Dschirouwihschn... Was ausgesprochen klingt, als würde man den Eurovision Song Contest wie Kaugummi zerkauen, ist in Wirklichkeit sein kleiner Bruder – der Jewrovision Song Contest. Die jüdische Variante des Spektakels also. SPIESSER-Autor Tobias hat die beiden Musikevents verglichen.
Modern, traditionell und jüdisch: Im Songcontest Jewrovision traten am 3. März jüdische Jugendzentren aus ganz Deutschland gegeneinander an. Aber kann der Jewrovision mit dem Eurovision mithalten?
Die Jewrovision wird seit 2002 jährlich in einer anderen deutschen Stadt ausgetragen. Teilnehmen können jüdische Jugendzentren aus ganz Deutschland. Die Teilnehmer müssen zwischen 10 und 19 Jahre alt sein. Ein Auftritt darf höchstens fünf Minuten dauern, das Vorstellungsvideo im Vorfeld bis zu drei Minuten. Den Gewinner bestimmen eine prominent besetzte Fachjury sowie die einzelnen Jugendzentrumsleiter. Das Punktesystem ähnelt dem des „Eurovision Song Contest“. Die Gewinnerstadt ist gleichzeitig auch Austragungsort der Veranstaltung im nächsten Jahr.
Musik
Pop, Rock, ländertypischer Folklore: Der ESC ist alle Jahre wieder ein Zusammentreffen sämtlicher Genre. Künstler wie ABBA starteten große Karrieren. Möchtegern-Künstler blamierten sich mit Liedern, die scheinbar geistesabwesend zwischen Bushaltestelle und Kiosk entstanden. In diesem Sinne: „Guildo hat euch lieb“.
Die Acts bei der Jewrovision sind ein Mix aus aktueller Chartmusik in deutscher, hebräischer und jiddischer Sprache. Auf professionelle Songwriter wird verzichtet. Beim Jewrovision 2012 gewann das Münchner Jugendzentrums "Neshama". Die Beats ihres Songs entstammen dabei dem Song „Forget you“ aus der Musical-Serie "Glee".
Tanzeinlagen
Teure Choreografen, ausgeklügelte Tanzschritte und ausgebildete Tänzer sind beim ESC Pflicht. Der Wandel von der Schlagerveranstaltung zum Popevent hinterlässt deutliche Spuren, längst wurde heimatliches Geschunkel von beinahe akrobatischen Choreografien und größtmöglichem Hüfteinsatz verdrängt.
Beim Jewrovision dagegen ist nicht jeder Schritt immer im Takt, im Notfall wird gefreestyled. Im Vordergrund stehen Kreativität und ein motiviertes Team.
Kostüme
Stefan Raabs leuchtendes und blinkendes Kostüm bei seinem Auftritt mit „Wadde hadde dudde da“ brannte sich unvergesslich in unsere Netzhaut. Lena verhalf dem kleinen Schwarzen zum Bühnenrevival, und auch die Teilnahme einer bayerischen Trachtengruppe würde uns inzwischen kaum mehr irritieren.
Die Jewrovision-Teilnehmer zeigen von allem etwas: traditionelle jüdischer Kleidung, bunte Kostüme, glitzernde Accessoires. Die Kippa auf dem Kopf gehört ebenso dazu, wie leuchtende Neonarmbänder am Arm.
ABBA war Kitsch. Ohne Frage. Knallbunte, enge, fragwürdige Ganzkörperoutfits setzten – glücklicherweise – keine modischen Trends. Theatralische Gesten und Grimassenkino, kombiniert mit verwirrenden Choreographien gehören dagegen längst zum Standardprogramm des ESC. Große Emotionen werden hier mit Goldlametta geschmückt und Scheinwerfern angestrahlt.
Beim Jewrovision bleiben die austragenden Jugendzentren auf dem Boden. Moderne und Tradition treffen aufeinander – modisch wie musikalisch. Übertriebene Heulattacken und Kreischanfälle? Fehlanzeige!
Fans
Der Eurovision Song Contest fesselt weltweit bis zu 120 Millionen Zuschauer an den Fernsehern und tausende Fans live vor Ort. Public Viewing allerorts, Rudelgucken auch an vielen heimischen Fernsehern.
Mit rund 1300 Zuschauern, die dieses Jahr in München dabei waren, wächst das Interesse am Jewrovision Song Contest. Menschen aus aller Welt können ebenfalls dabei sein: Die Website der Jewrovision bietet einen Live-Stream an. Die Stimmung in der Halle hält trotz der Massenunterschiede mit dem großen Bruder ESC mit: Auch 1300 Menschen erreichen einen ordentlichen Lärmpegel.
Jury
Beim ESC bestimmen die Zuschauer den Gewinner. Die Live-Schaltung in die verschiedenen Länder bei der Punktevergabe ist einer der Höhepunkte der Show. Eine gewisse „Ostblock-Connection“ wird immer wieder unterstellt. Nicht zuletzt deshalb wurde in jedem Land eine Fachjury eingeführt, die ebenfalls Stimmrecht hat.
Beim Jewrovision setzt man neben ausgewählten Jugendzentrumsleiter aufs Gehör einer prominenten Jury. Dieses Jahr: Castingshow-Sängerin Raffaela Wais („X-Factor“), Soap-Sternchen Susan Sideropoulus („Gute Zeiten, schlechte Zeiten“) und Peter Urban (Kommentator des „Eurovision Song Contest“ im deutschen Fernsehen). Musikproduzent Ralph Siegel war eigentlich auch eingeplant, hatte aber scheinbar irgendetwas in seinem Terminkalender verplant. Störte aber keinen. Neben Musik-, und Tanztalent bewertet die Jury beim JSC wieviel jüdische Einflüsse eingeflossen sind.
Preis
Ein Nummer 1-Hit in den Charts ist den Gewinnern des Eurovision Song Contests – zumindest für ein paar Wochen – sicher. Mediale Aufmerksamkeit für den Hamster der kleinen Schwester des Zweitplazierten sowie der Kakteensammlung des Dritten ebenso.
Beim Jewrovision dagegen zählen Ruhm und Ehre, viel Applaus und die Titelverteidigung für die Gewinnerstadt.
Fazit:
Vom Grad des Spektakels punktet der Eurovision. Klar, da gehts ganz klar um die Größe! Beim Mehrwert zeichnet sich der Jewrovison aus: Hier werden jüdische Tradition und moderne Popkultur zusammengebracht, ohne peinlich zu wirken.
Fotos: David Friedmann
Text: Tobias Thieme
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woraus ein Musikvideo zu meinem Song LIMITS entstanden ist:
https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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[Bild:1]
Viel Spaß
mxk
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