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Zockmusik: Polarkreis 18

Die Dresdner Jungs von Polarkreis 18 sind gerade mal Anfang 20 und haben sich für den Beruf des Vollzeitmusikers entschieden. Ganz schön gewagt, finden wir und bitten die Bandmitglieder Felix, Philipp und Bernhard umgehend zu einer Partie Risiko.

24. February 2007 - 19:01
SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
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Beigetreten: 25.04.2009

Wer dieser Tage von allen Seiten gesagtbekommt, dass er die strahlende Zukunftder deutschen Indiemusik verkörpert, darf zu Beginn ruhig ein wenig maulen. "Wir sind eigentlich gar nicht so die Spiele-Typen", findet Gitarrist Philipp und taucht seine Nase tief in seinen schneeweißen Cappuccino-Schaum. Wie bitte? Gutbürgerliche Berufs- oder Studienkarrieren um der Musik Willen ignorieren und dann keine Zocker? Ihr macht wohl Witze! Also Würfel raus und Kontinente besetzen, geziert wird sich höchstens im Mädcheninternat. Felix und Bernhard gründeten 1997die Band "Jack Of All Trades", den Vorläufer von Polarkreis 18. Aus heutiger Sicht machte man damals ziemlich schlechte Rockmusik, hatte aber schon dieses Funkeln im Auge sowie den Wahnsinn im Nacken. Die Mitglieder wussten: da geht was.

Anfang dieses Jahrtausends kam dann der Schwenk ins Experimentelle. Die Freunde investierten in Laptops, Sampler und ein eigenes kleines Studio, in das sie sich manchmal tagelang einschlossen, um an ihrem neuen, dem Polarkreis-18-Klang zu feilen. Als außergewöhnlich bewundert den nun die Musikpresse und wirft freudig erregt mit Radiohead-, Sigur Rós- oder Muse-Vergleichen nur so um sich. Polarkreis18 sehen sich selbst hingegen eher als eine Elektronik-Band, die eine richtige Band sein will und gleichzeitig als eine richtige Band, die eine Elektronik-Band sein will. Das hat irgend jemand mal so geschrieben, als die Popularität der Gruppe langsam immer größer wurde. Die Jungs mögen diese Beschreibung.


 

"Ob deine Musik funktioniert oder nicht, bekommst du keinesfalls über deinen lokalen Bekanntheitsgrad heraus. Den kann jede noch so schlechte Band mit genügend Kraft und Aufwand erreichen. Spannend wird es erst, wenn ein Interesse von außen sichtbar wird, vor allem aus den Medienstädten", weiß Sänger Felix. "Spätestens da sollte man entscheiden, ob man es todernst meint mit der Musik. Professionell heißt ja auch, dass du rund um die Uhr damit beschäftigt bist, es plötzlich um eine Stange Geld geht und mehr als einmal Sachen von dir verlangt werden, die definitiv keinen Spaß machen", ergänzt Bernhard, der Mann für die Elektronik-Frickeleien, während zur gleichen Zeit auf dem Spielbrett eine verbissene Schlacht um Grönland entbrennt. Na holla, das klingt aber triste! Wo bleiben da denn all die oft bestaunten Musiker-Klischees? Die mit den wilden Partys samt anschließendem Ausschlafen bis in den späten Nachmittag? "Das Schöne an unserem momentanen Tagesablauf ist ja, dass er so vielseitig ist. Die besten Tage sind die, an denen du morgens aufstehst und gleich die Ideen der letzten bierseligen Nacht aufnimmst. Trotzdem bilden die leider nur den kleinsten Teil. Meist wirst du wach, checkst Mails und telefonierst mit den ganzen Agenturen. Organisationskram halt, der schon mal fünf bis sieben Stunden in Anspruch nehmen kann. Wirklich Musik gemacht wird dann erst abends , sagt Bernhard.

Trotz alledem haben Polarkreis18 den Schritt ins Musikgeschäft gewagt und beim Majorlabel Motor unterschrieben. Überzeugungsarbeit galt es dabei andauernd zu leisten, vor allem in der Familie. "Mittlerweile finden aber selbst unsere Großeltern unseren Job ziemlich cool", grinst Philipp. "An Weihnachten haben sie sogar gefragt, ob sie mir mit Gitarrensaiten eine Freude machen können." Und wenn der Druck im Haifischbecken Musikbranche doch letztendlich eine Nummer zu groß werden sollte oder schlimmstenfalls alles komplett in die Binsen geht? Schließlich klagen die Plattenfirmen ja seit Jahren übersinkende Absatzzahlen und schleppende Verkäufe, was den Druck auf die einzelnen Bands nicht gerade verkleinert. "Die Kunst an solch einem Punkt wird sein, einfach loszulassen und abzuschalten. Da heißt es einfach hinsetzen wie damals vor zehn Jahren, als du deine erste Gitarre geschenkt bekommen hast. Verstärker an, Augen zu und einfach drauflos schrubben. Studieren oder arbeiten können wir dann schließlich auch immer noch." Da war es wieder, dieses kleine, sympathisch-verrückte Augenblitzen. Wenn die drei Jungs von ihrer eigenen Musik und Arbeitsweise erzählen, ist da so viel Überzeugung, Herzblut und Liebe, dass das Risiko-Brettspiel mittlerweile längst verwaist vor sich hindösen darf. Nein, zocken tun diese Dresdner Jungs hier fürwahr nicht. Sie wissen vielmehr,dass alles gut werden wird.

Text: Mario Cetti

Das Album Polarkeis 18 von Polarkreis 18 ist am 16. Februar erschienen. Die SPIESSER Musikredaktion empfiehlt dieses tolle Album mit Nachdruck. Mehr dazu unter  www.polarkreis18.de

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