Auf der „Denk ich an Deutschland“-Konferenz versammeln sich Experten und Führungspersonen aus allen möglichen Bereichen. SPIESSER-Autorin Klara hat vor Ort mit einigen von ihnen Interviews geführt und berichtet hier, wie man sich als Schülerin zwischen Seidenblusen und Schlipsträgern fühlt.
Das Gebäude in Berlin, in dem die diesjährige und damit neunte „Denk ich an Deutschland“-Konferenz stattfinden soll, empfängt mich in den thematisch passenden Farben des Tages: weiß und blau. Sei es der mamorne Fußboden oder das Arrangement aus beleuchteten Gewächshäusern, das den Konferenzsaal schmückt.
Hier, zwischen all den Hochglanz-Lederschuhen, die aussehen, als wären sie noch nie in einen auf dem Bürgersteig klebenden Kaugummi getreten, fühlt es sich merkwürdig an in meinen abgenutzten Schuhen umher zu laufen, die sonst beschmierte Schulflure gewohnt sind.
Ein Tag zwischen Experten
Wir SPIESSER-Autoren werden auf der Konferenz, die von der Alfred-Herrhausen-Gesellschaft in Kooperation mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ausgerichtet wird, einige der Redner interviewen. Sie halten heute Impuls-Vorträge oder tauschen in Podiumsdiskussionen ihre Meinungen aus, wobei das Thema immer darum kreist, was Europa, oder besser: Deutschland in Europa, jetzt anpacken muss.
Eines haben alle Redner gemeinsam: Sie sind Experten auf ihrem Gebiet. Deshalb bin ich zunächst sehr erstaunt, als ich eine Einladung bekam, in der mir geschrieben wurde: „[Wir] möchten gemeinsam mit Ihnen und weiteren prominenten Gästen nach vorn schauen und Ideen für Europa entwickeln.“ Wie viel ich da wohl beisteuern kann? Ich fühle mich nicht wirklich in der Lage, mit diesen Menschen über Europa zu diskutieren. Woher kommt nur dieses Gefühl der Unwissenheit, wo es doch nicht an Desinteresse liegen kann?
Im Gespräch mit Paul Achleitner, Vorsitzender des Aufsichtsrats
der Deutschen Bank AG
Die europäische Union ist ein Thema, das uns alle betrifft und ich will die Chance nicht verstreichen lassen, weshalb ich meine beste Bluse anlege und mich unter all die hochkarätigen Personen der Konferenz wage. Die besprochenen Themen sind interessant und wichtig, weil aktuell. Der Tag ist in vier „Panels“ geteilt, in denen es sich zum Beispiel um Wirtschaft, Technik und auch Flüchtlingspolitik dreht.
Wir SPIESSER müssen unsere Aufmerksamkeit aber verstärkt den Rednern in unseren Interviews widmen. Die Verschiedenheit unserer Gesprächspartner rangiert dabei zwischen Politikern und Geflüchteten, Autoren und Wissenschaftlern, Journalisten und Kellnern. Jeder hat etwas Sinnvolles beizutragen, die groß geschwungenen Reden scheinen Hand und Fuß zu haben. Hier werden auf hohem Niveau Probleme erörtert, die es wert sind, besprochen zu werden, hier kommen Menschen zusammen, die auf Grund ihrer fundierten Meinung und ihrer Erfahrung Ideen und Visionen entwickeln.
Zurück in die ... „Normalität“?
Am Ende dieses anstrengenden, ereignisreichen Tages sind Kaffeeflecken auf dem weißen Marmorboden verteilt und ich habe es geschafft mir bewusst zu machen, was mir den ganzen Tag lang eingeredet wurde, wenn ich vor dem Interview mit einem der Anzugträger aufgeregt war: „Das sind hier schließlich auch alles nur Menschen.“
Und trotzdem beschleicht mich das Gefühl, für einen Tag eine andere Welt betreten zu haben, als ich kurze Zeit später durch die Schiebetür einen Zweite-Klasse-Abteil nach Hause betrete und mir die abgestandene Luft den Geruch von Schweiß und Alkohol sowie die grölenden Gesänge der Fußballfans aus dem nächsten Abteil entgegenträgt. Hier, wo Fußabtreter tatsächlich dazu dienen, den Schlamm von den Sohlen zu entfernen und nicht nur Teil des Designs sind, kommt mir mein Aufzug in Bluse, Blazer und schwarzer Hose lächerlich vor, beinahe weltfremd.
Wo bin ich nur gewesen?
Text: Klara Wessel
Fotos: Frieda Rahn
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