Herzscheiße

Nomaden der Moderne

Das Studium in Düsseldorf, ein Auslandssemester in New York, ein dreimonatiges Praktikum in Hamburg, dann der erste Job in Berlin – und der Freund lebt in Mannheim. Klingt nicht weiter ungewöhnlich? Stimmt, denn das ist unsere neue Art zu leben. SPIESSER-Autorin Madita spricht aus Erfahrung.

26. March 2015 - 17:11
SPIESSER-Autorin Madita Schäkel.
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Madita Schäkel Offline
Beigetreten: 21.05.2014

Unsere Generation ist echt vielseitig. Wir sind jung, dynamisch, flexibel und ehrgeizig. Was wir wollen, ist vor allem eins: alles! Und das am besten sofort. Wir wollen die perfekte Karriere, die uns erfüllt, begeistert und immer wieder herausfordert. Zeitgleich wollen wir Freunde und natürlich auch die wahre Liebe – die muss jedoch zu unseren Erwartungen und unserer Lebenssituation passen wie ein enges T-Shirt.

Mein Freund und ich sind in diesem Wissen in die Beziehung gegangen und führen nun seit rund einem Jahr eine Fernbeziehung. Zunächst war es Düsseldorf- Mannheim, dann Hamburg-Mannheim und bald wird es Berlin-Schweden sein. Das ist gar nicht weiter besonders, denn wie uns geht es vielen jungen Paaren, die die Welt entdecken, aber dafür nicht auf die Liebe verzichten wollen. Hat diese Lebenseinstellung wirklich Zukunft? Oder machen wir uns was vor und das Konzept „Ich-will-alles“ wird über unseren Köpfen zusammenbrechen, wie ein marodes Haus auf Treibsand?



Eine Fernbeziehung kann richtig, richtig kacke sein,
aber ist eben manchmal ein notwendiges Übel. Foto:
Dvortygirl, flickr.com, CC-Lizenz (CC BY-SA 2.0)
Ich, Du und die Ferne

Fernbeziehungen waren in vorherigen Generationen noch der Kanarienvogel unter den Beziehungen: exotisch, irgendwie komisch und sehr selten. Heute kommen junge Paare ins Stutzen, wenn sie hören, dass andere Pärchen zusammenleben und mit ihren Karrieren zufrieden sind. Wie machen die das nur?

Laut einer „Glamour“-Umfrage haben 54 Prozent der Deutschen schon mal in einer Fernbeziehung gelebt oder leben aktuell in einer. Um sich am Wochenende zu sehen, reisen sie im Durchschnitt jedes Mal 650 Kilometer – nicht gerade ein Katzensprung. Klar, diese Art der Liebe kostet uns Beziehungs-Nomaden ganz schön viel Zeit und Geld – durchschnittlich 2.600 Euro pro Jahr. Das ist richtig viel, wenn man bedenkt, dass es sich meistens um Jobeinsteiger oder gar Praktikanten handelt. Also warum tun wir uns das alles an?

Das Streben nach Erfüllung

Immer wieder hört man von Kritikern, die jungen Leute hätten ihre Werte verloren, seien karrieregeil und familienfeindlich. Stimmt das? Eine Umfrage von 2014 belegt, dass nur drei Prozent der Paare bereit sind, auf Dauer in einer Fernbeziehung zu leben. 33 Prozent hingegen nehmen das Konzept der Fernbeziehung nur in Kauf, bis ein Kompromiss gefunden wird und die Fernbeziehung endlich endet. Aha! Wir sind also doch nicht so kaltschnäuzig, sondern eher kompromissbereit.

Wir passen uns einfach an. Die Tage des „richtigen“ Lebensweges sind gezählt. Es gibt zu viele Möglichkeiten: Die Welt ist kleiner geworden, die Chancen dafür umso größer und unsere Erwartungen an das Leben sind komplexer denn je. Wir wollen Unabhängigkeit, Freiheit, Chancengleichheit. Wir kämpfen jeden Tag dafür, das Beste aus uns herauszuholen und das ist eben nicht immer leicht. Eine Fernbeziehung bedeutet schließlich, dass man getrennte Leben führt. Das ist auch mal ganz schön kacke. Immerhin verbringen wir die Abende oft mit der Sehnsucht, statt dem Partner. Das ist belastend: Männer vermissen angeblich vor allem das fehlende Gegenstück, Frauen die Nähe und Sexualität.


Untreue ist bei Fernbeziehungen nicht das Problem.
Eher das Vermissen. Foto: Sergio Fabara Muñoz,
flickr.com, CC-Lizenz (CC BY-SA 2.0)

Erstaunlicherweise sind Untreue sowie die Angst davor, ein eher seltenes Problem: Nur 27 Prozent der Männer und 21 Prozent der Frauen befürchten, dass ihr Partner aus Einsamkeit woanders Zuflucht suchen könnte – so das Ergebnis der „Glamour“-Umfrage. Das zeugt von tiefem Vertrauen. Vertrauen in die Beziehung und auch – liebe Kritiker – Vertrauen in die Werte. Menschen, die in Fernbeziehungen leben, sind also keinesfalls gefühlsarm: Sie sind einfach sehr ehrgeizig und modern in ihrem Denken.


Wir sind nicht gleichgültig – wir sind Optimisten

Wir, sagenumwobene Generation Y, unterscheiden uns grundlegend von den Generationen vor uns. Zugegeben, wir wirken, fast ein wenig anmaßend und größenwahnsinnig. Wir glauben, dass es unser gutes Recht ist, alles zu erreichen, was wir uns wünschen. Konventionen machen uns keine Angst. Das einzige was uns Angst macht, ist etwas zu verpassen, etwas nicht zu machen. Aber das macht uns noch lange nicht karrieregeil oder wertlos. Es macht uns optimistisch – auch in Sachen Liebe.

Text: Madita Schäkel
Teaser-Foto: Benurs - Learning and learning...
, flickr.com, CC-Lizenz (CC BY 2.0), Bild beschnitten

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