Es gibt genau zwei Dinge, die SPIESSER-Autor Christian in seiner Schullaufbahn versuchte zu vermeiden: Schulhofrangeleien und Sportunterricht. Fünf Jahre nach seinem letzten Schultag soll er nun auf eine eigenartige Symbiose aus beidem treffen: Roller Derby. Ein Vollkontaktsport, bei dem sich Frauen auf Rollschuhen gegenseitig aus dem Weg schubsen. Das war zumindest sein erster Eindruck. Ein Härtetest auf vier Rollen.
So stehe ich also, etwas eingeschüchtert, am Donnerstagabend vor der Trainingshalle der Dresden Pioneers – „den Pionieren des Roller Derbys in Sachsen“. Ich versuche mich zu beruhigen, indem ich an die schönen Momente der körperlichen Ertüchtigung im Klassenverband denke. Ein halbes Jahr lang war ich mit dem „Sonderstatus Mann“ im Tanzkurs – einer Mischung aus konspirativem Treffen und Ausdruckstanz. Daher weiß ich, dass Sport in einer Frauengruppe nicht so schlimm werden kann.
Doch als ich die Mädels der Dresden Pioneers das erste Mal sehe, wird mir klar, dass mein Charme hier nicht wirklich helfen wird. Immerhin spielen sie einen Sport, der „gelebte Emanzipation“ bedeutet. Außerdem soll ich schnell merken, dass es sich beim Roller Derby nicht um unkontrollierte Rangeleien handelt, sondern vielmehr um eine Sportart mit System, die aus einer Vielzahl an Regeln besteht.
„Alles verstanden?"
Christian ganz hochkonzentriert bei der Sache.
Im sogenannten „Rules Workshop“ werden mir diese Regeln erklärt: Während eines 60-minütigen „Bouts“, in dem so viele zweiminütige „Jams“ wie möglich gefahren werden, befindet sich auf dem „Flat-Track“ neben den zwei „Jammerinnen“ das „Pack“, das aus den jeweils vier „Blockerinnen“ inklusive „Pivots“ der beiden Teams besteht, wobei die Aufgabe der „Jammerinnen“ darin besteht, das „Pack“ zu überrunden, um so zu „scoren“. „Alles verstanden?“ Ich verstehe nur so viel: Es ist ein wahnsinnig kompliziertes Rangeln um den Sieg. Und es wird mir klar, dass es noch etwas Drittes gab, was ich an der Schule nicht mochte: den Englischunterricht.
Die Trainingsklamotten sitzen.
Nach eineinhalb Stunden Theorie soll es nun aufs Spielfeld gehen und ich werde sofort mit der verhassten sportlichen Realität konfrontiert. Nicht nur, durch den immer gleichen Sporthallengeruch, einer Mischung aus Linoleum und Schweiß, sondern auch durch die erste Aufgabe: „So, jetzt laufen wir mal fünf Minuten.“ Nach zwei Runden zieht mich die Trainerin Bloody Biatchotti wieder aus dem Verkehr – es geht zum Einkleiden. Ich bekomme Schützer für meine Knie-, Arm- und Handgelenke und darf mir einen Helm aussuchen. Meine Wahl fällt auf Gold – so kann man mich schnell erkennen, wenn ich aus der Masse von Frauen geborgen werden muss. Entgegen meiner Erwartung geht die Auswahl so schnell, dass ich noch an den letzten Laufrunden teilnehmen kann. Nicht, dass ich nicht jetzt schon völlig fertig und vor allem schweißgebadet wäre.
In Paaren müssen wir springen, liegen, hüpfen und klatschen. „Schneller --- noch --- das --- geht --- schne --- ller!“ Das Schlimme daran: Meine Trainingspartnerin Wendy Warhol ist schneller. Viel schneller als ich. Generell habe ich das Gefühl, dass alle um mich herum sportlicher sind. Und als dann noch ein irrsinnig lauter Rülpser durch die Halle fährt, merke ich, dass das hier nichts mit weiblich-harmonischem Ausdruckstanz zu tun hat.
„Ähm, ähm, ne … Also… Ich schaue erstmal zu.“
Erstmal das Gleichgewicht finden.
„Christian, willst du auf eigene Gefahr mitmachen? Immerhin hast du keinen Mundschutz.“ Dabei haben wir noch gar keine Rollschuhe an. Ist das wirklich so gefährlich?! „Ähm, ähm, ne… Also… Ich schaue erstmal zu.“ Schon stellt sich der Rest der Gruppe auf und das Trockenspiel beginnt. Die beiden Jammerinnen beginnen nun sich durch die anderen Mitstreiterinnen zu boxen. Mit Hilfe der Erklärungen von Bloody Biatchotti begreife ich, dass die Regeln wirklich eingehalten werden. Und vor allem bekomme ich jetzt Lust, mal mitzurangeln. Und so stehe ich schon in der nächsten Runde als Jammer hinter dem Pack. Mein einziges Ziel: irgendwie durchkommen.
„Five seconds!“, ruft der Ref, der Schiedsrichter. Dann ein Pfiff. Fehlstart. Okay, ich hätte es selbst wissen können – aber Englisch ist eben nicht meine Stärke. Nochmal von vorne. „Five seconds!“ Dann der zweite Pfiff. Ich laufe los und befinde mich auf einmal in einem riesigen Knäuel von Hüften, Armen, Beinen, Rücken – vor mir, hinter mir, neben mir. Überall. Wie soll ich mir jetzt bitte merken, wo ich wen berühren darf?!
Attacke!
Auf einmal spüre ich wieder frische Luft. Ich hab es geschafft und laufe einfach nur, bis ich wieder von diversen Körperteilen verschlungen werde und das Spiel als Leadjammer nach der zweiten Runde beende. Ich bin tierisch stolz auf mich, auch wenn ich genau weiß, dass die Mädels mir diesen kurzen Moment des Erfolgs nur aus Mitleid geschenkt haben. Denn wenn sie richtig gespielt hätten, wäre ich steckengeblieben wie ein Pony, das durch die Katzenklappe will. Und das Pony wäre mit Rollschuhen noch nicht einmal in die Nähe der Katzenklappe gekommen.
„So, als müsstest du auf einer richtig ekligen öffentlichen Toilette scheißen.“
Ich versuche aufzustehen und merke: „Für eine gegnerische Mannschaft wäre ich perfekt. Ich falle einfach von selbst!“ Das ist dann auch nach ein paar Laufversuchen die erste Aufgabe. Kollektives Auf-die-Fresse-fallen.
Bodychecks machen Christian nichts aus.
Ich komme mir eigentlich im gesamten Training nicht besonders grazil vor. Wenn ich nicht gerade hilflos am Boden liege, soll ich mir während des Fahrens vorstellen, ich würde mich aufs Klo setzen. „So, als müsstest du auf einer richtig ekligen öffentlichen Toilette scheißen“. Dabei wird ein schmerzhafter Punkt getroffen, denn nach nur kurzer Zeit brennen meine Oberschenkel, als würden sich dort Muskeln bilden, die ich vorher nicht kannte.
Vor allem weiß ich jetzt auch, warum es sich beim Roller Derby um einen Frauensport handelt: Multitasking. Denn nur so kann man seinen rollenden Körper beherrschen, Schmerzen aushalten und gefühlte fünftausend Regeln beachten, während man auch noch Freude daran hat.
Endlich wieder Boden unter den Füßen.
Abseits des Feldes werden erste Beurteilungen getroffen: „Ein Naturtalent ist er nicht. Er würde es auch nicht lernen, wenn er wollte. Aber nett ist er ja und er hat sich bemüht.“ – eine Bescheinigung, die ich schon aus meiner Schulzeit kenne. Ich weiß selbst, es waren nicht meine sportlichen Höchstleistungen, sondern mein Charme, der mich letztendlich doch gerettet hat. Und so freue ich mich darauf, beim nächsten Spiel der Dresden Pioneers das zu tun, was ich im Sportunterricht dann doch geliebt habe: auf der Bank sitzen, lächeln und mich am Schweiß der anderen erfreuen.
Auch wenn es mir mit den Mädels wirklich Spaß gemacht hat, in einer Rollschuhrangelei wird mich niemand wiedersehen.
Text: Christian Wobbeler Fotos: Norbert Neumann
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