Selbst in ruhigen Zeiten gilt die holländische Parteienlandschaft im internationalen Vergleich als unübersichtlich: Im Parlament sitzen nicht wie in Deutschland vier, sondern elf Parteien. Denn um ein Mandat zu gewinnen, muss eine Partei weniger als ein Prozent der Stimmen erhalten (in Deutschland sind es mindestens fünf). Die derzeitige Regierung stützt sich auf eine Koalition der beiden größten Parteien – der rechtsliberalen VVD (Volkspartij voor de Vrijheid en Democratie), einer europäische Schwesterpartei der FDP, und der sozialdemokratischen PvdA (Partij van de Arbeid), Schwesterpartei der SPD. Weitere Parteien sind die christdemokratische CDA, die sozialliberale D66, die sozialistische Partei SP und die progressiv-ökologische Groen-Links. Im Parlament sind aber auch kleine Klientelparteien, wie die Tierschutzpartei Partij voor de Dieren und die Rentnerpartei 50plus, vertreten.
Rechte Revolution
Geert Wilders – Eine gefährliche One-Man-Show.
Foto: Metropolico.org, flickr.com, (CC BY-SA 2.0)
Die größte Oppositionspartei, die derzeit am meisten Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist die 2006 von dem ehemaligen VVD-Abgeordneten Geert Wilders gegründete PVV (Partij voor de Vrijheid) die als Schwesterpartei der AfD gilt. Die Partei ist eine One-Man-Show: Geert Wilders ist offiziell das einzige Parteimitglied, sodass er selbstständig über den inhaltlichen und personellen Kurs der PVV bestimmen kann. Seine wichtigste Forderung ist die „De-Islamisierung“ der Niederlande: Wilders möchte den Koran verbieten und Moscheen schließen. Außerdem fordert er einen „Nexit“, den Austritt seines Heimatlandes aus der EU. Im Dezember 2016 wurde er wegen Volksverhetzung verurteilt, geschadet hat ihm das politisch wenig. Laut Umfragen wird seine PVV im März die stärkste Partei. Derzeit liegt sie vor der VVD, der Partei des derzeitigen Ministerpräsidenten Mark Rutte.
Die mitregierende sozialdemokratische Partei, die 2012 noch Ruttes größter Herausforderer war, steht nun vor der größten Wahlniederlage ihrer Geschichte und wird voraussichtlich die Mehrheit ihrer Parlamentssitze verlieren. Damit spitzt sich die Wahl auf Rutte oder Wilders zu. Ministerpräsident Rutte gilt als talentierter Politiker und viele rechnen ihm hoch an, das Land aus der internationalen Finanz- und Schuldenkrise des letzten Jahrzehnts geführt zu haben. Allerdings ist Ruttes Glaubwürdigkeit gesunken, nachdem er mehrere Wahlversprechen nicht einhielt und sein Justizminister im Januar wegen einer Lügenaffäre zurücktreten musste.
Im Wahlkampf versucht Rutte, sich gegen die Angriffe von rechts zu wehren. In einem offenen Brief an alle Niederländer nähert er sich an die rechte Rhetorik an: „Verhaltet euch normal oder geht.“ Rutte fügt aber hinzu, die Lösung sei nicht Menschengruppen auszuschließen, sondern „glasklar zu machen, was hier normal ist und was nicht.“ Die Debatte um die niederländische Identität verdrängt im Wahlkampf andere Themen: Die niedrige Arbeitslosenquote und die Reformen des Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsystems spielen im Streit zwischen Rutte und Wilders eine untergeordnete Rolle.
Offenheit auf dem Prüfstand
Der derzeitige Ministerpräsident Mark Rutte.
Foto: Minister-president Rutte, flickr.com, (CC BY 2.0)
Zusätzlich zu den Umbrüchen in der Parteienlandschaft, bestehen Ängste vor Wahlbeeinflussung. Der niederländische Geheimdienst berichtet, dass dieselben russischen Hackergruppen, die auch US-amerikanische Parteien im Wahlkampf angegriffen haben, nun auch vor der niederländischen Wahl intensiv versuchen werden, einen Zugang zu Computersystemen der Regierung zu bekommen. Der Innenminister hat inzwischen Konsequenzen gezogen: Beim Auszählen der Stimmen werden keine Computer mehr verwendet und die Stimmen per Hand ausgezählt.
Aber selbst wenn die PVV die stärkste Partei werden sollte, ist es unwahrscheinlich, dass Wilders Ministerpräsident wird. Wilders wäre auf Koalitionspartner angewiesen und alle größeren Parteien haben ein Regierungsbündnis mit der PVV ausgeschlossen. Das wahrscheinlichste Ergebnis ist, dass Rutte ein Bündnis mit mehreren Parteien schließt. Die traditionellen drei niederländischen politischen Strömungen (christlich-konfessionell, sozialdemokratisch und liberal) verschwimmen zu einer gemeinsamen Koalition gegen die rechtsnationale PVV. Fest steht: In dieser Wahl wird die weltoffene und tolerante Identität der Niederlande auf die Probe gestellt wird. Was letztendlich passiert, entscheiden die holländischen Wähler am 15. März.
Text: Noah Schöppl
Teaserbild: risastla, flickr.com, (CC BY-SA 2.0)