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Julya Rabinowich: „Hinter Glas“

Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick erscheint. Das trifft auch auf die Protagonistin Alice zu, denn ihre nach außen hin perfekt wirkende Familie birgt tiefe, dunkle Geheimnisse. SPIESSER-Autorin Lena hat für euch einen Blick hinter die Fassade geworfen.

27. February 2019 - 16:37
SPIESSER-Autorin LenaSophia.
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LenaSophia Offline
Beigetreten: 08.02.2019

Worum geht es?

Die 17-jährige Alice, benannt nach der Alice in Lewis Carrolls Büchern, lebt mit ihren Eltern in einem großen Haus mitten in der Stadt. Die Villa des Großvaters ist durch den großen Garten mit ihrem Elternhaus verbunden und bietet einen perfekten Überblick über das gesamte Grundstück. Eigentlich fehlt Alice nichts und alles scheint perfekt, doch hinter der Fassade, in der von ihr bezeichneten Spiegelwelt, läuft so einiges schief. Sie hat keine Freunde, ist eine Außenseiterin und wird in der Schule gemobbt, ihre Eltern verschließen davor jedoch die Augen. Außerdem ist Alice häufig krank, was ihren Peinigern nur noch mehr Gründe liefert, sie ‚Queen Bazilla‘ zu nennen und ihre Mitschülerin fertig zu machen.

Auch zuhause fühlt Alice sich nicht wohl. Ihr Großvater, der regelmäßig seine Dienstmädchen fertigmacht und feuert, besitzt die Macht über die ganze Familie, da er sie mit seinem Geld und seinem boshaften Auftreten unterdrückt und erpresst. Ihre Eltern sind ihm so unterlegen, dass Alices Mutter vor Jahren ihre erfolgreiche Schauspielkarriere opferte, um den Großvater milde zu stimmen. Alices Vater, Sohn des Großvaters, gibt keine Widerworte und fügt sich willenlos. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass auch Alice kein Rückgrat besitzt, um sich zur Wehr zu setzen. Erst als Niko, ein neuer Mitschüler, mitten im Schuljahr in die Klasse kommt, ändert sich Alices Wahrnehmung auf die Welt und sie beginnt, aus der Spiegelwelt auszubrechen. Dass die andere Seite des Spiegels jedoch auch nicht perfekt ist, muss die Protagonistin auf die harte Tour und am eigenen Körper erfahren.

Wer steckt dahinter?

Die 1970 in der Sowjetunion geborene Julya Rabinowich kam mit sieben Jahren nach Wien. Dort absolvierte sie später auch ihr Studium mit den Schwerpunkten Malerei und Philosophie, welches sie 2006 mit dem Diplom abschloss. Zwei Jahre später erschien ihr Debütroman „Spaltkopf“, in dem sie die Erlebnisse ihrer frühen Auswanderung schildert. Julya Rabinowich veröffentlichte einige Romane und gewann zahlreiche Auszeichnungen für ihr Schreiben.

Hinter Glas

Autor: Julya Rabinowich
Verlag: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Veröffentlichung: 28. Januar 2019
Seitenzahl: 192
Altersempfehlung: 14 bis 17 Jahre

Kurz und knapp oder dicker Schinken?

Mit seinen 200 Seiten ist „Hinter Glas“ ein vergleichsweise dünnes Buch. Durch die Benennung der einzelnen Kapitel als Spiegelscherben wird die Geschichte greifbarer und nachvollziehbar. Denn erst, wenn alle Spiegelscherben aufgehoben und betrachtet worden sind, fügt sich der Roman zu einem Ganzen zusammen.

Für die Bahn, den Sessel oder den Pausenhof?

Durch die recht kurzen Kapitel lässt sich das Buch gut zwischendurch lesen und eignet sich somit hervorragend für die Bahnfahrt oder kurze Wartezeiten. Wegen des hohen Identifikationspotentials mit der Handlung, empfehle ich den Pausenhof als Leseort allerdings nicht. Dort sollte besser ein gewisser Abstand gewahrt werden.

Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie schwer ist es, das Buch wegzulegen?

Der Roman ist sehr leicht geschrieben und lässt sich deshalb gut lesen. Durch die Kürze kann es schnell passieren, dass man das Buch innerhalb kürzester Zeit fertig gelesen hat. Trotzdem packt die Handlung nicht komplett, es gibt inhaltliche Leerläufe und merkwürdige Entwicklungen, sodass man sich am Ende fragt, was da eigentlich geschehen ist. Auch habe ich mich öfters dabei erwischt, wie ich die Aussagen und Entscheidungen von Alice in Frage gestellt und mich darüber geärgert habe. Für so ernste Themen, wie sie in „Hinter Glas“ thematisiert werden, hätte ich mir etwas mehr Realitätsnähe gewünscht. Diese nimmt jedoch mit den fortlaufenden Seiten des Buchs ab. Auf der Skala vergebe ich deshalb 6 von 10 möglichen Punkten, die jedoch zum größten Teil darauf basieren, dass ich wissen wollte, ob mein Unverständnis der Situation gerechtfertigt war oder nicht.

Wem borgt man es nach dem Lesen als erstes?

Durch die Aktualität der behandelten Themen kann man es gut seinen Mitschülern empfehlen, denn jeder sollte sich in irgendeiner Weise einmal mit den Themen Mobbing und Gewalt in der Schule auseinandersetzen. Außerdem kann man so in der Gruppe diskutieren, was die richtige Handlungsweise in der Situation wäre.

Lieblingszitat:

„Der Sprung im Glas zog sich in tausend kleinen Verzweiflungen über die glatte Oberfläche unserer Familienshow.“ (S.77)

In drei Worten:

Aktuell. Gewaltsam. Mystisch.

 

Text+Teaserbild: Lena Schmitz

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