Kolumne

„Politische Korrektheit“ ist voll behindert

Bei Konservativen ist es cool geworden, nicht mehr „politisch korrekt“ zu sein. Aber was heißt das überhaupt und warum sollte man erst denken und dann sprechen?

29. August 2019 - 14:53
SPIESSER-AutorIn maxiise.
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„Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte”, sagte AfD-Pateichefin Alice Weidel. Und sie hat recht: Es ist ein furchtbarer Ausdruck, den auch ich nicht mehr benutzen will. Nicht, weil ich seine Bedeutung ablehne, sondern weil er von Konservativen und Rechten missbraucht wird, um einen Denk- und Sprechzwang zu unterstellen. Eigentlich sagt er aber nichts anderes aus, als: Behandle deine Mitmenschen mit Respekt und versuche sie nicht zu beleidigen.

Keine Verbote, sondern Anstand

Die politisch Inkorrekten meinen, durch eine rücksichtsvolle Sprache werde ihre Meinungsfreiheit eingeschränkt – zum Beispiel, wenn man Balkanschnitzel statt Zigeunerschnitzel sagt, weil das halt knapp zwölf Millionen Menschen beleidigt. Es gibt aber kein Gesetz, das einen zwingt, auf andere zu achten. Man nennt es Anstand. Mit der Meinungsfreiheit kommt auch eine Verantwortung. Ich bin auch kein Freund von Verboten, aber man muss sich selbst die Frage stellen: Will ich andere Menschen und Menschengruppen dauerhaft beleidigen oder nicht? Wenn du das willst, dann bist du nicht politisch inkorrekt, dann bist du einfach ein Arschloch.


Photo by Kyle Glenn on Unsplash

Wenn du das nicht willst, dann denke darüber nach, was du sagst. Ein Freund hat mich vor ein paar Monaten darauf aufmerksam gemacht, wie oft ich „behindert“ sage, wenn ich „schlecht“ meine: Die angebrannte Pfanne ist behindert, der zerrissene Müllsack ist behindert, der Stau ist behindert. Aber würde ich das auch sagen, wenn eine behinderte Person im Raum wäre? Gibt es nicht ein Wort, das genau das gleiche ausdrückt, ohne irgendjemanden damit zu beleidigen? Ist mir dieses Wort mehr wert als mein Anstand?

Gewalt beginnt mit Sprache

Die Art, wie wir sprechen, spiegelt unsere Sicht auf andere Menschen wider. Der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch beschreibt das so: „Gewalt gegen Minderheiten beginnt immer mit sprachlicher Gewalt“. Ohne sprachliche Strukturen, in denen man abwertend über eine Minderheit redet, würde also gar nicht erst die Idee entstehen, sie zu unterdrücken.

„Politisch korrekt“ müssen wir also in erster Linie gegenüber den Menschen sein, die anders sind als wir selbst. Menschen, die ähnlich sind, werden für unsere Diskriminierungen unsichtbar. Sie brauchen keine herausstellenden Bezeichnungen, weil wir gar keinen Anlass haben, sie abzugrenzen. Aber auf die, die anders sind, müssen wir achten – anders wegen ihrer Sexualität, ihrem Geschlecht, ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihrem Aussehen, ihrem Leiden. Und das sollten wir nicht noch vergrößern.

Fehler passieren, das ist klar. Und wenn man ein Wort erstmal regelmäßig benutzt, ist es gar nicht so einfach, es zu ersetzen. Aber es ist den Aufwand wert. Ich will an dieser Stelle auch nicht sagen, alle politisch inkorrekten Menschen seien behindert, aber dämlich auf jeden Fall. Vielleicht sollte man die Bezeichnung „politische Korrektheit“ durch „Rücksicht“ ersetzen, denn nichts anderes ist eigentlich damit gemeint. Ich will mir auch nicht sagen lassen, was ich zu sagen habe, aber ich will Rücksicht auf meine Mitmenschen nehmen. Das ist nicht leicht und es wird sicher nicht immer funktionieren, aber ich will es versuchen.

 

Text: Maximilian Sepp
Teaserbild:
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