Schmökern

„Meine scheißkranke Familie“

Was tun, wenn die eigenen Eltern plötzlich beide im Sterben liegen? In Dan Marshalls Romandebüt setzt sich ein junger Mann mit genau diesem Problem auseinander. SPIESSER-Autorin Astrid hat für euch reingeschmökert.

23. February 2016 - 15:09
SPIESSER-Autorin pippi.langstrumpf.
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pippi.langstrumpf Offline
Beigetreten: 28.03.2014

Worum geht's?

Dan Marshall, Mitte zwanzig, lebt das perfekte Leben eines „verwöhnten weißen Arschlochs“: Er hat einen coolen Job, eine hübsche Freundin und ein Apartment am Sunset Strip in Los Angeles. Doch dieses perfekte Leben gerät gehörig aus den Fugen, als bei seinem Vater ALS diagnostiziert wird: Amyotrophe Lateralsklerose ist eine nicht heilbare Nervenkrankheit. Zunächst weigert Dan sich, die Diagnose als das zu akzeptieren, was sie ist – ein Todesurteil. Schließlich ist „Dad“ der Dreh- und Angelpunkt der Familie Marshall, der starke Mann im Haus, der sich stets um Dans Mutter im Kampf gegen ihre Krebserkrankung gekümmert hat.

Doch als Dan versteht, dass sein Vater bald sterben wird, zieht er widerwillig zurück nach Hause und beginnt, ihn zu pflegen. Unterstützt wird er dabei von seinen Geschwistern, die mit der Situation nicht wirklich besser umgehen: Chelsea, die Kleinste, hat nur Ballett im Kopf, sein Bruder Greg trinkt zu viel und Jessica beginnt eine verhängnisvolle Affäre mit ihrem Lacrosse-Trainer. Als überdies der Krebs seiner Mutter zurückkommt, liegt es an Dan, den Herrn im Haus zu spielen. Ob er dieser Rolle gewachsen sein wird?

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Wer steckt dahinter?

Der Protagonist Dan ist tatsächlich auch der Autor dieses autobiographischen Romans: Während er seinen Vater pflegte, fing er an, sich Notizen zu machen und über das Schicksal seiner außergewöhnlichen Familie zu berichten. Seine auffällige Erzählweise (Familie Marshall weist ein erstaunliches Fäkalvokabular auf) fand Anklang, und so wurde Dan vom PR-Agenten zum Romanautor.

Kurz und knapp oder dicker Schinken?

Definitiv ein dicker Schinken: Mit knapp 500 Seiten verlangt „Meine scheißkranke Familie“ durchaus ein bisschen Geduld vom Leser. Beschrieben wird der komplette Leidensweg der Familie Marshall, von der Diagnose bis zum Tod des Vaters. Dabei liest es sich anfangs etwas schleppend, nimmt jedoch gegen Ende hin Fahrt auf.

Für die Bahn, den Sessel oder den Pausenhof?

Gut geeignet für zuhause oder eine lange Zugfahrt, auf der man sich ungestört vertiefen kann. Sowohl das Thema als auch einzelne Dialoge sind allerdings teilweise deprimierend – wenn man sowieso nicht den besten Tag hatte, sollte man vor dem Einschlafen etwas anderes lesen.

Meine scheißkranke Familie

Autor: Daniel Marshall
Verlag: Atrium Verlag
Veröffentlichung: 22. Februar 2016
Seitenzahl: 448

Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie schwer ist es, das Buch wegzulegen?

Leider fiel es mir sehr leicht, das Buch wegzulegen: Trotz des spannenden und berührenden Themas hat es mich nicht in seinen Bann gezogen. Auf dem Einband wird es als „saukomisch und zugleich tief ergreifend“ angepriesen, doch dieser Rezensent hat wohl einen anderen Sinn für Humor als ich – die mit Kraftausdrücken nahezu getränkte Sprache lenkt von der Handlung ab, die meisten Witze sind albern und die Familienmitglieder waren mir hochgradig unsympathisch.

Entlastend fällt nur zweierlei ins Gewicht: Da der Roman autobiographisch geschrieben ist, kann man es Dan Marshall nicht verübeln, die Ereignisse wahrheitsgetreu wiedergegeben zu haben. Außerdem vermute ich, dass sehr viel des hochgelobten Witzes bei der Übersetzung verloren gegangen ist und schon der englische Titel „Home Is Burning“ wirkt weniger albern. Nichtsdestotrotz können die Geschichte und Figuren durch die Übersetzung nicht so verändert worden sein, dass mir das Buch im Original besser gefallen würde.

Wem borgt man es nach dem Lesen als erstes?

Ich werde niemandem das Buch ausleihen: Es hat mir einfach nicht gefallen. Aber es regt auf jeden Fall an, sich mit dem Thema „Krankheit und Tod“ auseinanderzusetzen.

Lieblingszitat:

„Wie soll man damit umgehen, wenn jemand seinen Tod ankündigt? Ist es nicht seltsam zu wissen, an welchem Tag ein geliebter Mensch sterben wird? Was soll ich sagen? Kann ich immer noch Witze über Schwänze erzählen?“ (S. 356)

In drei Worten:

albern, anders, erschreckend

 

Text und Foto: Astrid Schwieder

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