Bei der Hinreise habe ich in München gerade noch die S-Bahn nach Starnberg erreicht. Da es schon stockdunkel war, versuchte ich an den Haltestellen die Bahnhofsschilder zu lesen, um ja nicht den Bahnhof in Starnberg zu verpassen. Während der Fahrt hielt ich schon nach anderen Jugendlichen mit Reisegepäck Ausschau. Als ich aus dem Bahnhof in Starnberg trat sah ich eine Gruppe von fünf Jugendlichen, die mit Rucksack und Reisetasche am Ausgang standen und warteten. Ich war froh als sie bejahten, dass sie auch zum Young Leaders Jugendpressekongress wollten. Ein groß gebauter schwarzhaariger Junge brach das Schweigen und stellt sich mit norddeutschem Akzent als Malte aus Itzehoe vor. Im selben Augenblick kam auch schon ein weißer VW Bus mit Fahrer in Uniform, der direkt vor uns hielt: „Zum Jugendpressekongress?“
Im Dunklen erreichten wir nach kurzer Fahrt unser Ziel. Da der Kongress diesmal in Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsministerium durchgeführt wurde, fand er in der Führungsunterstützungsschule der Bundeswehr in Feldafing statt. Am modernen Kasernen Eingang wurde für uns die Schanke aufgemacht und wir fuhren auf das dunkle Kasernengelände, jetzt alle schweigsam und unsicher was uns dort erwarten würde. Der Bus hielt vor einem hell erleuchteten Gebäude. Wir traten in das Foyer der Kantine, die so gar keinen militärischen Eindruck machte. An einem Stand reichten uns zwei junge Young Leaders Mitarbeiter farbige Mappen mit den wichtigsten Unterlagen für dieses Wochenende. Als Gruppe gingen wir zur Essensausgaben und beim Essen unterhielten wir uns darüber, was uns wohl am nächsten Tag erwarten würde. Nur Malte hatte bereits bei einem Radioworkshop der Young Leaders GmbH mitgemacht. Die Young Leaders GmbH sieht ihre Aufgabe darin, engagierte Jugendliche zu unterstützen und zu fördern. Der soziale Aspekt ist bei den Young Leaders sehr wichtig. Für die Teilnahme muss man sich bewerben und das wichtigste Kriterium, um als Teilnehmer ausgewählt zu werden, ist das soziale Engagement.
Am Samstagmorgen trafen wir uns nach dem Frühstücksbuffet in der Kongresshalle neben der Kantine. 130 Teilnehmer standen in kleinen Gruppen und unterhielten sich angeregt. Jeder hatte eine farbige Mappe im Arm, rot, blau oder grün. Die Farbe der Mappe bezeichnete die drei verschiedenen Arbeitsgruppen. Schon bei der Bewerbung hatten wir wählen können, in welcher der drei Arbeitsgruppen „Kongress-Fernsehen“, „PR-Zeitung“ und „Kongress-Webmag“ wir arbeiten wollten. Ich hatte mich für den Bereich Fernsehen entschieden, da ich schon Erfahrungen im Filmen von kleinen Beiträgen hatte. Ich war sehr motiviert, als ich die Bestätigung bekam, dass ich in meiner Wunschgruppe arbeiten konnte.
Eine Frau mittleren Alters, ergriff ein Mikrofon und bat um unsere Aufmerksamkeit. „Wir fangen jetzt mit den Arbeitsgruppen an. Hier sind die drei Experten, die Euch eine Einführung geben werden.“ Jeder von diesen Experten hielt eine farbige Mappe in die Höhe. Alle Teilnehmer ordneten sich schnell ihrer Arbeitsgruppe zu und folgten im Gänsemarsch dem Experten in jeweiligen Besprechungsraum. Meine Gruppe hatte die roten Mappen und Christian Friedewald von Bild.de als Mentor. Als wir in dem etwas größeres Klassenzimmer mit Tafel Platz genommen hatten, lies Herr Friedewald erst gar keine steife Atmosphäre aufkommen „ Hallo ich bin der Christian“, fing er an, „ich schlage vor wir Duzen uns hier alle.“
Nach dem sich jeder kurz vorgestellt hatte, fragte Christian, was wir uns unter Journalismus vorstellen würden. Alle Ideen, die wir ihm zuriefen, wurden an die Tafel geschrieben. Dann ging Christian Friedewald auf die Grundelemente einer Nachrichtenreportage ein, als wichtiges Beispiel für eine journalistische Arbeit. Als es an die Verteilung der Aufgaben ging, wollte fast jeder einer der beiden Moderatoren sein. Bei der Auslosung hatte ich zwar kein Glück, war aber dann doch ganz zufrieden, dass ich dem stattdessen in die Gruppe kam, die ein Interview mit dem Standortkommandanten vorbereiten und führen sollte.
Mit den Worten „Auf wir sind spät dran“ beendete Christan Friedewald diese Gruppenphase. Wir beeilten uns, um es noch zum Vortrag des Geschäftsführers der Young Leaders GmbH zu schaffen, waren dann aber die ersten in dem großen Saal. Am lieben wären wir schon in die Kantine gegangen, aber der Vortrag war eine Pflichtveranstaltung. Wir unterhielten uns angeregt und merkten zuerst gar nicht den älteren graumelierten Herrn, der anfing ins Mikrophone zu pusten: „ Meine Damen und Herrn darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten!“
Als er anfing über alte Tugenden wie Pünktlichkeit und Ehrlichkeit zu reden, dachte ich schon, das könnte langweilig werden. Aber Herr Werner verstand es unser Interesse zu wecken. Wir alle hörten ihm aufmerksam zu. Er war gar nicht altmodisch. Er sprach über die Vorteile der modernen Kommunikationsmöglichkeiten und über soziale Netzwerke, darüber, wie wichtig es ist, sich auch für die berufliche Entwicklung zu vernetzen. Wir sollten uns dabei aber auch die „alten“ Tugenden schätzen und die Möglichkeiten im Blick behalten, wie wir in unserer Gesellschaft etwas Positives bewirken können.
Am Nachmittag fand die Medienbörse statt, auf der wir unseren Film drehen sollten. Dafür musste ich zusammen mit Hannes und Sophie das Interview mit dem Brigadegeneral führen. Für die Medienbörse war das Kasino als Messe hergerichtet. An sieben Ständen waren großen Informationstafeln aufgebaut und an den Stehtischen warteten Soldaten und Soldatinnen in Uniform. Hannes, Sophie und ich standen unsicher in einer Ecke des Raums. Wir hielten die Blätter mit den vorbereiteten Fragen in der Hand und warten auf Christian Friedewald, der uns zum Brigadegeneral führen wollte. Als Christian uns sah, winkte er uns heran: „ Hier ist Euer Kameramann. Wenn Ihr bereit, fangen wir an!“ Der Brigadegeneral, Herr Mosmann, war Standortkommandant und der ranghöchste Soldat beim Kongress. Zum Glück hatten wir unsere List mit vorformulierten Fragen: „Seit wann sind sie Soldat in der Bundeswehr? Wie viele Auslandseinsätze hatten sie bisher in ihrer Laufbahn“ Der Brigadegeneral antwortete geduldig, und wir waren froh, dass Christian Friedewald gegangen war. Uns wurde trotz der Höflichkeit unseres Interviewpartners deutlich, dass wir blutige Anfänger im Journalismus sind und viel lernen müssen, um ein spannendes Interview führen zu können.
Zum Abend gab es noch eine besonderes Highlight. Direkt im Anschluss an die Medienbörse versammelten wir uns alle vor der Kantine, wo schon drei Reisebusse mit laufenden Motoren warteten. Wie die VW-Busse waren auch die Reisebusse nicht mehr olivgrün, sondern ganz weiß lackiert und sehr modern. Wir alle freuten uns auf das Abendessen im Augustinerkeller in München. Als wir ankamen, war das Lokal schon sehr voll, doch für uns war eine Reihe von Zehner-Tischen im zweiten großen Speisesaal reserviert. Malte, dem die bayerische Küche fremd war, machte zuerst ein langes Gesicht, weil für alle nur Schweinshaxe mit Knödeln gab. Sein Teller war aber dann als erster leer und ich hatte viel mehr mit der großen Portion zu kämpfen. Obwohl wir uns erst einen Tag kannten, unterhielten wir uns lautstark über den ganzen Tisch hinweg.
Am Sonntagmorgen kamen alle schon mit ihren gepackten Taschen ins Kongresszentrum, und das Foyer sah aus wie die Abfertigungshalle eines Flughafens. Um 9 Uhr versammelten sich alle im großen Saal, wo die Ergebnisse der Arbeitsgruppen vorgestellt werden sollten. Hannes, Sophie und ich setzten uns in die vorletzte Reihe. Als die Präsentation des TV Magazins angekündigt wurde, lehnte sich Sophie zu uns rüber und flüsterte: „Das wird so peinlich!“ „Hoffentlich blamieren wir uns nicht zu sehr!“, raunte ich zurück. Als dann unser Beitrag kam waren wir völlig verblüfft. Wo waren unsere Aussetzer und Stotteranfälle? Das Interview schien ganz passabel. Die professionellen Cutter, die die Filmbeiträge zusammenstellten, hatte eine tolle Leistung vollbracht. Wir waren ihnen wirklich dankbar.
Zum Abschluss fand noch eine Infobörse zum Berufsbild des Journalisten statt. Sie war als Pressekonferenz organisiert. Oben auf dem Podium saß Christian Friedewald, Journalisten vom ARD-Hörfunk und vom Bayerischen Fernsehen, so wie eine Journalistin von der Tageszeitung „Die Welt“. Die Journalisten waren die Fachleute, und wir die Teilnehmer sollten als Reporter die Fragen zum Beruf des Journalisten stellen. Am Anfang ging es etwas zäh und der Moderator bat die Journalisten auf dem Podium, jeweils ihren Berufsweg zu beschreiben. Julia Meinert von der Welt berichtete, dass sie bereits neben dem Studium der Medienwissenschaft eine Ausbildung an der Journalisten-Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung absolviert hat. Danach musste sie noch als Volontärin arbeiten, bevor sie ihre erste richtig Stelle als Journalisten erhielt. Nun meldeten sich viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer und wollten genauer wissen, wie man am besten Journalist werden kann. Ich fand es sehr informativ, dass es so viele Wege gibt. Eine Möglichkeit ist es, an einer Journalistenschule zu studieren. Möglich ist aber auch ein ganz anderes Fach zu studieren: Jura, Physik oder Theologie. Wieder andere Journalisten haben überhaupt keinen Studium absolviert. Wichtig ist vor allem die praktische Erfahrung. Und allen gemeinsam ist die Lust am Recherchieren und Schreiben. Ein bisschen hatten wir bei unserer Projektarbeit auch schon Praxiserfahrung machen können. Nach einem kurzen Schlusswort des Geschäftsführers von der Young Leaders GmbH fuhren wir alle zusammen zum Münchner Hbf und traten unsere Heimreise quer durch Deutschland an.
„Das hört sich ja gut an und hat sich doch voll gelohnt“, kommentiert meine Schwester, als wir gerade in unsere Garageneinfahrt einbiegen. „Ja, es war eine tolle Mischung aus interessanten Vorträgen und Gruppenarbeit, in der wir das Gelernte gleich praktisch umsetzen konnten. Vor allem habe ich viele interessante und nette Leute kennengelernt.“