SPIESSER unterwegs

Zwischen Kirchen und Maya-Ruinen

Nach ihrem Abitur im Sommer 2020 entschied sich SPIESSER-Autorin Rebecka für ein Gap Year. Trotz der Corona-Pandemie führte sie diese Zeit unter anderem in ein fernes, sehr religiöses Land: Mexiko. Was sie dort erlebt und über Religion und Glaube gelernt hat, beschreibt sie euch in einem Erfahrungsbericht.

17. May 2022 - 14:39
SPIESSER-AutorIn Freigeistgefluester.
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Beigetreten: 19.01.2019

In meinem Gap Year lag ich nicht auf der faulen Haut. Im Gegenteil: Ich startete zunächst als Fundraiserin durch. Außerdem begann ich aber eine noch viel wichtigere Reise: meine persönliche Weiterentwicklung. Ich versuchte, meinen Horizont an allen möglichen Stellen zu erweitern und trat im Herbst 2020 meine erste Backpackreise in die Berge an. Doch bei dieser einen Reise sollte es nicht bleiben, denn das Reisefieber hatte mich sofort gepackt. Der darauffolgende Winter war für mich – wie wahrscheinlich für die meisten von euch auch – Corona sei Dank einer der härtesten und längsten, die ich in zwanzig Jahren Lebenszeit miterlebt habe. Lockdown, keine Sonne, keine sozialen Kontakte. Ich fiel in ein großes Loch der Selbstzweifel und merkte: Ich muss etwas ändern!
Also fasste ich den Plan, sobald es geht wieder loszuziehen, neue Gegenden zu erkunden und mich an neue Grenzen zu treiben, damit ich wieder weiter über mich hinauswachsen konnte.
Anfang Mai 2021 plante ich dann ganz spontan mit einer Freundin einen Roadtrip durch Europa, doch die ganzen Grenzkontrollen machten uns die Reise schwer. Wir fühlten uns gefangen, suchten nach Alternativen und fassten dann den Entschluss: Wir fliegen nach Mexiko! Eine Woche später stand ich dann auch schon mit nur meinem Backpack auf dem Rücken im Flughafen und kurze Zeit später befand ich mich auch schon in der Luft.

Die Verbundenheit zu Gott

Ich landete in Cancún, auf der Halbinsel Yucatán. Ich hatte die Sonne und die Freiheit vermisst und bekam nun von beidem endlich eine dicke Portion ab. Ich freute mich, es ging
mir gut. Schnell stellte ich aber fest, dass ich mich in dieser touristischen Gegend überhaupt
nicht wohlfühlte. In Holbox trennte ich mich dann von meiner Freundin und zog alleine weiter die Küste runter. In den folgenden drei Monaten, die ich dann durch Mexiko
tourte, kam ich an immer mehr Stellen mit dem dortigen christlichen Glauben in Kontakt. Angefangen bei spirituellen Gesprächen mit anderen Reisenden, über Wegkreuze und Panteónes (also Grabdenkmälern), bis hin zu Segnungen durch Einheimische war alles dabei.


Templo del Hombre Barbado in Chichén Itzá.

Ich war so fasziniert und beeindruckt, dass ich mich tatsächlich jedes Mal freute, wenn ich einen neuen Altar mit einer Statue Jesu oder der heiligen Jungfrau Maria entdeckte. Christentum in Mexiko? Diese Entdeckung verblüffte mich anfangs sehr, doch ich fand schnell heraus, dass der Glaube hier von den Spaniern verbreitet wurde, die im Laufe der Geschichte Mexiko eroberten. Demnach findet man überall in Mexiko Kathedralen und Kirchen und einen Haufen Menschen, die (mittlerweile) gerne und aus tiefstem Herzen an Gott und das Christentum glauben. Und was mir auch aufgefallen ist: Je weiter man sich von der Küste des Bundesstaates Quintana Roo, also von den touristischen Städten, entfernt und ins Land vordringt, desto präsenter werden die christlich-katholischen Gebäude und Zeugnisse.
In Palenque, Campeche, traf ich dann auf Julietta. Die indigene Frau war für mich wie eine Mutter, denn sie kochte mir immer stärkendes Frühstück und umsorgte mich und andere Backpacker, wann immer wir etwas brauchten. Bereits nach zwei Tagen fühlte ich mich ihr sehr verbunden. Kurz vor meiner Abreise kam sie zu mir, legte ihre Hand auf meinen Kopf und fing an, einen Segen zu sprechen. Sie segnete mich im Namen Christi, schenkte mir den Segen Gottes und versprach, in ihren zukünftigen Gebeten an den Herrn auch immer für meinen Schutz und meine Liebe zu beten. Ich glaube, vorher bin ich noch nie jemandem begegnet, dessen Glaube an die Existenz und Macht Gottes so tief und rein war wie der von Julietta. Als meine Reise dann aber weiterging und ich den Ort Chiapas erreichte, entdeckte ich in vielen mexikanischen Lokalen kleine Altäre oder Schreine, auf denen geistliche Figuren oder Abbilder mit Blumen verziert ihren Platz einnahmen. Ähnlich wie in den Alpen stellte ich fest, dass die Menschen, die in den Bergen wohnen, noch einmal ein ganz besonderes Verhältnis zu Gott aufgebaut haben. Einheimische erzählten mir, dass das damit zusammenhängt, dass man in den Bergen tagtäglich an die Naturgewalten und die damit bestehenden Gefahren erinnert wird.

Die Maya – eine fast vergessene Kultur

Vor langer Zeit, als die Spanier noch nicht ihren Weg über den Atlantik gefunden hatten, herrschte der Glaube der Maya auf der Halbinsel Yucatán vor. Daher begegnete ich auf meiner Reise nicht nur puren der christlichen Religion, sondern auch dem Glauben der Maya. Auch heute existieren die Maya noch, wenn auch nur noch zu kleinen Teilen, und sie halten stolz an ihren Traditionen und Bräuchen fest.
Was die Maya so besonders macht, sind ihr Glaube und ihre Verbundenheit zur Natur. Überall im Dschungel finden sich uralte, baulich sehr imposante Maya-Ruinen – viele sind noch heute unerforscht. Hier pflegten die Maya ihre Götter zu ehren, sich mit der Astrologie zu beschäftigen und Opfergaben darzubringen. Manche Fundstätten, wie zum Beispiel Chichén Itzá, besitzen des Weiteren wichtige Opferstätten. Cenoten (das sind Wasserlöcher), die über ein unterirdisches Tunnelsystem miteinander verbunden sind, sind laut der Maya der Zugang zur Unterwelt, in der der Regengott Chaac wohnt. Er zählt zu den mächtigsten und einflussreichsten Göttern dieser polytheistischen Religion. Blieb der Regen aus, so wurden Tier- oder auch Menschenopfer und kostbare Gaben dargebracht. Auch heute noch sind Opfergaben in den Kirchen Mexikos nicht unüblich. Familien versammeln sich hier in kleinen Gruppen, wenn es einen schweren Krankheitsfall gibt. Während des Rituals singen sie dann Lieder in Mayathan, der Sprache der Maya, und opfern ein ganzes Huhn. Handelt es sich nur um einen leichten Krankheitsfall, so werden auch gerne Hühnerköpfe, Innereien wie Herz oder Leber oder rohe Hühnereier als Opfergabe dargebracht. Zusätzlich gibt es auch noch klassische Gottesdienste, in denen, wie bei uns auch, ein Priester seine Predigt hält, während die Anwesenden in Andacht der Messe beiwohnen. Und wenn es einen kirchlichen Feiertag oder ein größeres Fest gibt, dann wird die Kirche mit bunten Fahnen verziert, die an Seilen über der Eingangstür befestigt werden und dann den gesamten Vorhof überspannen.

Ein Fazit

Im Großen und Ganzen kann ich sagen, dass Mexiko mich in all seinen Facetten und Farben zutiefst beeindruckt und inspiriert hat. Was das Thema Religion und Glaube betrifft, so handelt es sich um ein großes Feld, das viel Platz zum Lernen und Forschen bietet. Allein das Zusammentreffen zweier so unterschiedlicher Kulturen beziehungsweise Religionen, die über die Zeit hinweg eine völlig eigene, neue Welt erschaffen haben, zeugt davon, dass es hier noch viel mehr zu entdecken gibt. Ich kann jedem nur empfehlen, unabhängig davon, ob sie oder er nach Mexiko reist oder in ein anderes Land: Öffnet die Augen und sperrt die Lauscher auf, denn über den Glauben und die Religion erfahrt ihr eine Menge über die Menschen und deren Kultur. Und auch wenn das Thema anfangs vielleicht etwas abschreckend oder langweilig klingt, so gibt es doch unglaublich viele interessante Dinge zu erfahren, die den eigenen Horizont auf jeden Fall erweitern, wenn man sich ihnen gegenüber öffnet und neugierig bleibt.

 

Text und Fotos: Rebecka Juchems, 21, kann es kaum erwarten, weitere Länder dieser Welt zu bereisen.

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