Das akademische Leben in den USA dreht sich in erster Linie um Football und School Spirit. Ausreiser Eike versucht sich mit einer solchen Gruppenidentität anzufreunden – und bleibt kritisch.
17. October 2012 - 16:56 von SPIESSER-Autor EikeBuuusch.
Ausreiser Eike studiert dieses Wintersemester in Arizona.
„Put your Forks up!“, „Fear the Fork!“, „Devils, give them hell!“ – martialische Sprüche und Aufforderungen dieser Art sind Gang und Gäbe an der Arizona State University, kurz ASU. Doch die Studenten hier fühlen sich nicht nur durch Schlachtrufe, sondern auch in Sachen Farbwahl verbunden: In den Fenstern der Wohnheime, als Plakate an den Lampen der Stadt, als Schilder auf dem Campus und auf den T-Shirts und Caps der Studierenden – die Unifarben Kastanie und Gold sind allgegenwärtig.
Goldene Schätze
Mit solchen Sprüchen liege ich hier goldrichtig.
Warum sich ausgerechnet diese beiden Töne solcher Beliebtheit erfreuen, ist schnell erzählt. Schon 1896 wurde Gold zur Hauptfarbe der Schule erklärt, als Symbol für – was sonst? – die goldenen Versprechen und Schätze sowie die goldene Sonne des Arizona-Gebiets. Kastanie kam zwei Jahre später hinzu, der Footballtrikots wegen. Football hat also schon damals eine wichtige Rolle gespielt und beherrscht das ASU-Studentenleben bis heute.
Die Football-Mannschaft der ASU heißt Sun Devils, deren Logo ist der Dreizack, den das Maskottchen Sparky mit sich herumträgt. Die Studenten laufen zwar nicht mit Riesengabel durch die Gegend, nennen sich aber auch Sun Devils – und ich bin jetzt einer von ihnen.
I am a Sun Devil?
Damit das auch jeder weiß, gibt es zur Begrüßung der Neuankömmlinge, der Freshmen und Austauschstudenten, kostenlose T-Shirts mit der Aufschrift „I am a Sun Devil“. Kaum im Südwesten der USA, sollen wir Teil der Mannschaft werden.
Willkommen im Kollektiv.
Für viele unter uns ist es das erste Mal, dass sie von zu Hause weg sind. Da ist so eine Gruppenidentität ein weiches Netz und sehr willkommen. Mir ist diese Gruppenzugehörigkeit allerdings etwas suspekt. Als Europäer, als Deutscher, bin ich ich Gruppenzugehörigkeit maximal auf Vereinsstärke gewohnt. Hier umfasst der Verein aber beinahe 80.000 Studierende.
In der Wells Fargo Arena auf dem Tempe-Campus der ASU, die 14.000 Menschen fassen kann, empfängt uns der Präsident der ASU mit einer vor motivierenden Worten strotzenden Rede. Er spricht von Eigenverantwortung und Zielstrebigkeit. Davon, dass alles in den eigenen Händen läge und wenn doch etwas schief ginge, hätte die ASU die nötigen Ansprechpartner. Bei bis zu 11.000 Dollar Studiengebühren sollte der Service wohl drin sein, denke ich mir.
Zeit, Geschichte zu schreiben
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Nachdem der Präsident abgetreten ist, stolziert die Marching Band samt Maskottchen herein und sorgt für Stimmung. Dann läuten die Cheerleader den Einmarsch von Coach Graham und seinem Football-Team ein. Ein Coach als Hauptsprecher der Veranstaltung – in Deutschland unvorstellbar. Hier genießt der College Football hingegen fast so viel Aufmerksamkeit, wie die Profi-Liga NFL. Graham stellt sich deshalb auch nicht nur als Trainer der Football-Mannschaft, sondern als Coach aller Studierenden vor. Die Mannschaft sei schließlich nichts, ohne ihre Anhänger. Fast hätte ich es schon wieder vergessen: Hier ist alles eins.
Um die Gruppenidentität noch weiter zu stärken, laufen Imagevideos mit kriegsfilmreifer Musik. „It's time...“, wird in diesen Filmen gesagt, während immer wieder Bilder vergangener Footballspiele gezeigt werden, „it's time to write history“. Es ist Zeit, Geschichte zu schreiben. Durch Football. Episch. Es klingt albern in meinen Ohren, aus meiner deutschen Sicht, ergibt aber Sinn im amerikanischen Kontext: Wenn alle auf das eigene Team eingeschworen werden, haben alle etwas gemeinsam. Vom zukünftigen Sozialarbeiter zum Firmenchef. Alle Klassen und Schichten, soweit an der ASU vertreten, können sich vereinen. Wo? Im Footballstadion natürlich.
Text: Eike Rüdebusch, Fotos: privat
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