20 Jahre nach der Wende hat Herr W. die DDR längst vergessen. Erst durch eine Einladung zur Podiumsdiskussion unterdrückter Untergrunddichter wird er wieder mit ihr konfrontiert. Angeblich soll W. in seiner Jugend ein gefürchteter Dichter gewesen sein, dessen Schreiben von der Stasi überwacht wurde. W. hält dies zunächst für einen Irrtum. Er kann sich weder an irgendwelche staatszersetzenden Texte, noch an seine Jugend generell erinnern. Ungläubig nimmt er Einsicht in seine Stasi- Akte. Und findet- neben gesammelten Liebesgedichten an Liane aus dem Westen- die Erinnerung an seine Jugend wieder.
Zehn Jahre von W.s Jugend lassen sich an Hand der Akte verfolgen. Eine Zeitreise in die DDR, die Wieland so witzig und lebendig erzählt, dass man glaubt, man wäre dabei gewesen. Ein Buch, das zeigt, dass man auch über die DDR mal lachen darf.
Interview mit Rayk Wieland
1.Ich schlage vor dass Sie Ihr Buch in einem Satz zusammenfassen. Wenn man es inhaltlich sagen will: Es ist eine moderne Romeo-und-Julia-Geschichte, aber nicht wie bei Shakespeare mit verfeindeten Familienclans im Hintergrund, sondern mit verfeindeten Staaten, Blöcken, ja Weltsystemen, die sich bis an die Zähne bewaffnet und zum Krieg bereit gegenüberstanden.
2.Auf dem Umschlag Ihres Buches steht: „Diese Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. Die DDR hat es wirklich gegeben.“ Aber Spaß beiseite, in wie weit ist Ihr Buch eine Autobiographie?
Also, dieser Satz steht ja da, weil ich den Satz, der normalerweise da steht, langweilig fand. Tatsächlich beruht das Buch auf ein paar wahren Begebenheiten, nämlich wirklich der Existenz der DDR, wie sie mir noch in Erinnerung ist, und einigen Details aus meinem Leben. Es gibt auch bei mir eine Stasi-Akte, es gibt auch bei mir Briefe, die von der Stasi abgefangen und bewertet worden sind. Alles andere ist allerdings im Roman, eben sehr romanhaft, verändert. Die einzig reale Figur in einem Kapitel ist Karl Werner Plath, der ein echter, sehr schräger unbekannter Untergrunddichter in der DDR war. Ihm wollte ich ein kleines Denkmal setzen.
3.Fanden Sie Ihre Elektriker-Lehre im wahren Leben auch so öde, wie im Buch beschrieben? Sie war noch öder, regelrecht ödst! Ich habe überlegt, ob ich im Buch eine Tischlerlehre daraus machen soll oder ein Biologiestudium beschreibe. Doch das war mir zu albern, diese Fiktionalisierung, so dass ich mir gedacht habe, bevor ich herumrecherchiere, wie Biologen mit Botanisiertrommel durchs Gebüsch dackeln, schreibe ich lieber, was ich kenne, was ich wirklich erlebt habe. Natürlich auch, um eine autobiographische Fährte zu legen, das macht die Lektüre immer interessanter.
4.Und den Titelsatz, haben Sie den tatsächlich schon einmal gesagt? Der ist meiner Fantasie entsprungen. Aber man kann oft, wenn man bestimmte Dinge aufschreibt oder lange genug erzählt, nicht mehr so genau unterscheiden, was wirklich war und was nur erfunden. So weiß ich nicht genau, ob ich den Satz früher vielleicht nicht doch geäußert haben könnte. Ich habe inzwischen so viel aus dem Buch gelesen und so viel davon erzählt, dass es mir wie ein Teil meiner Biographie vorkommt.
5.Haben Sie denn heute noch Kontakt mit der Liane aus Ihrem Leben? Ja doch, mit der Liane aus dem echten Leben gibt es noch echten Kontakt.
6.Was ist aus Ihrem Buch Ihre Lieblingsszene? Die Lieblingsszene aus meinem eigenen Buch? Hm. Räusper. Ich glaube, die Lieblingsszene ist eine ..., eine Sex- Szene. Am Ende des Buches ... Meines Erachtens eine der schärfsten und gewagtesten Sexszenen der Literatur überhaupt, ohne dass einschlägig bekannte Wörter vorkommen. Auf die Szene bin ich nicht unstolz. Sie ist so explizit, dass ich mich noch nicht getraut habe, sie vorzulesen.
7.Sehen Sie Ihr Buch als Wenderoman- so wie es manche bezeichnen? Nö, ich seh’ das nicht als Wenderoman. Dieser Begriff, Wende, der klingt wie beim Radsport oder Schwimmen. Da kommt die Wende und danach geht’s auch sofort weiter. Ich wollte nie einen Wenderoman schreiben. Stasi und DDR sind auch nur ein äußeres Thema der Geschichte. Eigentlich geht's ja darum, was aus einer Zeit und Jugend geworden ist, die wie verschollen wirkt. Was für Erinnerungen da sind, was von den Menschen geblieben ist, mit denen man sehr viel Zeit verbracht hat. Die Stasi ist nur eine Art Pappkamerad, der es einem einfacher macht, darüber zu schreiben.
8.Viele Jugendliche interessieren sich sehr wenig für die DDR-Geschichte. Wie würden Sie gerade jungen Lesern die DDR und die Wende vermitteln? Die Wende ist jetzt 20 Jahre her und für Jugendliche so weit weg wie nur irgendwas. Da gibt’s keinen pädagogischen Trick, wie man das spannender oder origineller machen sollte. Fast jeden Tag taucht die DDR in irgend einer Form in den Nachrichten auf, man kommt kaum drum herum, sich zu überlegen, was für ein Land das war, ob es zu Recht oder zu Unrecht untergegangen ist und was man mit diesem Erbe anfängt. Ich glaube, man muss da nicht pädagogisch intervenieren. Bei den jungen Leute unterscheidet sich das Thema DDR ja nicht von anderen Themen. Die wissen womöglich auch nicht mehr viel über die Weimarer Republik oder die Schlacht auf dem Eise des Peipussees.
9.Was sagen Sie, wenn Ihnen jemand vorwirft, Ihr Buch würde die DDR verharmlosen? Bisher gab’s eine einzige Kleinstadt, in dem man mir vorgeworfen hat, dass mein Umgang mit der Mauer zu flapsig sei – Hannover. Dort weiss man natürlich alles viel besser. Klar ist aber: Es gibt genügend kritische und aufwühlende Bücher über den sogenannten Unrechtsstaat, es müssen ja nicht alle Bücher ins selbe Horn stoßen. Ob ich die DDR verharmlose? Die DDR war ja von sich aus ziemlich harmlos. Sicher wurden in den 50er, 60er und 70er Jahren Leute wegen Bagatellen verhaftet, es gab Schikanen ohne Ende. Aber am Ende war alles harmlos.
10.Sie sehen also Ihr Buch als Gegengewicht zu diesen „Mauer-Trauer“ Büchern, wie Sie sagen, und Filmen wie „Das Leben der anderen“? Der Film hat mich sehr geärgert. Daraufhin habe ich das Buch auch u.a. geschrieben. Weil ich die DDR-Darstellung dort sehr schematisch, sehr langweilig und sehr schwarz-weiß fand. Besonders der Stasioffizier, den Ulrich Mühe spielt, hat mich genervt. Wie er da auf dem Dachboden sitzt und nach der Lektüre eines Brecht-Gedichtes die Seiten wechselt – das war mir wirklich zu blöd. Mein Stasi-Spitzel im Buch ist ein Zocker, Zuhälter und Zampano, der die Hauptfigur so nebenbei bespitzelt. Aus Geschäftsgründen. Ein schillernder Typ und gleich viel lebendiger als in dieser Kindergartenstory, wo hier die Guten und Lieben sind und da die Bösen von der Stasi.
11.Was würden Sie denn gerne von den SPIESSER- Lesern wissen? Wenn Ihr mal eine Zeitreise machen könntet in die DDR – was würdet Ihr unternehmen? Wie lange würdet Ihr bleiben? Wohin würdet Ihr fahren?
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https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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[Bild:1]
Viel Spaß
mxk
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