An einem sonnigen, kühlen Sonntagmittag stehe ich vor dem Teegarten des Grandhotel Cosmopolis. Bunte Stühle und Tische, Efeu, der über die Mauern wuchert und eine mächtige Linde schaffen eine sehr gemütliche Atmosphäre. Hier im ruhigen und beschaulichen Domviertel von Augsburg steht ein Hotel, das in seiner Art einzigartig in Deutschland ist. Einen Tag möchte ich hier mitarbeiten, erfahren, wie eine so außergewöhnliche Idee gelebt werden kann und was man selbst dazu beitragen kann.
Die Idee zu diesem Hotel in dem Reisende, Flüchtlinge und Künstler zusammen leben und arbeiten, entstand 2011. Über zwei Jahre zogen sich Verhandlungen, Renovierungen und Veranstaltungen. Im Juli 2013 zogen die ersten Gäste mit Asyl ein. Damit sind die Menschen gemeint, die ihre Heimat unfreiwillig verlassen haben. Drei Monate später folgten dann die Gäste ohne Asyl, die Reisenden. Bewusst werden hier Begriffe wie „Asylbewerber“ oder „Flüchtlinge“ vermieden, denn im Grandhotel ist jeder ein Gast. Egal woher man kommt oder warum.
Zwischen Künstlerzimmer und spektakulärer Aussicht
Im „Leuchtturm“-Zimmer beginnt Anita ihren Dienst.
Mein erster Einsatz findet in der Zimmerreinigung statt. Dort treffe ich auf Annika, sie ist fürs Studium nach Augsburg gekommen und arbeitet seit Mai hier. Vom Grandhotel hat sie über die Zeitung erfahren und per Email angefragt, wo Hilfe gebraucht wird. Sie zeigt mir die Zimmer für die Reisenden, von denen jedes einzigartig gestaltet wurde.
Im Leuchtturmzimmer, von der Münchner Künstlerin Lena Gätjens konzipiert, hängen neben dem Bett Kleiderbügel kunstvoll von der Decke, die Wand ist unverputzt und alles voller bunt zusammengewürfelter Möbel. Während wir den Boden sauber machen, erzählt sie mir, was sie bewegt hat, hier mitzuhelfen: „Wir können nicht beeinflussen, wer hier bleiben kann und wer nicht. Aber jeder kann eine Kleinigkeit beitragen. Wir können selbst entscheiden, wie wir mit den Menschen umgehen.“
Einige Zimmer weiter helfen Merlin und Karla, die hier logieren und nur kurz auf der Durchreise sind. Denn jeder Gast kann aktiv an diesem Projekt mitarbeiten und mitwirken. Man reist mit vielen neuen Erfahrungen ab. Die einmalige Aussicht über die alte Römerstadt Augsburg gibt es gratis dazu.
„Ich, Tuch!“
Mit Papierschnipseln lernen die Syrer fleißig Deutsch.
Weiter geht es für mich an die Bar. Hier schlägt das Herz des Hotels, hier laufen alle Fäden zusammen, hier lernt man schnell die Bewohner und Mitarbeiter kennen. Ich hole mir eine Schürze und serviere Kuchen, Milchkaffee und Weißweinschorle. Ein Junge, der gerade noch draußen mit seinem Vater getollt hat, kommt herein und fordert: „Ich, Tuch!“ Die Arbeit an der Bar ist nicht schwer und man kommt schnell mit den Kollegen ins Gespräch, jeder hier ist offen und freundlich.
Im Eingangsbereich warten schon drei junge Syrer auf Anja, die ihnen Deutschunterricht erteilt. Anja, eine Studentin, legt kleine Papierstreifen auf den Tisch. Das Thema heute: einfache Sätze und Fragen im Präsens bilden. Die Männer helfen sich gegenseitig, die Stimmung ist gelöst und heiter. Trotz der komplizierten deutschen Grammatik, sind sie konzentriert bei der Sache. „Es macht viel Spaß. Und es ist so bereichernd, sich kulturell auszutauschen“, erzählt mir Anja.
Vielfältig und ganz nah dran
In der Café-Bar können sich die Bewohner unterschiedlicher
Herkunft und Kultur bei Kaffee und Kuchen austauschen.
Die Möglichkeiten, wie man sich im Grandhotel Cosmopolis einbringen kann, sind sehr vielfältig. Meist fängt man an der Café-Bar an. So lernt man schnell die Strukturen, Menschen und Abläufe im Hotel kennen. Über die Internetseite des Grandhotels kann man auch in speziellen Bereichen anfragen, ob gerade jemand gebraucht wird. Von Techniker bis Back- und Kochfee werden fast alle Fähigkeiten hoch geschätzt.
Zu den normalen Bürozeiten ist Peter Fliege dafür zu erreichen. Man kann aber auch ab und an vorbeikommen, mit Freunden einen Kaffee trinken und sich dabei auf den neusten Stand bringen lassen. Wer nicht in Augsburg wohnt, kann spenden. Es gibt konkrete Projekte wie Nahrungsmittelbeschaffung oder den Bau eines Kinderspielplatzes. Aber auch allgemeine Spenden sind sehr willkommen. Und wer die Fuggerstadt besuchen will, dem kann ich ein Zimmer hier nur wärmstens empfehlen!
Kicken ohne gemeinsame Sprache? Geht!
Da sage einer, Fußball würde nicht verbinden...
Mein Tag neigt sich dem Ende zu. Es ist Abend geworden und ich werde von einem der Betreuer eingeladen, noch zum Kicken mitzukommen. Auf dem kleinen Fußweg bis zum Bolzplatz erklärt er mir, was man beachten sollte, wenn man mit Flüchtlingen zusammenarbeitet: Auf die Bedürfnisse eingehen, sich auf die jeweilige Person einlassen und dabei Verständnis und Empathie mitbringen. Es sollte niemand von oben herab bevormundet werden. Auch sei es wichtig, mal aus der gewohnten Umgebung herauszukommen, die Stadt kennenzulernen und Begegnungsplattformen zu schaffen.
Am Fußballplatz spielen schon drei Jungs aus der Nachbarschaft, ungefähr im gleichen Alter. Sofort werden aus allen zwei Teams gebildet. Ich spiele mit und auch wenn ich meine Leistung als eingerostet einstufen würde, sagt einer der Jungen am Ende zu mir: „I have never seen a girl playing football. But you’re so good!“ Wenn das nicht mal ein großes Lob ist. Handynummern werden ausgetauscht – wer weiß, vielleicht sieht man mich häufiger beim Kicken.
Verschwitzt und mit sandiger Hose stelle ich fest, wie wenig es braucht, wenn man helfen will. Jeder, der sich engagiert, macht einen Unterschied. Im „Grandhotel Cosmopolis“ kann jeder seine Fähigkeiten einbringen, im Grandhotel ist jeder willkommen.
Ansprechpartner: Peter Fliege, Montag bis Freitag von 8.30 – 15.30 Uhr oder auf Anfrage, Tel: 0821 450 82 411
Zimmer buchen, Spenden und weitere Infos: grandhotel-cosmopolis.org/de
Café mit Teegarten: Mo – Fr von 8 Uhr bis 22 Uhr, am Wochenende und Feiertags ab 9 Uhr
Fotos und Text: Anita Schedler