Insgesamt ist Bushidos Plan aufgegangen. Besser hätte man nicht auf das Debütalbum „NWA“ von Shindy, der bei Bushidos Label „ersguterjunge“ unter Vertrag ist, aufmerksam machen können. In weniger als 48 Stunden erreichte der Skandal-Track „Stress ohne Grund“ über eine Million Klicks auf Youtube und die Verkaufszahlen von „NWA“ waren für Shindy als Newcomer in der Szene besonders gut, so sein Mentor Bushido. Das Album wird inzwischen zwar indiziert, ist aber dennoch ein voller Erfolg.
Wenn ich mir die verschiedenen Interviews mit Bushido ansehe, stelle ich fest, dass es sich nicht nur um eine Werbekampagne handeln kann. Vielmehr bekomme ich den Eindruck, dass er zu einem taktisch cleveren Zeitpunkt mal wieder das Ventil öffnen musste. Mit den Politikern Claudia Roth und Serkan Tören war er schon öfter aneinander geraten. So bezeichnete Claudia Roth den Berliner Rapper im Vorfeld als Antisemiten, weil dieser eine Nahost-Karte auf seinem Twitter-Profil hochgeladen hatte. Darum sind die Beleidigungen, welche in dem Track „Stress ohne Grund“ vorkommen, bewusst auf sie bezogen.
Ist es an dieser Stelle nicht sogar legitim, dass sich Bushido im Rahmen seiner Möglichkeiten als Künstler bei der Politikerin rächen wollte? Auch sie hat als Person im öffentlichen Raum eine sehr große Verantwortung. Darf sie dann so etwas über einen anderen Menschen sagen?
Bushido selbst zeigt sich in Interviews mit N24 und dem ORF versöhnlich. Er erklärt, dass es sich bei den Text-Zeilen über die genannten Politiker keineswegs um Morddrohungen handle und er keine Person damit körperlich angreifen möchte. „Ich schieß auf Claudia Roth und sie kriegt Löcher wie ein Golfplatz“ soll deshalb aus Sicht des Rappers nicht etwa heißen, dass er mit einer Pistole auf sie schießt, sondern lediglich mit Worten. „Ich will, dass Serkan Tören jetzt ins Gras beißt“ wurde aus Bushidos Sicht ebenfalls von den Medien falsch interpretiert. Es soll einfach nur sagen, dass er seine „Klappe halten“ soll, so Bushido am 15. Juli 2013 im Interview mit dem ORF. Wenn ich mir das ganze Interview so ansehe, muss ich feststellen, dass es in diesem Fall vielmehr die Moderatorin ist, die eine gewisse Grenze überschreitet, als sie den Rapper mit einer Neo-Nazi-Band vergleicht. Bushido selbst wirkt sehr souverän und gibt wenig Angriffspunkte. Der Rapper erklärt, dass er nur aufgrund der Aussagen Roths und Törens, auf diese mit „Worten geschossen habe“ und, dass er bereit sei nochmal mit den Politikern zu reden, falls diese ihre antisemitischen Äußerung ihm gegenüber zurücknehmen sollten.
Im Großen und Ganzen ergibt sich also nach Betrachtung der einzelnen Interviews ein neues Bild. Aus meiner Sicht hat sich der Rapper im Rahmen seiner künstlerischen Möglichkeiten gerechtfertigt. Nicht mehr und nicht weniger. Bushido wird in den Medien zu einem großen Thema gemacht, für das sich plötzlich das ganze Land zu interessieren scheint. Jeder möchte sich zu ihm äußern und den Skandal für sich nutzen. So äußerte sich beispielsweise Heino, „dass man Bushido wegsperren solle.“
Ob reine Werbestrategie oder nicht – Bushidos Plan ist aufgegangen. „NWA“ war ein voller Erfolg. Es wird zwar nun indiziert, doch das Album erscheint nochmal unter dem Namen „NWA 2.0“ am zweiten August dieses Jahres. Ob die Politiker bis dahin den ersten Schritt machen werden und ihre Äußerungen zurücknehmen, ist fraglich. Ich bin gespannt, was das Thema noch alles bringt.
Text: Uli Cremerius
Richtig spannendes Thema... In "qualitatihochwertigeren" Medien wurde es auch nur einmal erwähnt und vielleicht noch ein zweites Mal kurz. Andere Themen wie Syrien/Ägypten/NSA bzw. Snowden waren und sind doch weit präsenter, es sei denn man liest irgendeinen Boulevardschund.
Interessant ist auch, dass sich am Kassierer Song "Tot, Tot, Tot" seit Jahren keiner stört :D
https://www.youtube.com/watch?v=cgVCBLo1nzA