Mach dein Ding!

„Es hätte mich
genauso treffen können.“

Johannes Mickenbecker ist einer der bekanntesten YouTuber in Deutschland und vor allem für seinen offenen Umgang mit seinem christlichen Glauben bekannt. Er hat in seinem Leben schon einige schwere Schicksalsschläge erlebt und glaubt trotz allem an einen guten Gott. Im Interview mit SPIESSER-Autor Tom spricht er über seine verstorbenen Geschwister und seinen Weg zum Glauben.

04. January 2022 - 09:39
SPIESSER-AutorIn Thomas Alb.
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Thomas Alb Offline
Beigetreten: 23.06.2019

Weshalb hast du 2016 gemeinsam mit deinem verstorbenen Zwillingsbruder Philipp den You-Tube-Kanal „The Real Life Guys” und vor einem Jahr den Kanal „Life Lion“ gegründet?

Während der Schulzeit haben wir gemerkt, dass wir überhaupt keinen Bock mehr haben, am Schreibtisch zu sitzen und zu lernen. Also haben wir einfach alles gemacht, worauf wir Lust hatten: mit Freunden reisen, ein U-Boot bauen oder ein Drohnen-Jetpack entwickeln. Unsere Community haben wir einfach auf dem „The Real Life Guys“-Kanal bei allem mitgenommen. Der „Life Lion“-Kanal ist entstanden, als Philipp erneut an Krebs erkrankte. Er wollte seine Erfahrungen, die er mit Gott gemacht hat – die ihm weitergeholfen und neue Hoffnunggegeben haben – teilen.

Deine Schwester Elisabeth starb 2018 bei einem Flugzeugabsturz und Philipp verstarb am 09. Juni 2021 an Krebs. Dennoch glaubst du an einen guten und gerechten Gott?

Wie kann ein liebender Gott so ein Leid zulassen? Ich finde diese Frage sehr spannend und auch wichtig, sie zu stellen. Andererseits sollte man sich auch diese Fragen stellen: Welche Erwartung habe ich an Gott? Sollte Gott in jedem Fall eingreifen? Ich denke nicht. Denn Gott lässt den Menschen ihren freien Willen und stellt sich nicht in den Weg, wenn du versuchst, etwas Falsches zu machen. Aber Gott will dich von innen heraus so verändern, dass du selbst keine falschen Sachen machen möchtest.
Als meine Schwester gestorben ist, bin ich mega sauer auf Gott gewesen und habe ihn für ihren Tod verantwortlich gemacht. In dieser Zeit habe ich aber auch gemerkt, dass viel Leid auf der Welt auf den Egoismus der Menschen zurückzuführen ist. Das trifft vielleicht nicht unbedingt auf Krankheiten zu, aber immer, wenn wir uns selbst in den Mittelpunkt stellen, entstehen Probleme. Ich glaube nicht an die Idee des Kapitalismus, dass, wenn jeder an sich denkt, an alle gedacht ist. Da werden viele Menschen nicht betrachtet und die einzige Lösung für dieses Problem ist meiner Meinung nach Nächstenliebe.

Nächstenliebe sollte also das oberste Gebot sein?

Grundsätzlich ja, aber nicht unbedingt ein Gebot. Ich glaube eben nicht, dass wir Menschen zu mehr Nächstenliebe „zwingen“ können. Alle Religionen haben das Ziel, Regeln zu schaffen, um das Zusammenleben zu verbessern. Das Herz des Menschen ist dadurch aber noch nicht verändert. Und das ist genau der Punkt, wo der Glaube für mich lebendig wird und ich Gott erlebt habe: Nämlich darin, dass Gott dein Herz verändern kann.

Was waren denn deine ersten Erfahrungen mit dem Glauben und Religion?

Ich bin in einer sehr christlichen Familie aufgewachsen, in der es viel um Religiosität und Regeln ging. Außerdem war ich auf einer sehr konservativen, christlichen Schule. Das alles hat mich erst mal extrem von der Religion abgeschreckt. Als Kind hast du ein sensibles Gespür dafür, ob jemand etwas aus Überzeugung macht oder nicht. Wahre Liebe habe ich in den Regeln und Geboten nicht gefunden, also habe ich mich zunächst davon abgewendet, überhaupt an Gott zu glauben.

Johannes Mickenbecker

hat schon viele verrückte Ideen in die Tat umgesetzt: Ob eine fliegende Badewanne, ein U-Boot oder ein Hovercraft. Seinem Zwillingsbruder Philipp und ihm mangelte es bisher nie an kreativen Ideen und handwerklichem Tatendrang. Seit 2016 begeistert der YouTube-Kanal „The Real Life Guys“ seine Community mit nicht immer ungefährlichen Projekten. Den „Life Lion“-Kanal haben die Brüder 2020 gestartet und sich darauf vor allem Philipps Umgang mit seiner erneuten Krebsdiagnose und anderen persönlichen Themen gewidmet.

Seitdem habe ich Religion kritisch gesehen und hinterfragt.
Philipp hat aus unserem Freundeskreis als Erster zum Glauben gefunden. Das lag vor allem an dem, was er erlebt hat. Ich hatte eine natürliche Abneigung gegen alles, was mit Gott zu tun hatte. Zuerst dachte ich, dass Philipp durch den Glauben an Gott nicht mehr bei unseren Projekten mitmachen und richtig langweilig werden wird. An sich fand ich seine Veränderung nicht negativ, hatte aber einfach keinen Bock darauf.

Und wie hast du dann schließlich selbst zum Glauben gefunden?

Es gab einen Schlüsselmoment, an dem ich mich komplett von meinen Vorurteilen freigemacht habe. Als ich das Flugzeug gesehen habe, mit dem meine Schwester abgestürzt ist, und dachte, dass ich fünf Minuten vorher noch selbst drinsaß. Es hätte mich genauso treffen können.
Die Wissenschaft hat auch keine Erklärung dafür, ob etwas nach dem Tod kommt. Ich glaube, dass es in unserem Körper etwas gibt, das nicht materiell ist. Wir sind eine Biomasse, aber haben eine Seele oder einen Geist und für mich stellte sich da die Frage: Wo geht die Seele beziehungsweise der Geist nach dem Tod hin? Als ich begann, mich das zu fragen, habe ich zuerst einen großen Bogen um die Bibel gemacht. Doch letztendlich habe ich die einzige für mich logische Antwort darin gefunden.
Jesus ist der einzige Mensch, von dem ich gehört habe, der komplett ohne Egoismus lebte. Der für Menschen gestorben ist, die ihn noch nicht einmal geliebt haben. Mich hat das sehr beeindruckt und dadurch konnte ich mich für den Glauben öffnen.

Dass aus einem Nichts etwas geworden ist, ergibt für mich einfach keinen Sinn.

In welchen Momenten bist du von der Existenz Gottes überzeugt?

Bei Philipp waren vor allem Zufälle ausschlaggebend, die eigentlich keine Zufälle sein können. Ich bin generell ein rationaler Mensch. Für mich waren selbst die Erfahrungen, die Philipp gemacht hat, am Ende Zufälle.

Der entscheidende Punkt bei mir war viel eher die Frage: Wo kommen wir her? Dass aus einem Nichts etwas geworden ist, ergibt für mich einfach keinen Sinn. Alles, was jetzt da ist, muss schon einmal dagewesen sein, von mir aus auch in einer anderen Form. Es muss also jemanden geben, der das alles geschaffen hat. Wenn ich mir die Natur oder den Menschen anschaue, kann ich mir nicht vorstellen, dass der komplexeste Organismus durch Zufall entstanden sein soll.

Wie wird es in Zukunft auf euren YouTube-Kanälen weitergehen?

Auf dem „Real Life Guys“-Kanal möchte ich weiterhin diese ganzen verrückten Experimente machen. Ich würde auch gerne in Richtung Community-Events gehen. Vor allem möchte ich Menschen dabei helfen, rauszugehen und selbst etwas zu machen. Den „Life Lion“-Kanal würde ich dagegen gern nutzen, um anderen Menschen Hoffnung zu machen, von meinen Erlebnissen mit Gott zu berichten und mit den Menschen in den Austausch zu kommen. Ich würde mich gern mit anderen unterhalten, die gar nicht oder an etwas ganz anderes als ich glauben. Das fände ich sehr spannend. Das fände ich voll schön, wenn wir ein Format schaffen mit einem Austausch auf Augenhöhe.

 

Text: Tom Albiez, 24, ist fasziniert von der ruhigen und positiven Ausstrahlung von Johannes und dankbar für dieses Interview.
Fotos: Hannah Folhoffer, 26, (Freiberufliche Fotografin) findet, der Glaube kann stärken und vieles bewegen.

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