Stellt euch bitte einmal kurz vor ihr seid 15 Jahre jung. Könnt ihr das? - Klar! - Doofe Frage! - Keine wirklich ernsthafte Frage! - Stellt euch aber weiterhin vor, ihr habt eine dunkle Hautfarbe, seid ein Mädchen, heißt Paula und lebt in der kleinen Stadt Gary im Bundesstaat Indiana der USA. Das könnt ihr euch auch noch sicherlich gut vorstellen, oder? - Na ja, die Jungen unter den aufmerksamen Lesern haben vielleicht damit schon die ersten Schwierigkeiten. Vielleicht!
25. June 2012 - 16:23 von SPIESSER-AutorIn anonymer Nutzer.
Als Kind wurde Paula missbraucht. Ich meine, als Kind, wo sie jünger wie 15 Jahre alt war. Ihr Vater schlug sie mit Riemen und elektrischen Leitungen. Sie und ihre Schwester wurden gezwungen zu rauben und mussten mit ansehen wie er ihre Mutter regelmäßig schlug. Bei einer Gelegenheit versuchte die Mutter sich und ihre zwei Töchtern umzubringen. Paula verbrachte deshalb einige Zeit ihrer Kindheit daraufhin in Pflegehäuser.
- Ich glaube, jetzt hört schon das echte Einfühlungsvermögen von einigen von uns doch auf. Oder?
Mit 15 Jahren verübte Paula mit ihren sogenannten Freundinnen einen äußerst brutalen Mord an die 78 jährigen Ruth Pelke. Das war im Jahre 1984. Sie kannten die alte Dame, da sie die Geschichtenerzählerin aus dem Religionsunterricht war. Paula stach sie mit 33 Messerstichen in ihrem eigenem Haus erbarmungslos nieder, erbeutete 10 Dollar und klaute das Auto. Verschiedenen Berichten zufolge stand die Mädchen-Gruppe unter Alkohol, Drogen- bzw. anderen Rauschmitteln.
Als Abschreckung wurde Paula als einzige aus dieser Mädchengang vom Staat Indiana im Alter von 16 Jahren zum Tode verurteilt. Dies obwohl die Todesstrafe für Jugendliche gemäß den Menschenrechten verboten ist.
Ich vermute spätestens jetzt werfen die meisten von uns das Handtuch der Empathie komplett. Oder? Aber es wird leider noch dramatischer.
Eine weltweite Kampagne begann, die sich für die Umwandlung der Strafe dieser Minderjährigen einsetzte. Dabei hatten verschiedene Fernsehanstalten die Möglichkeit erhalten Paula vor der Hauptverhandlung zu interviewen.
Ein Reporter fragte ganz deutlich: "Paula, dir droht die Todesstrafe für deine Tat. Was hältst du von einem Gesetz eines Staates, das die Möglichkeit hat Jugendliche hinzurichten?"
Mit ihren 16 Jahren Lebenserfahrungen antwortete zwar unter Tränen Paula, aber ohne Mitleid und Hinweis auf ihre Kindheit - für mich damals sehr beeindruckend und reif - sinngemäß: Sie möchte gerne leben. Wenn aber das Gesetz erlaube sie zum Tode zu verurteilen, dann sei es so. Schließlich habe die alte Frau auch das Recht auf Leben gehabt, meinte Paula überzeugend, was sie damals ebenso missachtet habe.
Paula wurde zum Tode durch den elektrischen Stuhl verurteilt.
Paulas Fall betreute die Rechtsanwältin Monica Foster, die eine große Kampagne organisierte und eine breite öffentliche Unterstützung erhielt. Besonders in Europa wuchs die Aufmerksamkeit zu diesem Fall. Die Kampagne überreichte eine Beschwerde von zwei Millionen Menschen unterzeichnet an den „Supreme Court“ Indiana. Der damalige Papst Johannes Paul II. machte einen persönlichen Appell an den Indiana Gouverneur Robert Orr im September 1987. Eine gesonderte Beschwerde bei den Vereinten Nationen erhielt eine Million Unterschriften.
Zuerst war Bill Pelke, der Neffe der ermordeten alten und sehr christlich erzogenen Frau, mit diesem Urteil der Todesstrafe für Paula einverstanden. Er liebte seine Großmutter sehr. Doch dann änderte sich langsam seine Einstellung, und er konnte Paula Cooper schließlich vergeben.
Bill begann einen regen Briefwechsel mit der Mörderin seiner Großmutter. Er besuchte sie im Gefängnis und setzte sich letztendlich auch für die Umwandlung des Urteils ein.
1989 wurde das Todesurteil von Paula Cooper zu 60 Jahren Gefängnisstrafe umgewandelt.
„Journey of Hope“ heißt die vor 11 Jahren in den USA gegründete Organisation, die sich mit Vortragsreisen in den USA und weltweit für die Abschaffung der Todesstrafe stark macht. Niemand anders als Bill Pelke ist heute unter anderem Mitbegründer der "Journey of Hope" und deren Vorsitzender.
Aber was ist aus Paula geworden? 60 Jahre! Das bedeutete ursprünglich, dass sie regulär nicht vor 2045 im Alter von 75 Jahren entlassen worden wäre. Heute ist sie 42 Jahre alt. Paula hat einen GED-Schulabschluss (Amerikanische Highschool Level) gemacht und hat Universitätsfernkurse während ihres Gefängnisaufenthaltes erfolgreich absolviert. 2011 kam die hoffnungsvolle Nachricht, dass Paula wegen guter Führung frühestens 2013 entlassen werden könnte. Obwohl sie zu 60 Jahren verurteilt wurde, schreiben die Indiana Gesetze trotzdem vor, dass bei guter Führung pro Tag ein freier Tag „verdient“ werden kann zur frühzeitigen Entlassung. Das scheint im Fall von Paula Cooper nun der Fall zu sein.
Trotzdem, wenn ich rückblickend nur mein eigenes, bisheriges Leben betrachte, was habe ich zwischen 1984 bis heute alles erlebt? Manche von euch waren noch nicht einmal geboren! Was wurde dagegen Paula wegen einer einzigen Tat verwehrt? Und unser Leben so besonders und lebenswert macht - das berühmte Salz in der Suppe - Lieben, geliebt werden, Reisen, Privatsphäre, Selbstbestimmung...
Wir müssen hier an dieser Stelle nicht in Mitleid für Paula verfallen, schließlich - und das konnte Paula schon mit 16 Jahren klar, richtig, deutlich und erstaunlich gut formulieren, hatte auch die alte Frau ein Recht auf Leben gehabt, was ihr letztendlich brutal und abrupt vorenthalten wurde. Und nur - nach Aussage von Paula selbst - die Gruppe der Jugendlichen sich tierisch langweilten und unter Drogeneinfluss standen.
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...dass Dir der kleine Artikel gefällt und Dich anspricht. - Wenn man über Amnesty International über dreißig Jahren zum Thema Todesstrafe arbeitet, war es einer der ersten Fälle, an die ich mit gearbeitet habe. Nach einigen Jahren im Ausland - und nachdem ein langjähriger Briefkontakt in den USA hingerichtet wurde – interessierte es mich auch was aus Paula geworden ist, an die ich mich bei meinen Vorträgen wieder erinnerte.
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https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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[Bild:1]
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mxk
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Der Artikel hat mich sehr nachdenklich gemacht :/
...dass Dir der kleine Artikel gefällt und Dich anspricht. - Wenn man über Amnesty International über dreißig Jahren zum Thema Todesstrafe arbeitet, war es einer der ersten Fälle, an die ich mit gearbeitet habe. Nach einigen Jahren im Ausland - und nachdem ein langjähriger Briefkontakt in den USA hingerichtet wurde – interessierte es mich auch was aus Paula geworden ist, an die ich mich bei meinen Vorträgen wieder erinnerte.
Beeindruckender Artikel… Wie bist auf diesen Fall gestoßen? Ich habe davon zum ersten Mal gehört.