Markus Kollberg, 18, gönnte sich nach dem Abi einen wohlverdienten Urlaub und will im Anschluss direkt an die Uni
Es ist ein heißer Julitag, die Luft flimmert vor Hitze, klassische Musik dröhnt aus den Lautsprechern der Turnhalle. Während meine 132 Mitschüler und ich ins Freie strömen, wird mir bewusst, dass die Schulzeit nun endgültig vorbei ist. Nie wieder Doppelstunden Mathematik, nie wieder unangekündigte Tests, nie wieder Kursfahrten, Wandertage oder spontane Freistunden mit Bestellungen beim Pizzalieferdienst.
Unser Direktor gibt uns mahnende Worte mit auf den Weg. Er spricht vom Ernst des Lebens, von Pflicht und Verantwortung. Vor der Tür warten unsere Familien auf uns. Wir ernten anerkennende Schulterklopfer, herzliche Umarmungen und hören immer wieder dieselbe Frage: Und jetzt? Nach all den Fragen, die es in zwölf Jahren Schule zu beantworten galt, ist diese letzte die mit Abstand schwierigste.
Statt mich damit auseinanderzusetzen, wähle ich den einfacheren Weg und ruhe mich erst mal richtig aus. Doch so schön dieser Zustand des Nichtstuns auch sein mag, nach zwei Wochen habe ich die Nase gestrichen voll. Ich habe alle Staffeln „How I met your mother“ gesehen und kann die Dialoge zwischen Ted und Barney sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch fehlerfrei mitsprechen. Ich habe genug vom McLaren's Pub – es wird Zeit, dass ich mal wieder eine richtige Bar von innen sehe. Also wechsle ich in den Party-Modus. Ab sofort heißt es: Feiern bis in die Puppen, ohne am nächsten Morgen früh aufstehen zu müssen. Und als Volljähriger komme ich nun auch zum ersten Mal überall legal rein. Doch an Tag drei stellt sich heraus: Feiern ist teuer und außerdem ist unter der Woche nichts los in der Stadt. Und während der Rest meiner Freunde noch ein wenig in den Clubs verweilt, brauche ich einen Tapetenwechsel.
Es ist Zeit für die große, weite Welt – oder in meinem Fall für Ostseeküste und Steiermark, mehr als das und Couchsurfing gibt mein Geldbeutel nicht her. Parallel zum Kofferpacken schaue ich mir Unis an und verschicke fleißig Bewerbungen. Denn etwas wird mir klar: Selbst wenn ich ein ganzes Leben lang Zeit hätte, um Erfahrungen zu sammeln, besäße ich nie den Mut, einfach ein Jahr ins Ausland zu verschwinden oder mich als Tagelöhner zu verdingen. Sicherlich kommen viele junge Leute selbstbewusst und mit vielen guten Erfahrungen aus dem Ausland zurück. Doch mindestens genauso oft höre ich Geschichten über Bettwanzen, Arbeitslosigkeit und Heimweh. Natürlich kann sich meine schlussendlich getroffene Variante, mich sofort ins Studium zu schmeißen, als falsch erweisen. Allerdings sitze ich lieber unglücklich in einem Hörsaal, als im Dschungel von Nicaragua.
Während ich in meiner völlig verdreckten WG auf dem Sofa einschlafe, denke ich darüber nach, wie schön es wäre, wenn das ganze Leben eine einzige große Abschlusszeit wäre. Ein Leben lang hin und hergerissen zwischen Alt und Neu, zwischen Abschied und Entdeckung, zwischen Verlieren und Finden. 80 Jahre lang könnte man sich täglich umentscheiden, beliebig oft das Studienfach wechseln und jeden Tag ausschlafen. Trotzdem müsste man sich keine Sorgen um die Zukunft machen, schließlich hat man einen Abschluss. Wer weiß, vielleicht packt mich doch irgendwann das Fernweh …
Lena Buhl, 17, flog zu einem Schauspielwettbewerb nach L.A. und hat dafür nach der Schule wie verrückt gejobbt
Hallo Mama,
ich hab es geschafft, ich bin in Los Angeles! Und es ist genauso riesig, wunderschön und belebt, wie ich es mir vorgestellt habe. Die meiste Zeit hänge ich mit den Mitgliedern der Teams zusammen. Vorhin sind wir gemeinsam die Hollywood Hills hinauf zum berühmten Hollywood-Schriftzug gewandert, danach ging es shoppen. Als ich mir ein süßes Top gekauft habe, musste ich grinsen – endlich stand ich mal wieder als Kunde an der Kasse. Nie mehr Kassieren, Klamotten zusammenlegen, Lager aufräumen und Spiegel in den Umkleidekabinen putzen. Meine Aushilfsjobs waren so anstrengend! Doch wenn ich hier so am Strand liege und mich auf die kommenden Tage freue, weiß ich: Jede einzelne Arbeitsstunde als Kassiererin, Tanzlehrerin, Übersetzerin und Aushilfe im Pflegeheim hat sich gelohnt.
Morgen beginnen endlich die Weltmeistersch aften der Darstellenden Künste – der Grund, warum ich all die Strapazen auf mich genommen habe. Heute Abend will ich meine Auftritte nochmal durchgehen – die Monologe für den Antritt als Schauspielerin, meine Songs für das Singen, Tanzen und Rappen und den Modelwalk. Nachdem ich gestern noch Tipps von der Leitung unseres deutschen Teams bekommen habe, fühle ich mich mehr als bereit für die Bühne! Wenn ich in zwei Wochen wieder nach Hause fliege, hoffe ich, eine Medaille und am besten noch ein Schauspielstipendium im Gepäck zu haben. Mir ist klar, dass ich mehr als 3.000 Mitstreiter habe, doch trotzdem und gerade deshalb werde ich alles geben und um die Goldmedaille kämpfen! So, jetzt springe ich erst mal in den Pool und hoffe, dass ihr mir die Daumen drückt !
Liebe Grüße von der Westküste!
Eure Lena
Ronja Lutz, 19, reist per Anhalter durch England, will dort studieren
Hallo Mama,
entgegen allen Erwartungen bin ich wohlauf. Ich weiß, dass es dir Angst macht, mich so ohne Plan losziehen zu sehen. Aber ich habe sogar ein Dach über dem Kopf. Allerdings kleben meine Socken von all den verkippten Getränken. Gerade habe ich mich aus dem winzigen Zimmer geschlichen, das ich mir mit Alixe, Manon und einer weiteren Couchsurferin teile. Alixe hat mir die Hälfte ihres schmalen Betts überlassen. Manon hat es mit ihrem Schlafplatz auf dem Fensterbrett besser getroffen. Während ich dir schreibe, sitze ich inmitten eines Gläserfriedhofs in der Küche des Studentenwohnheims. Ich bin heilfroh, dass ich nicht zu diesen Studienanfängern gehöre, die jeden Abend lärmend durchs Haus ziehen und sich besaufen. Eine seltsame Art, seine neue Freiheit zu genießen. Da gefällt mir meine Weise, via Autostop quer durch die Welt zu reisen, viel besser.
England und Cornwall haben wir schon abgegrast. Unser Trip begann an einem grauen Tag nahe des Hafens von Southampton, in übergroßen Regenjacken und mit einem Blatt Papier in Klarsichtfolie. Darauf schrieben wir „THE WEST ". Von dort aus hangelten wir uns im rasanten Tempo über die Straßen und blieben manchmal in kleinen Nestern stecken. Dann kam unser „raus hier"-Schild zum Einsatz. Als wir eines Abends noch um neun Uhr an einer Tankstelle standen, spielten wir schon mit dem Gedanken, im Gebüsch zu übernachten, als ein Ehepaar in den Fünfzigern aus einem schwarzen Auto stieg. Sie lieferten uns zwanzig Minuten später in einem Hotel ab, das wir nicht mal bezahlen mussten. Dazu bekamen wir eine Plastiktüte mit abgepackten Sandwiches, Chips und Wasser.
Ich staune immer wieder, wie viele verschiedene Leute uns helfen. Ein Mann erzählte uns, dass er nach zwanzig Jahren Militärdienst in Frührente gegangen war und seitdem zum Spaß Pickups zusammenbaut. Er fuhr sogar eine Stunde mehr, um uns bis an die Grenze von Cornwall zu bringen.
Gegen Ende der Woche wollen wir in London ankommen. Dann verlässt Manon mich
und ich reise alleine nach Oxford für den Uni-Eingangstest. Die Idee, hier Philosophie zu studieren, kommt mir immer noch verrückt vor, aber inzwischen glaube ich an Verrücktheiten. Ob ich es schaffe, ist eine andere Frage, aber ich will es zumindest probieren. Mein Englisch ist auf jeden Fall schon tausendmal besser als in der Schule.
Ich versuche, bald wieder zu schreiben!
Deine Ronja
Nina Beier, 20, macht ein zehnmonatiges Redaktionspraktikum in Kanada, will danach Physik studieren
Hallo Ailien,
ich grüße dich aus dem fernen Kanada! Momentan bin ich für ein paar Tage beim Banff World Media Festival und es ist definitiv das Highlight meines bisherigen Aufenthalts. Wir drehen hier eine Sendung für unsere deutsch-kanadische Fernsehshow – und ich habe gefilmt! Ist das nicht cool?!
Es ist schön, endlich mal aus Vancouver rauszukommen, auch wenn ich diese Stadt mit dem Blick auf das Meer liebe. Ich bin mit meinem Chef und meinen Kollegen morgens um halb sieben losgefahren und erst abends um neun Uhr angekommen. Statt ins Bett zu gehen, schauten wir noch auf der Netflix After Party vorbei. Aber ich bin ja nicht zum Urlaub machen, sondern zum Arbeiten hier. Trotz der gelegentlichen Strapazen macht es mir unheimlich viel Spaß. Ich weiß mittlerweile, dass zu einer Sendung eine ganze Menge dazugehört: Interviews arrangieren, Tagespläne erstellen und – ganz wichtig – Social Media Networking. Vor der Kamera stehe ich inzwischen auch ganz gerne. Ich hatte aber auch ein paar eigene Projekte, zum Beispiel das „Happy“-Video für Vancouver, das ich mit einem anderen Praktikanten zusammen produziert habe. Es hat inzwischen über 35.000 Views. Hast du es schon
gesehen?
Zeit zum Reisen habe ich mir leider nicht genommen. Da muss ich Kanada wohl wieder einen Besuch abstatten. Vielleicht in einem Auslandssemester? Übrigens habe ich mich entschlossen, im Oktober mit dem Physikstudium zu beginnen und der Chemie den Rücken zu kehren. Das ändert allerdings nichts an meinem Plan, später in den Wissenschaftsjournalismus zu gehen.
Ich vermisse dich und alle anderen, aber zum Glück sehen wir uns in einem Monat wieder. Wenn ich nur an leckeres dunkles Brot aus Deutschland denke ...
Bis bald, deine hungrige Nina
Benjamin Scholz, 20, FSJler in Indien, bringt kleinen Kindern Gitarre spielen bei
Liebe Oma,
viele Grüße aus Delhi! Hier ist es gerade kurz nach 16 Uhr und ich sitze fix und fertig von meinem sechsstündigen Arbeitstag in der Metro. Eine Viertelstunde lang kann ich mich abkühlen, bevor ich mich durch 45 Grad Celsius nach Hause kämpfe. Immerhin weiß ich jetzt unseren milden Sommer in Deutschland zu schätzen!
Meine Gastfamilie kümmert sich gut um mich, du brauchst dir keine Sorgen machen. Zwar sprechen sie nur Hindi, das ich nur brockenweise beherrsche, aber mein Gastbruder Gagan hilft mir hin und wieder aus der Patsche. Jeden Morgen macht mir der Diener ein Frühstück. Heute gab es Parathas, gefüllte Fladenbrote mit Joghurt – sehr lecker! Trotzdem vermisse ich frische Brötchen mit Marmelade und deine köstlichen Quarkplätzchen.
Heute stand die Activity Class auf meinem Programm. Ich war in der Puppenklasse, um mit einer Lehrerin zusammen die Schüler zu beaufsichtigen. Besser gesagt: Ich bastelte selbst an einer Marionette. Wenn ich nicht gerade Blödsinn mit den Kindern mache, bringe ich ihnen etwas Englisch und Gitarre spielen bei. In diesen Momenten
bin ich wie ein großer Bruder für sie. Einmal sangen rund 30 Jungen voller Inbrunst den Bollywood-Song „Tum Hi Ho“ – das war ein echter Gänsehautmoment. So etwas kannte ich bisher nur von dir, wenn du deine Schlager singst, Oma!
Du siehst, auch wenn der Alltag oft recht verschwitzt ist, gibt es immer wieder schöne Momente, für die sich all das lohnt. Es ist, wie ich es mir vorgestellt habe: Ich habe in diesem Dreivierteljahr mehr gelernt als in zwölf Jahren Schule und schon mindestens soviel geschwitzt.
In drei Monaten sehen wir uns wieder, Oma. Ich freue mich!
Bis bald, Benjamin
Leonie Hochrein, 20, reist quer durch Europa, sucht nach dem Sinn des Lebens
¡Hola mi amor!
Nach einer abenteuerlichen Busfahrt in einem Land, dessen Sprache ich nicht spreche, bin ich irgendwie in Coín gelandet. Ich vermisse dich wahnsinnig, aber sonst fehlt mir rein gar nichts. Ich habe mich ins Unterwegssein verliebt. Und in die 20 Pferde, sieben Hunde und circa elf Katzen, mit denen ich hier lebe. Keine Sorge, es ist nicht halb so chaotisch, wie es klingt. Den Hof führt ein englisches Pärchen. Je nach Kapazität nehmen sie verwahrloste Tiere auf, was hier in Spanien leider bitter nötig ist. An meinem zweiten Tag haben wir Hundewelpen in der Mülltonne entdeckt, gerade geboren und noch knapp am Leben. Wir konnten sie retten.
Die Arbeit rund um den Hof ist hart und geht nie aus. Jeden Tag muss ich ausmisten, die Pferde versorgen und trainieren. Trotzdem kann ich von der heißen Dezembersonne nicht genug bekommen und bin einfach glücklich, dass alles, was ich tue, unbestreitbar sinnvoll ist. Es ist genau das, was mir während der Schule gefehlt hat – der Sinn. Neben meinen „Hosts“ ist noch eine andere Freiwillige aus Finnland hier. Ich hatte noch nie so offene und inspirierende Gespräche über Lebensentwürfe, Perspektiven und Pläne. Und hast du schon mal zum Frühstück selbst gepflückte Granatäpfel und Mandarinen gegessen?!
Du glaubst nicht, wie befreiend es ist, nur das zu tun, was ich möchte. Einfach frei entscheiden zu können, wo ich sein will. Aber da ist diese Stimme in meinem Kopf, die sagt: So herumvagabundieren, das ist doch nichts. Wie macht sich das denn im Lebenslauf? Und überhaupt des Kindergeldes wegen solltest du dir schleunigst was ausdenken! Aber als ich zum ersten Mal ohne Plan an einer gottverlassenen Haltestelle saß, kam mir der Gedanke, wie irrwitzig die Überzeugung ist, dass glücklich zu sein geringer geschätzt wird als Sicherheit. Hier bin ich keine unbezahlte Arbeitskraft, wie befürchtet, sondern ein vollwertiges Familienmitglied und lerne unglaublich viel. Über Pferde. Und über mich. Kein Rückreisedatum zu haben, ist mein größter Trumpf. Und in mir festigt sich langsam eine Idee davon, wie ich leben will. Ich kann es kaum erwarten, gemeinsam mit dir zu reisen.
Kuss! Leonie
Und welcher Abschluss-Typ bist du?
Mach unseren Abschluss-Test und finde es heraus!
Klick´ dazu einfach links auf das Vorschaubild, um dir den Test anzeigen zu lassen und ausdrucken zu können.
Teaserbild: Frank Grätz