Tatsache: Ich hätte es fast nicht mehr vermutet, aber ich hab mich eingelebt. Nach drei Monaten hab ich raus, wie das mit dem Studieren geht. Hörsäle finde ich inzwischen problemlos. Ich weiß, wo die Buchstabennummerierung aufhört und in welches Stockwerk ich muss, wenn XVII auf meinem Plan steht. Ich habe gelernt: Selbstorganisation ist alles.
Verplant?
In welchen Raum muss ich gleich?
Endlich Schluss mit der Verwirrung!
Erst einmal bin ich im falschen Zimmer gelandet. Statt bei einer Stunde amerikanischer Literaturwissenschaft, stand ich in einem Raum mit Studenten, die aussahen, als würden sie bald ihren Doktor schreiben. Die sind sicher alle drei Jahre durch die Welt gereist, denke ich und räume fröhlich meinen Hefter auf den Tisch. Dass der Professor und nicht die Tutorin anwesend ist, liegt bestimmt daran, dass sie krank ist. Im ersten Semester gibt es zu jeder Vorlesung noch ein Tutorium, in dem der Stoff wiederholt wird. Jetzt spricht Herr Meyer von einer Hausarbeit. Ich weiß nichts von einer Hausarbeit. Dieses Semester muss ich doch gar keine schreiben. Oder? Ich frage nach. „Wir sind hier aber im fünften Semester.“, antwortet mir der Professor. Schnell mache ich einen Zeitsprung ins Nachbarzimmer. Zurück ins erste Semester.
Ausgeplant?
Ohne Textmarker geht gar nicht!
Jedenfalls habe ich jetzt einen Plan. Neben den Minuten, die ich beim Hörsaalsuchen spare, weiß ich nun auch die Zeit während den Vorlesungen optimal zu nutzen. Die Zeitsparer von Michael Endes „Momo“ wären stolz auf mich. Sogar Mitschreiben schaffe ich dreifarbig: Rote Überschriften, blauer Text und was unbedingt in den Kopf muss, wird gelb markiert. „Vicky, schau mal!“ Ich tippe auf das Blatt meiner Sitznachbarin. Die Worte „Borbonenherrschaft“ und „Verfassung von Cádiz“ gucken sie jetzt in neongelber Farbe an. Ich bin stolz. Sogar für die Coloration von Vickys Mitschriften habe ich Zeit. Gerade, als ich den Textmarker erneut ansetze, bemerke ich den Ausdruck auf ihrem Gesicht. Ist das Mitleid? Sie sollte sich freuen! Bemitleiden sollte sie mich in angloamerikanischer Kulturwissenschaft. Textmarker? Bunte Überschriften? Unmöglich! Schon eine Farbe ist zu viel. Im Sekundentakt klickt sich Frau Heinze durch ihre Folien. Erfassen, Merken. Mehr ist nicht drin.
Durchgeplant!
Besser jetzt mitschreiben.
Dienstagnachmittag sehr zu empfehlen: Top-Sitznachbarn oder ein gutes Buch. Ich stelle jedoch fest, dass sympathische Mitstudenten in Kombination mit einem eher verwirrten Prof eindeutig mehr gute Laune machen. Ich stachele meinen Freund Ruben an: „Los, mach, dass was Lustiges passiert!“ Ruben guckt irritiert: „In dieser Vorlesung? Vergiss es.“ Ha! Weit gefehlt. Auch wenn spanische Literaturgeschichte eher unspannend ist, der Prof ist in seiner Verwirrtheit unwillkürlich sehr lustig. Man muss nur darauf achten. Herr Peters kullert mit den Augen und guckt an die Decke: „Was wollte ich sagen?“ Gedankenverloren streicht er sich über den Bauch. Hat er Hunger? „Ah! Wir wollten doch noch den Reim besprechen.“ Während uns Herr Peters nun also die Metrik in spanischen Sonetten erklärt, wippt er taktisch mit. Pro Silbe einmal nach vorne schaukeln. Ich bin begeistert. „Ob wir das in der Klausur auch so machen dürfen?“ Ruben gibt keine Antwort. Er macht Kreuzworträtsel. Wenn er wüsste. Jetzt zuhören und mitschreiben und er könnte sich bis zur nächsten Vorlesung in einer Woche entspannen. In der freien Zeit kann er dann sein Kreuzworträtsel textmarken.
Gustav, ich bin auf den Textmarker gekommen! Und was du so während des Unterrichts? Lest mehr, nächste Woche in Gustavs Blog.
Fotos: Andreas Stix, Simone Hainz, Markus Hein (pixelio.de)
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Faulheit für immer! :D
...oder gelb-grün-orange-blau-pink! ;)
Ach, die Textmarker! Wieviele Bücher hab ich dadurch zerstört? Am Ende war dann eh alles orange ... oder grün ... oder gelb.