Welche realen Auswirkungen Cybermobbing haben kann, wurde erst vor kurzer Zeit durch den unerwarteten Todesfall der ehemaligen GNTM-Kandidatin Kasia Lenhardt deutlich. Hinweise deuten auf einen selbstverschuldeten Tod hin. Dazu geführt haben könnten wohl auch die zahlreichen Hasskommentare und andauernde Shitstorms gegen die junge Frau. Das Model war wegen ihrer Beziehung zum Fußballspieler Jérôme Boateng in die Kritik der Öffentlichkeit geraten, und nach der Trennung erhob Boateng selbst öffentlich schwere Vorwürfe gegen seine Ex-Freundin. Auf ihrem Instagram-Profil wehrte sich Kasia zwar gegen diese Anschuldigungen und teilte ihren Frust über die Situation mit. Die Hetze fand aber kein Ende und ging sogar so weit, dass sie Morddrohungen erhielt. Ihr letzter Instagram-Post: „Now is where you draw the line. Enough.“
Ein Phänomen über alle sozialen Schichten hinweg
Aber Cybermobbing betrifft nicht nur Personen des öffentlichen Lebens, sondern kann jeden treffen. Mobbing im Netz findet beispielsweise in Chats oder Foren, am häufigsten jedoch in unseren heiß geliebten sozialen Netzwerken statt. Cybermobbing heißt aber nicht nur, dass man online bloßgestellt wird, weil private Nachrichten oder Fotos veröffentlicht oder Gerüchte verbreitet werden. Cybermobbing beginnt mit dem wiederholten Senden von beleidigenden oder belästigenden Nachrichten und dem bewussten Ausschließen bestimmter Personen von Aktivitäten, Chats und Ähnlichem.
• § 185 Strafgesetzbuch: Beleidigung
• § 238 Strafgesetzbuch: Nachstellung
Ausgrenzung, Spott oder Schikane unter Jugendlichen sind erst mal keine neuen Verhaltensweisen, sondern den meisten bekannt, aber die Formen des Mobbings haben sich im digitalen Raum in den letzten Jahren stark verändert. Cybermobbing verfolgt die Opfer nach Hause und beeinflusst auch ihr Privatleben. Durch das Internet als Medium können die Opfer Anfeindungen oft nicht aus dem Weg gehen, sondern sind ihnen konstant ausgesetzt. Hinzu kommt: Jederzeit können auch Unbekannte einen im Netz angreifen. Die Anonymität im Internet ermutigt Mobber dazu, Äußerungen zu tätigen, die sie ihren Opfern nie ins Gesicht sagen würden.
Es ist erschreckend, wie viele Jugendliche bereits selber Opfer von Cybermobbing wurden oder Betroffene kennen. Laut der JIM-Studie (Jugend, Information (Multi-)Media) wurde jeder fünfte Jugendliche schon einmal mit der Situation konfrontiert, dass falsche oder beleidigende Dinge über ihn im Internet kursierten, und jeder dritte Jugendliche kennt jemanden, der durch Cybermobbing fertiggemacht wurde.
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Ein konkretes Beispiel
Wie am Beispiel Kasia Lenhardt deutlich wurde, kann Cybermobbing schlimme Konsequenzen nach sich ziehen, aber zum Glück endet es nicht immer so. Während meiner Recherchen bin ich auf den Fall der 17-jährigen Chiara gestoßen, die jahrelang Opfer von Cybermobbing war. Trotzdem hat sie es geschafft, den Teufelskreis zu durchbrechen. 2017 sprach sie mit einem Reporter des Magazins Focus über ihre Erfahrungen. Ich möchte Chiaras Fall hier erzählen, um anderen Betroffenen Mut zu machen und ihnen zu zeigen, dass es einen Ausweg gibt.
Fünf Jahre lang wurde Chiara an ihrer Schule gemobbt, wegen Dingen wie ihrem Kleidungsstil oder ihrer Art zu reden. Teilweise sei das sogar so weit gegangen, dass sie in der Umkleide der Turnhalle gefilmt wurde und das Video auf YouTube landete. Das ständige Mobbing führte bei Chiara nicht nur dazu, dass sie sich von ihrer Familie distanzierte und ihre Freunde verlor, sondern auch zu selbstverletzendem Verhalten, Drogenmissbrauch und sogar Selbstmordgedanken. Von ihrer Lehrerin bekam Chiara keine Unterstützung und ihren Eltern wollte sie sich anfangs nicht anvertrauen, weil sie sich schämte, obwohl es dazu keinen Grund gab. Die Tortur endete für das Mädchen erst, als sie die Schule wechselte und sich mit ihrer Familie Hilfe beim Bündnis gegen Cybermobbing holte.
Dunkle Aussichten
Experten beobachten in Bezug auf Cybermobbing einen beunruhigenden Trend: Täter werden sich ihrer Taten immer bewusster und das Mitgefühl für die Opfer ihrer Attacken schwindet. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, wie wir soziale Medien nutzen. Durch die Schnelllebigkeit im Internet haben wir beispielsweise zwar die Möglichkeit, schneller auf Informationen zuzugreifen und besser mit unseren Mitmenschen zu kommunizieren, aber dadurch können auch schneller und einfacher Nachrichten, Bilder und Videos verschickt werden, ohne dass die Konsequenzen dieses Handelns vorher reflektiert werden.
Es kommt so dazu, dass man schneller abwertende Kommentare verfasst oder scheinbar lustige Bilder weiterleitet, ohne sich darüber im Klaren zu sein, was ein derartiges Verhalten für die Zielpersonen bedeutet. Hinzu kommt die Anonymität im Netz, durch die Täter oft nicht bestraft werden (können). Um Cybermobbing in Zukunft zu verhindern, muss man also auch präventiv daran arbeiten, die Sicherheit und den Respekt im Netz zu verbessern.
Text: Annika Sperling