpus Christi“ versucht Antworten zu finden.
Wird der aus dem Kosovo stammende Xhafer in seinem Job absichtlich schikaniert oder verliert er langsam den Bezug zur Realität? Wieso SPIESSER-Auto Dominic vom Kinofilm „Exil“ (Kinostart: 20. August 2020) so angetan ist und an wen er ihn weiterempfehlen möchte, lest ihr hier.
Sommer, Sonne, erste Liebe – „Kokon“ begleitet die junge Nora durch eine Zeit voller Veränderungen. SPIESSER-Autor Daniel hat den Film für euch gesehen und ist froh, diese verwirrende Zeit, die im Film gezeigt wird, bereits hinter sich zu haben.
Brutalität, Leid, tausende Tote – all das sind Worte, die wir mit dem Krieg in Syrien assoziieren. Die meisten von uns kennen dies nur aus den Medien. Aber wie ist es, wenn man selbst mittendrin in diesem Krieg ist und vor allem: Wie kommt man wieder raus? All das sind Fragen, mit denen sich
Er möchte mehr als „Bett und Butterbrot“. Er möchte ein anständiges Leben führen. Er möchte gut sein. Vom Scheitern, Aufstehen und Weitermachen des geflohenen Westafrikaners Francis erzählt Burhan Qurbani in seinem Film „Berlin Alexanderplatz“. Ob
Stell dir vor, du hast eine unheilbare Krankheit und siehst keinen Lebenssinn mehr. Was würdest du tun? „Suicide Tourist – Es gibt kein Entkommen“ greift das schwierige und kontroverse Thema begleiteter Suizid auf. SPIESSER-Autorin Lara hat der Film noch eine Weile beschäftigt.
Surreal, teils düster, schwarz-weiß: Unter der Regie von Carlos A. Morelli kommt ab 25. Juni „Der Geburtstag“ in die Kinos. Ein gelungener Kontrast zum sonstigen Kinoprogramm, findet SPIESSER-Praktikantin Lara und hat den Film für euch genauer unter die Lupe genommen.
Eine Bushaltestelle irgendwo in Brandenburg. Zwei Männer, die auf'n Bus warten und dabei mit einem Dosenbier offen und ehrlich über ihr Leben sprechen. Was traurig klingt, überrascht mit vielseitigen und witzigen Dialogen.
Inspiriert von Deborah Feldmans Memoiren „Unorthodox – die skandalöse Ablehnung meiner chassidischen Wurzeln“ erzählt die am 26. März startende Netflix-Serie die Flucht und die Befreiung der jungen Esthy. Dass es einen Unterschied zwischen Flucht und Befreiung gibt, wird
Wenn aus Nachbarn Gegenspieler werden: Der ZDF-Dreiteiler (Romanverfilmung von Juli Zeh) nimmt die Zuschauer mit in den Mikrokosmos Dorfleben in Brandenburg, erzählt über Windkraftenergie und das alltägliche Leben.
In einander verwebte Schicksale im apokalyptischen Setting – „8 Tage“ hat Autor Kevin in vielerlei Hinsicht überzeugt, auch wenn die Serie in den ersten Folgen eine Schwelle birgt. Hat man die passiert, ist man jedoch „am Ende sogar etwas traurig, dass es nicht zwölf Tage waren.“
Back to the 70ies in ein Bisschen gruselig – „Scary Stories to tell in the Dark“ von Guillermo del Toro erscheint am 12.3. auf DVD und Blu-ray. SPIESSER-Autor Moritz konnte sich fürs Setting begeistern, vermisste aber den Grusel- und Horrofaktor.
In „Spides“ trifft Science Fiction auf Hauptstadt, die zum Schauplatz einer düsteren Verschwörung wird, irgendwo zwischen Gut und Böse. SPIESSER-Autorin Sophia fasst die ersten drei Folgen der Serie zusammen: undurchsichtig, creepy, weird.