Der Sänger Clueso isst Sushi, als SPIESSER-Autor Vincent ihn zu seinem neuen Album „Handgepäck I“ telefonisch interviewt. Die Platte ist intensiv, da sie Songs versammelt, die allesamt auf Reisen entstanden sind. Mit vollem Mund erzählt Clueso vom XL-Reisen, funktionierender Emotion und einem kleinen Furz im All.
29. August 2018 - 15:19 SPIESSER-Autor Kalendermensch.
Wenn ich ein großes Album mache, habe ich bis jetzt Glück gehabt, dass Songs wie „Achterbahn“ herausgekommen sind. „Handgepäck I“ ist ein Album, das es nicht auf schmissige Songs anlegt. Ich bin dazu aufgebrochen, das Album anders abzuarbeiten, da ich trojanische Pferde für das Radio nicht habe.
Was versprichst du dir von deiner minimalistischen Handgepäck-Albumserie? (Wie versprochen)
Eine richtige Erwartungshaltung habe ich nicht. Es war mir ein Bedürfnis, das Album zu machen, weil ich seit Jahren einen Handgepäck-Ordner habe. Ich konnte die Songs in Ruhe sammeln und freue mich, sie nun rauszuhauen. Hoffentlich erkennen die Fans, dass alles von mir selbst ist.
Bist du Perfektionist? (Stein)
Ja, ich bin perfektionistisch, was das Unperfekte angeht. Ich will, dass die große Frage „Wann funktioniert Emotion?“ gelöst ist. Dafür bin ich bereit, Prozesse über den Haufen zu werfen. Ich habe auf der neuen Platte selbst gemischt, obwohl ich die Songs schon in eine Mischung gegeben hatte.
Was hast du von deinen vielen Reisen mitgenommen? (Einfache Fahrt)
Unsere Schwächen sind unsere Stärken. Wenn du ein sesshafter Typ bist, dann sagt dein Umfeld: höre auf zu chillen. In einem anderen Land bist du derjenige, der situativ die Ruhe behält. Du lernst Leute anders kennen, wenn du – wie ich Freak – „Hansdampf in allen Gassen“ bist. Vor allem, wenn man den Blues hat, kann das nerven. Im Ausland geht man deswegen schneller auf Leute zu.
Du singst vom Heimkommen nach Erfurt – deinem Wohnort seit vielen Jahren. Was ist es, was dich als erfolgreichen Künstler in Erfurt hält? (Du und Ich)
Erstmal bin ich „connected“, obwohl ich gar nicht so connected bin. Ich bin viel unterwegs, sodass ich soziale Kontakte nicht pflege wie andere. Ich bin spontan da. Dafür ist ‘ne überschaubare Stadt cooler, weil ich alle kenne. Anderseits bin ich da geboren. Ich habe ein sehr starkes Zuhause-Gefühl. Das hilft mir in meiner Unruhe, Dinge zu machen. Es ist auch ein kleiner Anker.
Dein größtes Steckenpferd sind akzentuierte Gitarrensongs. Was kann die Gitarre, was andere Instrumente nicht können? (Wenn ein Mensch lebt)
Sie kann beiläufig sein. Für Songwriter ist eine Gitarre förderlich, weil du sofort „bass“ und Begleitung hast. Du kannst allein mit Akkorden einen Song singen. Mit einer Gitarre kommt man wahnsinnig schnell in Stimmung, einen Song zu schreiben. Dazu kommt, dass ich schon lange Gitarre spiele. Ich habe sie immer dabei.
Was war deine bisher schönste Reise? (Landstreicher)
Die schönsten Reisen sind die, bei denen man überwältigt ist von Landschaften und Umgebungen, die einen klein machen. Dass man denkt, ich habe alles in XL: XL-Bäume, XL-Berge. Ich bin nur ein kleiner Furz im All. Wahnsinn, wie mich das ins Jetzt ruft. Es kann ein Land wie Äthiopien sein, wo du traditionell mit Leuten tanzt, denen du noch nicht mal „Hallo“ gesagt hast. Es sind Momente, die man nur besonders wahrnimmt, weil man sie zum ersten Mal erlebt.
Was hast du von Udo Lindenberg gelernt? (Zimmer 102)
Seine Relaxtheit und Coolness in bestimmten Situationen. Außerdem ist er ein Menschenfan und geht auf Leute mit offenen Armen zu, aber wenn die Energie komisch ist, kann er sie auch eiskalt abblitzen lassen. Da muss man bisschen stiefmütterlich sein.
Du bist 38 Jahre alt und hast mehr geschafft als andere in deinem Alter. Was willst du noch erreichen? (Es ist schon spät)
Ich finde es tierisch, wenn auch junge Leute in das Clueso-Universum eintauchen. Wenn junge Leute sagen: Geil, der macht mit den Fantas einen Song, ein Gitarrending und legt dann Elektro auf.
Bist du mehr Clueso oder Thomas Hübner? (Dünnes Eis)
Das ist verwoben! Ich weiß natürlich, dass ich Thomas Hübner bin und Clueso erfunden. Aber wenn dich alle so anquasseln? Ich bin froh, dass ich keinen Bart als Erkennungsmerkmal habe, den ich mir nie abrasieren kann, sondern dass ich als Clueso Thomas Hübner sein darf und umgedreht. Ich präsentiere mich so, wie ich bin, mit Augenzwinkern gegenüber Clueso. Wir ärgern uns immer gegenseitig.
„Handgepäck I“ von Clueso
VÖ: 24.08.18 Label: Vertigo Berlin
Text: Vincent Koch
Bilder: Christoph Köstlin
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