SPIESSER unterwegs

365 Tage nass

In Ghana muss sich Melanie auf zwei Wetterextreme einlassen. Doch zwischen Regen- und Trockenzeit kennt sie nur noch ein Gefühl: Nässe.

03. August 2012 - 17:00
von SPIESSER-Autorin dingue.soce.
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dingue.soce Offline
Beigetreten: 10.05.2009

Wenn Melanie nicht als Hobby-Meteorologin arbeitet, betreut sie Kinder beim Freiwilligendienst in Ghana.

Mit dem Sammeltaxi fahre ich vom Markt in der nächsten Stadt Hohoe zurück in mein Dorf. Die alte Frau, auf deren Schoß ich mich gequetscht habe, befiehlt dem Fahrer im unmissverständlichsten Kommandoton, doch gefälligst das Gaspedal bis zum Anschlag durchzudrücken. Wir sind schließlich auf der Flucht! Auf der Flucht vor dem Regen.

Wasser frei!

Er kündigt sich schon den ganzen Tag an. Morgens verschwinden ganze Berge in tief hängenden Wolken. Mittags drückt feuchte, schwüle Luft aufrecht gehende Menschen zu gedrungenen, schwer atmenden Gestalten zusammen. Hitze, Dunst und sicher auch der literweise rinnender Schweiß sammeln sich in dunklen Himmelvorhängen. Gleich gehts los. Starker, horizontal pustender Wind schiebt die heiße Schwüle beiseite. Ziegen beginnen, ängstlich zu meckern, Menschen sausen zu ihren Wäscheleinen, decken Feuerstellen und trocknende Kakaobohnen mit Wellblech ab.


Dunkle Himmelsboten: Gleich wirds nass.

Fünf Minuten zu spät kommt das Taxi in meinem Dorf an – wir sprinten zwecklos. Schon nach drei Schritten bin ich nass. Komplett aufgeweicht, aber mit einem fetten Grinsen im Gesicht, komme ich zu Hause an. Meine Nachbarn kennen den Grund meiner übermäßigen Regen- freude und rufen lachend: „We are sooo sorry for you! When it’s raining like this, you can’t go to work!“ Denn wenn das ganze Dorf im Regen versinkt, fallen auch meine Arbeitstage ins Wasser.

Ganz oder gar nicht

Ein paar Breitengrade nördlich des Äquators, wie hier in Ghana, gibt es im tropischen Klima statt Jahreszeiten nur den Wechsel zwischen Regen- und Trockenzeit.


Verkehrte Welt: Sommer im Winter.

Regenzeit ist, wenn der Sturm die Ruhe vor dem Regen ist. Wenn sanfte Niesel- regentröpfchen ankündigen, was Sekunden später über die Köpfe herabstürzt: Heftige Monsunwolkenbrüche, die von März bis Mai und September bis Oktober herunter trommeln. Solche Regengüsse auf Wellblechdächern toppen jedes Vuvuzelakonzert! Das Tropfenorchester wird nur von der Trockenzeit unterbrochen. In den Wintermonaten fällt kein Niederschlag vom Himmel. Im Klartext bedeutet das: Während sich in den Sommerferien die deutschen Freibäder füllen, hole ich bei viel zu kalten 20 Grad Celsius Omis dicke Wollsocken heraus.

Schweiß frei!
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„In der Trockenzeit wird alles anders“, redete ich noch in der Regenzeit meinem bereits Kiemen und Flossen ausbildenden Körper Mut zu. Mittlerweile ist August, es hat seit zwei Monaten nicht geregnet und alles trocknet vor sich hin: Die Wäsche auf den Leinen, die eine Stunde nach dem Waschen wie gebügelt ist. Der Regenwald, der seinen Namen nun nicht mehr verdient. Die Tomaten, Möhren und Paprika in unserem Garten, die selbst das tägliche Gießen nicht retten konnte. Ich schwitze.


Sandkörner, die auf Ziege starren.

Als ob das noch nicht reichen würde, bläßt außerdem ein Passatsturm namens Harmattan unentwegt Sand aus der Sahara über das Land, ein Nebel aus feinen Körnchen. Der Sand ist überall. Er kriecht in Ohren, Nase und Körperporen. Er überzieht Stühle und Schüsseln mit einer dünnen Staubschicht. Er färbt Bananenstauden am Straßenrand ockergelb.

Ich kann nicht sagen, wie heiß es ist, meinem Temperaturempfinden traue ich schon lange nicht mehr. Es ist heiß. Heißer. Am Heißesten. Bullenheiß. Backofenheiß. Brennend heiß. So heiß, dass ich an Körperstellen schwitze, von deren Existenz ich noch nicht einmal wusste. Ich bin mal wieder dauernass – daran wird leider auch die Regenzeit nichts ändern.

 

Text: Melanie Weise, Fotos: privat

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