SPIESSER-Autorin Leonie studiert Kunst-Pädagogik-Therapie. Was man damit mal beruflich machen kann, wie ihr Studium eigentlich aussieht und warum um alles in der Welt sie nicht lieber etwas "Vernünftiges" studiert, erfahrt ihr hier.
23. April 2015 - 16:40 SPIESSER-AutorIn anonymer Nutzer.
Ich sitze vor einem Blatt Papier. Es ist mit unterschiedlich farbigen Klecksen übersäht. Ich überlege: Geborgenheit – welche Farbe drückt wohl Geborgenheit aus?!
Hier sitzt Leonie also und malt. Für sie
die Erfüllung, für andere völlig
unverständlich.Foto: Marie Borger
Noch vor zwei Jahren war ich der Überzeugung, dass ich um diese Zeit in veterinärmedizinische Studien vertieft und im Klausurstress sein würde. Mit einem 1er Abi-Schnitt und meinen Erfahrungen als Pferdetrainerin lag ein Tiermedizinstudium einfach nahe. Dass Kunst meine große Leidenschaft ist, wusste ich zwar damals auch schon, aber das Hobby zum Beruf machen? Davon rieten mir viele ab. „Mensch, bei deinen Noten! Da willst du wirklich sowas brotloses studieren?!“, hörte ich oft.
Ein Jahr reisen und arbeiten waren nötig für mich, um – entgegen vieler Erwartungen – meinem Herz statt der Vernunft zu folgen. Ich gab meinen Studienplatz der Tiermedizin in München auf und bewarb mich stattdessen in Alfter bei Bonn für den Bachelor Kunst-Pädagogik-Therapie (KPT).
Persönlichkeitsentwicklung inklusive
Ich habe es nicht bereut: Mein Studium macht mich glücklich. Ganze 23 Personen zählt mein Jahrgang an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft. Drei Tage die Woche verbringen wir mit „künstlerischer Praxis“: Neben einer soliden Grundausbildung in den verschiedenen künstlerischen Disziplinen Malen, Zeichnen, Bildhauerei, Fotografie und Druckgrafik erfahren wir, wie es sich anfühlt, in einem künstlerischen Prozess zu stecken – Persönlichkeitsentwicklung inklusive sozusagen. In den höheren Semestern weicht der Blockunterricht dann eigenen Projektarbeiten. Begleitet wird das Kunstschaffen von Vorlesungen und Seminaren zu Kunstgeschichte und Kunstwissenschaft, Pädagogik und ersten Einblicken in die Kunsttherapie. Praxiserfahrung in möglichen späteren Berufen bekommen wir durch mehrwöchige Praktika in Schulen und einer therapeutischen Einrichtung.
Blick über den Tellerrand als Pflichtfach
Im Studium lernt Leonie alles über die künstler-
ischen Disziplinen, auch das Bildhauen. Foto: Marie Borger
Das Besondere an der Alanus Hochschule ist nicht nur mein Studiengang, den es in vergleichbarer Ausführung nur noch in Nürtingen bei Bremen gibt, sondern auch der anthroposophische Hintergrund – möglichst ganzheitliche Bildung und Interdisziplinarität wird hier großgeschrieben. So steht für alle angebotenen Studienfächer das „Studium Generale“ mit Inhalten aus Kunst, Philosophie und Gesellschaftswissenschaften auf dem Stundenplan. Theoretische Inhalte sollen nach Möglichkeit auch praktisch erfahren und angewendet werden.
Für Leute wie mich, die sich weder direkt für ein Studium auf Lehramt noch das der Freien Kunst entscheiden wollen, bietet der Bachelor KPT die ideale Orientierung, sich in einem Masterstudiengang als Kunstlehrer, Künstler oder Kunsttherapeut zu spezialisieren. Kunsttherapie beschreibt übrigens das begleitete kreative Schaffen, das zur Ressourcenförderung und der Behandlung psychischer Krankheitsbilder angewandt wird. Mit dem Bachelor KPT selbst kann man eine „außerschulische Lehrtätigkeit“ beispielsweise an Volkshochschulen ausüben, Freizeitgestaltung anbieten oder sich als freischaffender Künstler versuchen.
Die Mappe macht's
Im Atelier der Hochschule können sich Leonie
und die anderen Studenten kreativ austoben. Foto: Marie Borger
Die Entscheidung für einen künstlerisch-orientierten Beruf erfordert nicht nur Leidenschaft und Mut, auch künstlerisches Interesse und Begeisterung sind in den Bewerbungsverfahren für einen Studienplatz gefragt: Viele Unis und Kunsthochschulen setzen neben einer überzeugenden Mappe mit künstlerischen Arbeiten auch das Bestehen einer praktischen Eignungsprüfung voraus. Man sollte also mehrere Monate Zeit im Vorfeld einplanen, um sich gründlich vorzubereiten und die Zugangsvoraussetzungen zu meistern. Informieren kann man sich am besten bei den Hochschulen selbst. Neben dem Besuch von Studieninfotagen lohnen sich auch die Mappenberatungen, die an fast allen Unis angeboten werden.
Dunkelblau symbolisiert übrigens Geborgenheit für mich. Eine weitere Erkenntnis, neben der, dass die Lust auf einen Beruf für mich wichtiger ist, als sein ordentlicher Ruf. Dafür nehme ich liebend gern in Kauf, immer wieder zu erklären, was man denn da eigentlich macht, mit diesem Kunstkram.
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